Problemhäuser in Dortmund Das undurchsichtige Firmengeflecht hinter den Immobilien

Problemhäuser: Das undurchsichtige Firmengeflecht dahinter
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Tauben sitzen an offenen Fenstern in den Wohnungen an der Münsterstraße 200 bis 204 in der Nordstadt in Dortmund. Dutzende Wohnungen stehen hier leer, die Fassade ist schmutzig, Balkone verweist, Sperrmüll steht vor der Eingangstür. Die Häuser am Hackländer Platz gehören zu den Problemhäusern in der Nordstadt, sowohl für die Stadt selbst, aber besonders für die Mieter, die dort wohnen.

Diese Problemhäuser gehören zu einer Eigentümergesellschaft mit dem Namen „BEVO DE Alpha 3e GmbH“, wie die Stadt Dortmund auf Anfrage mitteilte. Seit Februar befinden sich die Immobilien in der Zwangsverwaltung, wovon die Mieter möglicherweise am Ende sogar profitieren könnten. Doch wer steckt hinter der kryptischen Eigentümergesellschaft?

Recherchen unserer Redaktion zeigen, dass für die Verwaltung am Hackländer Platz, an der Weißenburger Straße und am Sadelhof mehrere Unternehmen verantwortlich sind, die erst vor kurzem Insolvenz angemeldet haben. Die Spur führt bis ins Fürstentum Liechtenstein. Und es geht um ein millionenschweres Investment tausender Anleger, die über 280 Millionen Euro investiert und lange von den Zinszahlungen profitiert haben.

Das Elend der BEVO-Mieter in Dortmund

In einer der Wohnungen an der Münsterstraße wohnt Ewald Glasmeyer. Er ist schwerbehindert, 74 Jahre alt, und schleppt die Einkaufstüten die Treppe in die dritte Etage hoch. Seit 14 Jahren lebt er mit Krebs und einem künstlichen Darmausgang. „Der Aufzug ist schon ewig kaputt“, sagt er. Der Aufzug ist im zweiten Stock stecken geblieben, das Licht brennt noch.

Wer Glasmeyer durchs Treppenhaus folgt, sieht Graffitis im Hausflur, bröselnde Wände, Schimmelansätze, ein völlig verdrecktes Treppenhaus. In seiner Wohnung sieht es besser aus, doch auch hier gibt es schwarz gefärbte Flecken an den Wänden. Der Ablüfter in der Wand seines Badezimmers ist weiß, doch zwischen den Fächern steckt angesaugter, tiefschwarzer Dreck.

Zwei Mieter an der Weißenburger Straße 8 mussten ebenfalls erleben, was es heißt, Mieter einer BEVO-Gesellschaft zu sein.
Zwei Mieter an der Weißenburger Straße 8 mussten ebenfalls erleben, was es heißt, Mieter einer BEVO-Gesellschaft zu sein. © Tim Ruben Weimer

Und auch den Mietern an der Weißenburger Straße 8 geht es kaum besser. Eine Scheibe der Haustür ist notdürftig mit Plane überklebt. Im Treppenhaus liegt Papiermüll, in einer Ecke stehen eine leere Flasche Wein und eine Flasche Lachgas, in einer anderen verbirgt sich unter Papiertüchern und weißlichem Pulver ein Haufen menschlicher Kot. Das Haus wurde 2018/19 an die „BEVO DE Alpha 3c GmbH“ verkauft.

Firmengeflecht hinter den BEVO-Gesellschaften

Hinter den BEVO-Gesellschaften steckt eine komplexe und für die Mieter undurchsichtige Unternehmensstruktur. Dank des deutschen Handelsregisters lässt sich die Eigentümerstruktur besser nachvollziehen, die teilweise bis in das Fürstentum Liechtenstein reicht, ein Land, das als „Steueroase“ gilt. Dort führen Unternehmen dann niedrige Steuern ab, obwohl sie die eigentlichen Geschäfte in einem anderen Land machen.

Wer nach der „BEVO DE Alpha 3e GmbH“ sucht, kann sich anzeigen lassen, wer die Gesellschafter der GmbH sind. Dabei handelt es sich zu 89,9 Prozent um die „BEVO DE Alpha 3 GmbH“ aus Düsseldorf und zu 10,10 Prozent um die „SGI RE Deutschland Holding GmbH“ aus Hannover. Wer dann der „BEVO DE Alpha 3 GmbH“ im Handelsregister folgt, trifft als Eigentümer auf die „DEGAG Bestand Alpha GmbH“, die der „DEGAG Wohnungsunternehmen GmbH“ gehört, die der „DEGAG Deutsche Grundbesitz Holding AG“ gehört.

