Problemhäuser in Nordstadt unter Zwangsverwaltung Bewohner schämen sich, wenn Besuch kommt

„Schäme mich, wenn Besuch kommt“: Problemhäuser in Nordstadt unter Zwangsverwaltung
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Ewald Glasmeyer ist schwerbehindert, 74 Jahre alt und schleppt wieder mal die schweren Einkaufstüten in die dritte Etage. Seit 14 Jahren lebt er mit Krebs, hat einen künstlichen Darmausgang. „Der Aufzug ist schon ewig kaputt“, sagt er. Glasmeyer wohnt in einem Wohnblock am Hackländer Platz. In der Nähe des Hauseingangs liegt seit Wochen ein Sofa mitten auf dem Weg. Ein Blick aus dem Fenster des dritten Stocks zeigt eine vermüllte Wiese.

Wer ihm durchs Treppenhaus folgt, sieht Graffiti im Hausflur, bröselnde Wände, Schimmelansätze, ein völlig verdrecktes Treppenhaus. Der Aufzug ist im zweiten Stock stecken geblieben, das Licht brennt noch. In seiner Wohnung sieht es besser aus, doch auch hier gibt es schwarz gefärbte Flecken an den Wänden. Der Ablüfter in der Wand seines Badezimmers ist weiß, doch zwischen den Fächern steckt angesaugter Dreck.

Viele Teile der Wohnanlage sind mittlerweile unbewohnt. In manchen Wohnungen hausen Tauben, die an den Fenstern hin zur Münsterstraße sitzen. Alte Wäscheleinen hängen auf den Balkonen, ergraute Gardinen verhängen den Blick in die ein oder andere leere Wohnung. In Glasmeyers Wohnung ist das größte Problem bis heute die Fensterfront im Wohnzimmer. Er stellt sich vor die Fensterfront zu seinem Balkon und schüttelt sich: „Wenn es im Winter kalt wird, zieht die Kälte durch die Wohnung.“

„Schäme mich, wenn Besuch kommt“

Das Amtsgericht Dortmund hat wegen der Probleme in den Häusern Ende Februar 2025 eine Zwangsverwaltung angeordnet. Ein Sprecher der Stadt Dortmund teilte auf Anfrage mit: „Der Gebäudekomplex Hackländer Platz steht seit einem Heizungsausfall im Jahr 2022 sowie diverser anderer teils gravierender Mängel im Fokus der Wohnungsaufsicht. […] Die Bemühungen der Wohnungsaufsicht, die Verfügungsberechtigten im formlosen Verfahren zur Mängelbeseitigung zu bewegen, blieben erfolglos.“

Glasmeyer lehnt am Fenster vor seinem Balkon. Hier kommt im Winter viel Kälte durch. Die kaputte Fensterfront macht dem an Krebs erkrankten 78-jährigen das Leben noch schwerer als ohnehin schon.
Glasmeyer lehnt am Fenster vor seinem Balkon. Hier kommt im Winter viel Kälte durch. Die kaputte Fensterfront macht dem an Krebs erkrankten 78-jährigen das Leben noch schwerer als ohnehin schon. © Dennis Pesch

Laut Schreiben, das am 4. März an die Mieter am Hackländer Platz gegangen ist, ist die Kanzlei Axel Mork & Partner als Zwangsverwalter bestellt worden. Damit wurde der bisherigen Eigentümergesellschaft, der BEVO DE Alpha 3e GmbH, die Verwaltung und Benutzung entzogen. In der Wohnanlage gibt es seit Jahren Probleme mit der Heizungsanlage, wie die Stadt Dortmund und Anwohner bestätigen.

„Ich bin ein Kind der Nordstadt und fühle mich hier wohl, aber wenn Besuch kommt, schäme ich mich“, sagt auch Rentnerin Ute Westerkamp. Sie wohnt seit Jahrzehnten in einem der Problemhäuser am Hackländer Platz. Westerkamp ist nicht ihr echter Name. Sie will anonym bleiben, weil die Problemhäuser seit Jahren in der Öffentlichkeit stehen und sie sich dafür schämt. Westerkamp schildert, dass bis heute die Heizung teilweise nur bis zu 19 Grad warm wird.

Mieterverein Dortmund begrüßt Zwangsverwaltung

Die Zwangsverwaltung hat zur Folge, dass die Mieter künftig ihre Mieten an den Zwangsverwalter zahlen müssen, die Kanzlei Axel Mork & Partner aus Dortmund. Der Mieterverein Dortmund, der viele Mieter der Anlage vertritt und kennt, begrüßt die Entscheidung zur Zwangsverwaltung: „Für die Mieter kann das eine gute Nachricht sein, denn, was die Zwangsverwaltung an Mieten einnimmt, muss auch wieder in das Objekt investiert werden“, sagt Tobias Scholz unserer Redaktion.

