Flächenmangel

Dortmund gehen die Freiflächen aus – Stadt müsste Großunternehmen abweisen

Der Stadt gehen die Wirtschaftsflächen aus: Würde sich ein größeres Unternehmen in Dortmund ansiedeln wollen – es hätte keine Chance. Wirtschaftsförderin Heike Marzen warnt bereits vor den Folgen.

Dortmund

, 10.06.2022 / Lesedauer: 4 min

Der Bau der Universität 1968 sei der letzte „große Eingriff in den Dortmunder Freiraum gewesen“, erinnerte OB Thomas Westphal. Seitdem habe sich die Stadt im Wesentlichen darauf beschränkt, den Boden auf ehemaligen Industrieflächen wie Phoenix, Westfalenhütte oder Kraftwerk Knepper für die Ansiedlung neuer Firmen zu bereiten.

Der Bau der Dortmunder Uni 1968 war der letzte große Eingriff in den Feiraum. Wirtschaftsförderin Heike Marzen warnt vor Flächenmangel. © www.blossey.eu

Das Problem: All diese Grundstücke laufen zurzeit voll oder sind bereits bebaut. Weitere Areale, auf denen sich Großbetriebe ohne Probleme niederlassen könnten, sind nicht in Sicht. Und nun?

Das war die zentrale Frage der ersten von insgesamt drei „Wirtschaftsflächenkonferenzen“ der Stadt Dortmund. Den Auftakt gab es am Donnerstag (9.6.) mit einer von Kay Bandermann moderierten Diskussion mit rund 50 Gästen im Conference-Center des Lensing-Carrees (LCC).

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Dabei brachte Stefan Thabe, Leiter des Planungsamtes, eine für die Wirtschaft ernüchternde Botschaft mit: Eine Freiraum-Analyse habe ergeben, dass die Stadt kein Grundstück in petto habe, auf dem sich ein größerer Industrie- oder Gewerbebetrieb ohne Einschränkungen niederlassen könne.

Planer: "Wir haben keine Flächen gefunden"

„Wir haben nichts gefunden“, bilanzierte Thabe. Das planerisch gesicherte Reservoir für Ansiedlungen belaufe sich auf gerade noch 38,9 Hektar – die aber allesamt mit Einschränkungen verbunden seien. Und: Jeder Eingriff in den Freiraum bedeute einen „Verlust an klimatischen und ökologischen Funktionen“, schob Thabe hinterher.

Lebt der jahrelange Streit um Flächen wie Buddenacker oder Groppenbruch also bald wieder von Neuem auf?

Auf dem Podium: Kristof Hennies, Ernst-Peter Brasse, Hartmut Koch, Ulf Wollrath, Frank Wilke, Gabor Leisten und Moderator Kay Bandermann (v.l.) © Schaper

Für Heike Marzen, oberste Wirtschaftsförderin in Diensten der Stadt, ist der Mangel an Gewerbeflächen jedenfalls ein klares Warnsignal. „Wenn sich in Sachen Flächenentwicklung nichts tut, wandern Unternehmen ab“, sagte Marzen.

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Die Folgen: sinkende Gewerbesteuer und Stagnation beim Wachstum. Flächen immer nur in Einzelfällen zu entwickeln, sei nicht hilfreich, so ihr Tenor. „Das dauert Unternehmen in der heutigen Zeit zu lang“, sagte Marzen – und riet, die Stadt möge auf eine „Angebotspolitik“ umsteigen.

Soll heißen: Die Stadt muss in der Lage sein, für neue Unternehmen und für solche, die sich erweitern, ein Reservoir an mehr oder weniger fertig entwickelten Grundstücken in der Hinterhand zu haben. Die Frage ist nur: Woher sollen die Flächen kommen? Mit einer direkten Forderung, den Feiraum anzutasten (etwa landwirtschaftliche Flächen), hielt sich Marzen jedoch zurück.

Naturschützer kritisieren "Verlust an Artenvielfalt"

So sehr sich Moderator Bandermann bei der anschließenden Podiumsdiskussion um „Lagerbildung“ bemühte – die knallharten Konflikte früherer Jahre zwischen Wirtschaft und Umweltverbänden blieben aus.

Dennoch machte Ernst-Peter Brasse (Unternehmensverband Metallindustrie) deutlich, „dass wir neben dem IT-Fachmann auch Industrie in Dortmund benötigen“. Unternehmen, die digitalisieren und ihre Produktion umstellen, benötigen mehr Platz, sagte Brasse unter Verweis auf die neue, automatisierte Fabrik des Pumpenherstellers Wilo.

Naturschützer Kristof Hennies (Nabu) kritisierte den „schleichenden und gravierenden Verlust der Artenvielfalt“, den man über Jahre hingenommen habe. In eine ähnliche Kerbe schlug Umweltschützer Frank Wilke (BUND). Er beklagte, die Stadt sei in der Vergangenheit „sehr unbekümmert“ mit Flächenverbrauch umgegangen – lobte aber „die neue Offenheit und Ehrlichkeit“.

Sein Rezept: Die Verwaltung möge bei der Flächensuche „nicht an den Stadtgrenzen haltmachen“. Sondern, wie beim „Newpark Datteln“, auf interkommunale Zusammenarbeit setzen. Darüber hinaus gebe es stillgelegte Kraftwerksflächen in Lünen und Bergkamen.

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Für IHK-Geschäftsführer ist der Freiraum nicht per se tabu

Für Hartmut Koch (Klimabündnis Dortmund) führt der Weg in erster Linie über „mehr qualitatives Wachstum“. Dazu gehöre, die bereits vorhandenen Gewerbegebiete ökologisch besser zu gestalten – mehr Grünflächen, Regenwasseversickerung, Solarzellen auf den Dächern, bessere Anbindung an den ÖPNV.

Zudem gebe es noch Potenziale für Freiflächen, sagte Koch. Etwa bei freigezogenen Handelsflächen, die von bestimmten Gewerbebetrieben genutzt werden könnten. „Wie etwa im Indupark in Oespel“, so Koch.

Oder vielleicht sogar in der City, wo sich ausgesuchte Gewerke auf leeren Flächen niederlassen könnten? "Generell denkt jeder zwölfte Handwerksbetrieb über eine Verlagerung nach", führt Gabor Leisten (Dortmunder Handwerkskammer) an. Der Grund: Die Unternehmen möchten sich erweitern, finden am Alt-Standort aber offenbar kein geeignetes Grundstück.

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Ulf Wollrath (IHK-Geschäftsführer) machte mit Blick auf gebrochene Lieferketten darauf aufmerksam, „dass Unternehmen mehr Lagerfläche benötigen.“ Beim Thema Flächenverbrauch sei „eine differenzierte Vorgehensweise notwendig“, sagte Wollrath.

Und er plädierte neben einer „ökologischen Aufwertung“ vorhandener Gewerbegebiete dafür, notfalls auch in den Freiraum einzugreifen. „Aber nur unter klar festgelegten Kriterien“, sagt Wollrath. Dabei seien auch Umweltverbände einzubeziehen. Widerspruch oder gar Protest gab es nicht.

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