Die Wohnhäuser am Hackländer Platz haben eine hohe Leerstandsquote.
Die Wohnhäuser am Hackländer Platz haben eine hohe Leerstandsquote. © Dennis Pesch

Und dann gibt es da noch zu 10,1 Prozent die SGI RE Deutschland Holding GmbH. Hier ist der Weg deutlich kürzer. Zu 74 Prozent gehört die SGI RE Deutschland Holding GmbH der Stonebird Foundation. Was klingt wie eine Stiftung für den guten Zweck, beschreibt die Stiftung Warentest als „intransparente Eigentümerstruktur“ der Holding, die in mehreren Liechtensteinern Stiftungskonstruktionen verankert sei. Tatsächlich hat die Stiftung ihren Sitz in der Liechtensteiner Hauptstadt Vaduz.

Die DEGAG-Insolvenz

Seit Januar 2025 befindet sich zudem die DEGAG Deutsche Grundbesitz Holding AG in einem Insolvenzverfahren. Über 6000 Anleger kauften sogenannte Genussrechte und erhielten dafür Zinsen zwischen sechs und neun Prozent. Das Geschäftsmodell der Gruppe mit Sitz in Hamburg war es, in die Jahre gekommene Wohnblöcke mit hoher Leerstandsquote zu kaufen, wie bei den Immobilien am Hackländer Platz in Dortmund.

Ursprünglich gehörte zum Geschäftsmodell auch, dass die Häuser saniert, die Wohnungen vermietet und die Immobilien danach weiterverkauft werden. Insgesamt 5000 Wohnungen sollen zu dem Portfolio der DEGAG gehören, darunter auch die in Dortmund. Nach Auskünften der Stadt Dortmund befinden sich rund 120 Wohneinheiten im Besitz der DEGAG. Ende Dezember erreichte die Anleger der DEGAG die Nachricht, dass die Zinszahlungen bis auf Weiteres ausgesetzt werden.

Unter dem weißen Pulver und dem Papier befindet sich menschlicher Kot.
Unter dem weißen Pulver und dem Papier befindet sich menschlicher Kot. © Dennis Pesch

Im August setzte zudem die Stiftung Warentest die DEGAG auf eine sogenannte Warnliste für „Unseriöse Firmen und Finanzprodukte“. In den vergangenen Wochen hat sich dann auch das Amtsgericht Hameln in Niedersachen in einer Reihe von Insolvenzverfahren mit den BEVO-Gesellschaften beschäftigt. Für 13 Gesellschaften mit dem Namen „BEVO DE Alpha“ liegen Insolvenzanträge vor, für die das Amtsgericht Hameln einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte.

Besuch der Bauministerin vor zwei Jahren

Schon vor zwei Jahren war die NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) an der Münsterstraße zu Besuch und sagte: „Was wir vor Ort gesehen haben, war erschreckend.“ Seitdem wurden den Anlegern der DEGAG noch bis Dezember 2024 Zinsen ausgezahlt. Zeitgleich stritt die Wohnungsaufsicht der Stadt Dortmund längst über Monate mit der BEVO-Gesellschaft über die Instandhaltung der Wohnungen am Hackländer Platz.

Das Unheil hat sich aus Sicht der Mieter in der Münsterstraße 200 – 204, der Uhlandstraße 149e, 149, 151 und an der Weißenburger Straße 8 über die Jahre immer weiter verschlimmert. Manche Bewohner, die dort seit über 20 Jahren wohnen, schämen sich so sehr, dass sie nicht öffentlich über die Zustände reden wollen und kaum noch Besuch bekommen.

Zudem stehen die Insolvenzverfahren gerade erst am Anfang. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Rainer Eckert bestellt. Damit führt der nun auch die Geschäfte und verwaltet das Vermögen der DEGAG und seiner Tochtergesellschaften. Mit der Insolvenzanmeldung könnte sich für die Mieter am Hackländer Platz, in der Weißenburger Straße und am Sadelhof künftig etwas an den künftigen Eigentümern ändern. Doch was genau, das ist noch völlig unklar.