Bereits im November 2022 wurde ein wohnungsaufsichtsrechtliches Verfahren gegen die Eigentümergesellschaft der BEVO eingeleitet. Ein Sprecher der Stadt erklärt: „Die Stadt Dortmund handelt hier im Interesse der Mieter. Unverändertes Ziel ist es, die Bewohnbarkeit der gesamten Wohnanlage gemäß Wohnraumstärkungsgesetz zu sichern. Dazu zählt ein Mindestmaß an Instandsetzungen, zumindest der noch vermieteten Wohnungen.“

Diese Couch liegt seit Wochen mitten im Eingangsweg am Wohnkomplex Hackländerplatz in Dortmund.
Diese Couch liegt seit Wochen mitten im Eingangsweg am Wohnkomplex Hackländerplatz. © Dennis Pesch

Die Mängel etwa bei der Heizungsanlage wurden laut Stadt von den Eigentümern erst behoben, nach dem gegen diese Zwangsgelder festgesetzt wurden: „Diese Maßnahme führte in Bezug auf die Heizungsanlage dazu, dass die Verfügungsberechtigte für die Heizperioden 2022/2023 und 2023/2024 über jeweils mehrere Monate eine mobile Heizungsanlage aufstellen ließ“, erklärt ein Sprecher der Stadt Dortmund. Die Reparatur der zentralen Heizungsanlage habe sich noch bis in den Sommer 2024 gezogen.

Stadt Dortmund: „Keine konstante Beheizung“

Dass das Amtsgericht die Zwangsverwaltung angeordnet hat, liegt an der finanziellen Situation der BEVO DE Alpha 3e GmbH. Für die Mieter hatte die finanzielle Situation der Eigentümergesellschaft zur Folge, dass auch während der noch laufenden Heizperiode die zentrale Heizungsanlage laut Stadt „keine konstante Beheizung aller Wohnungen des Gebäudekomplexes gewährleistet. Infolgedessen treten in den Wohnungen vermehrt Feuchtigkeits- und Schimmelschäden auf.“ Defekte Fenster, Aufzugsanlagen, Hauseingangstüren und Klingelanlagen würden die Situation verschärfen.

Ute Westerkamp sagt: „⁠Es wirkt sehr unsozial und ⁠das ist schon ein paar Jahre so“. Dass sie nicht auszieht, liegt an ihrem höheren Alter, dass sie dort Jahrzehnte wohnt, eine geringe Miete zahlt und sich in ihrer Wohnung trotz aller Probleme zu Hause fühlt. Doch insgesamt wächst der Leerstand in den Häusern am Hackländer Platz, schreibt die Stadt: „Nach Auskunft der zuletzt zuständigen Verwaltung stehen etwa 60 Wohnungen leer.“

Tauben sitzen in einem der Fenster am Hackländerplatz in Dortmund. Viele Wohnungen stehen hier leer.
Tauben sitzen in einem der Fenster am Hackländerplatz. Viele Wohnungen stehen hier leer. © Dennis Pesch

Scholz vom Mieterverein fordert, „dass die Wohnanlage jetzt in die richtigen Hände kommt.“ Der Verein wünscht sich, dass die sanierungsbedürftigen Gebäude in die öffentliche Hand kommen, also etwa der städtischen Wohnungsgesellschaften. Dass er die Zwangsverwaltung für eine gute Nachricht hält, liegt an den Erfahrungen, die der Verein bei der Zwangsverwaltung des Hannibal-Komplexes gemacht hat: „In dieser Phase ist das Geld auch bei der Instandhaltung angekommen.“

Hoher Leerstand in Problemhäusern

Zudem gibt es noch weitere Bestände von anderen BEVO-Gesellschaften in Dortmund an der Weißenburger Straße 8 sowie Sadelhof 2a und 2c-2h. Ein Sprecher der Stadt schreibt: „In der Weißenburger Straße und im Sadelhof sieht die Situation weniger problembehaftet aus.“ Die Wohnungsaufsicht habe dort Kontrollbesuche gemacht, habe aber kein wohnungsaufsichtsrechtliches Verfahren einleiten müssen: „Festgestellte Mängel wurden dort beseitigt“, schreibt die Stadt.

Ähnlich wie im Gebäudekomplex Hackländer Platz sei jedoch auch in der Weißenburger Straße 8 sowie in den Gebäuden Sadelhof „zu erkennen, dass seit einigen Monaten keine Neuvermietungen mehr stattfinden und Wohnungen leer stehen.“ Darin sieht die Stadt einen Verstoß gegen die Zweckentfremdungssatzung, schreibt der Sprecher: „Die Wohnungsaufsicht verfolgt daher auch das Ziel, dass sich das wieder ändert und wird dahingehend auf die neue Verwalterin einwirken.“

So sieht die Wohnanlage am Hackländerplatz in Dortmund aus.
So sieht die Wohnanlage am Hackländerplatz in Dortmund aus. © Dennis Pesch

Ewald Glasmeyer sagt: „Seitdem die BEVO der Eigentümer war, ist die Situation hier katastrophal.“ Ute Westerkamp hofft nun darauf, dass sie bald mehr Ruhe hat und sich Probleme mindern. Ob eine städtische Gesellschaft durch einen möglichen Ankauf dazu beiträgt, ist unklar. Der Sprecher der Stadt Dortmund schreibt: „Wie der weitere Weg genau aussieht, ist noch offen. Er hängt von vielen Faktoren ab, die während der Zwangsverwaltung noch zu klären sind.“