Lange ist sie noch nicht bei Verdi. Seit 33 Jahren arbeitet Silvia Bredensteffen schon als Hebamme, seit etwa fünf Jahren gehört sie zum Team an den Städtischen Kliniken in Dortmund. Doch erst jetzt war die Unzufriedenheit so groß, dass sie in die Gewerkschaft eintrat.
„Wir müssen etwas machen“, sagt die 56-Jährige mit sanfter, aber energischer Stimme: „Wenn wir nichts machen, passiert auch nichts.“ Damit meint sie nicht nur die Verdi-Forderung nach mehr Gehalt, sondern auch die Arbeitsbelastung im Alltag.
„Permanent unterbesetzt“
„Wir sind permanent unterbesetzt“, untermauert Bredensteffen. Dass für jeden der fünf Kreißsäle eine eigene Hebamme verfügbar sei – das komme selbst in der Frühschicht kaum vor: „Wir sind froh, wenn wir zu dritt sind plus eine Kollegin, die sich nur um die Kaiserschnitte kümmert.“
Dass der Krankheitsstand so „extrem hoch“ sei, „ist natürlich auch immer ein Zeichen von Überbelastung, weil alle einfach nicht mehr können“. Personelle Besserung sei zwar in Sicht, weil mehrere Hebammenschülerinnen bald fertig seien mit der Ausbildung und bleiben dürften. Trotzdem: Die Belastung bleibe hoch.
Acht Stunden ohne Trinken
Das Hebammen-Dasein bedeute: „Mal warten, warten, warten, aber dann geht es plötzlich zur Sache.“ Und das über einen langen Zeitraum, in dem sie oder eine Kollegin die gebärende Frau begleite: Acht Stunden, ohne selbst etwas zu essen, zu trinken oder zur Toilette gehen zu können – das komme vor. „Dieser Beruf ist sehr schön, aber auch extrem anstrengend und psychisch sehr belastend.“
Die städtischen Kliniken sind ein Haus mit Maximalversorgung. Bedeutet, bezogen auf die Geburtshilfe: „Wir haben nicht nur fröhliche Kinder, die geboren werden, sondern auch Kinder mit Behinderungen und Missbildungen, solche, die sofort kinderärztlich versorgt werden müssen, weil es ihnen nicht gut geht.“ Ganz zu schweigen von den Fällen, in denen mindestens ein Mensch nicht überlebt.

Mehr Gehalt, mehr Personal
„Es ist eine extreme Verantwortung für zwei Menschenleben“, verdeutlicht die 56-Jährige: „Ich glaube, wenn man diesen Beruf ein bisschen besser bezahlen würde, dann würden mehr Leute sagen: Okay, ich will diese Verantwortung auch tragen.“ Wobei: Den Pflegenotstand gebe es ja nicht nur in der Geburtsthilfe.
Schon vor Corona habe den Kliniken – nicht nur den städtischen – Personal gefehlt. Dass während der Pandemie Zigtausende Pflegekräfte in Deutschland gekündigt hätten, habe das Problem aber noch einmal verschärft. „Und uns in dieser Situation mit zwei Prozent mehr Gehalt abspeisen zu wollen – bei einer Inflation von rund acht Prozent – das ist einfach ein Witz.“
Teurer Einkauf, teures Gas
10,5 Prozent mehr, mindestens aber 500 Euro, für Auszubildende 200 Euro – das ist die Forderung der Gewerkschaft vor der nächsten Verhandlungsrunde (27.-29.3.). Doch wenn Silvia Bredensteffen an den Supermarkt denkt, greift ihr selbst das nicht weit genug.
„Mein Wunsch wären sogar 15 Prozent.“ Denn: Der Preis für den Inhalt des Einkaufswagens habe sich von 100 auf 200 Euro verdoppelt, ebenso wie der Gaspreis. „Wir bezahlen mittlerweile mehr Strom und Gas als Miete.“ Darunter leiden müssten Frauen mehr als Männer, unverschämterweise: „Es sind meistens die Frauenberufe, die so gering geschätzt werden – und das macht sich in der Bezahlung bemerkbar.“
Viele Kollegen beim Streik
„Wir müssen etwas machen und können uns nicht nur auf die anderen verlassen“, findet Bredensteffen. Positiv überrascht sei sie beispielsweise beim ersten großen Klinikums-Streiktag gewesen.
„Es waren extrem viele Kolleginnen da – auch viele, die extra gekommen sind, eine Kollegin sogar mit Handbruch.“ Längst nicht alle seien Verdi-Mitglieder gewesen, „einige aber doch. Oder sie sind, so wie ich, jetzt frisch eingetreten.“
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