„Das ist unser Spielplatz“ Ali (18) und Jamal (19) ärgern sich über Absperr-Plan für Platz von Amiens

Ali (18) und Jamal (19) ärgern sich über Absperr-Plan für Platz von Amiens
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Eine Flaniermeile ist das hier sicher nicht. Die wenigen Passanten, die an diesem verregneten Mittwochnachmittag Ende August über den Platz von Amiens in Dortmund laufen, sind schnellen Schrittes unterwegs. Bei dem tristen Wetter wirken die bunt angemalten Pflanzenbeete wie Mini-Farbtupfer auf Grau-in-Grau.

Sie sollen den derzeit viel diskutierten Ort zwischen Kampstraße und RWE-Turm zumindest ein bisschen hübscher machen. Er gilt wegen Problem mit Müll, Vandalismus, Obdachlosigkeit und Drogenkriminalität als ein Platz, von dem man sich lieber fernhält. Manche, die in der Nähe arbeiten, sagen, dass sie lieber einen Umweg in Kauf nehmen, als bei Dunkelheit über den Platz von Amiens zu laufen.

Zwei dunkel gekleidete junge Männer sind an diesem Nachmittag die einzigen hier, die nicht in Bewegung sind. Sie stehen mit dem Rücken zum Fenster eines Skateshops - und tun augenscheinlich nichts.

„Lasst den Platz offen“

Der eine stellt sich als Ali vor, der andere sagt, er heiße Jamal. Wahrscheinlich sind das nicht ihre richtigen Namen. Ali sagt, er sei 18 Jahre alt und komme aus Syrien. Jamal erzählt, er sei Tunesier und 19 Jahre alt. Die beiden jungen Männer sind freundlich - und durchaus redselig.

Sie wissen von den Plänen der Stadt Dortmund, den Platz von Amiens ab Anfang des kommenden Jahres abriegeln zu wollen. Darauf angesprochen wird Alis Miene kurz ernst. „Schreib‘ einfach: Lasst den Platz offen“, sagt er zu unserem Reporter. An die Aufforderung, die an Stadt und Politik gerichtet ist, hängt er ein übles Schimpfwort. Dann muss er lachen.

Bunt angemalte Pflanzenbeete sollen den Platz von Amiens aufhübschen.
Bunt angemalte Pflanzenbeete sollen den Platz von Amiens aufhübschen. © Oliver Volmerich

Das Anliegen der beiden jungen Männer ist aber ernst. Sie sorgen sich, dass sie den Platz verlieren, an dem sie viel Zeit verbringen. Seit einigen Monaten habe es doch kaum noch Ärger gegeben, meinen sie und verstehen nicht, warum die Stadt jetzt so hart durchgreifen will.

„Das ist unser Spielplatz“, sagt Ali. Er zieht einen Vergleich zu Kindern, die sich daran gewöhnt haben, an einem bestimmten Ort den Großteil ihrer Freizeit mit Freunden zu verbringen. Für ihn und Jamal ist das der Platz von Amiens – auch wenn sie längst keine Kinder mehr sind. „Seit vier oder fünf Jahren sind wir immer hier“, sagt Jamal. Zumindest am Wochenende.

Eine Tüte rauchen

Und was machen sie hier? „Wir trinken und essen, laufen Runden um den Block“, sagt Ali. Trotz des Regens? „Wo sollen wir sonst hin?“, lautet Alis Gegenfrage, der in der Nähe des Dortmunder U wohnt. Er sagt, dass sie gleich eventuell eine Tüte rauchen wollen – gemeint ist ein Joint mit Marihuana. Ob er auf dem Platz auch Gras verkauft, will unser Reporter von Ali wissen. Er grinst zuerst, schüttelt dann mit dem Kopf und verneint die Frage.

Jamal gibt im Verlauf des Gesprächs zu: „Wir haben hier früher auch Scheiße gebaut, hatten mal Schlägereien.“ Aber nur weil das mal passiert sei, bedeute das nicht, dass sie nicht gelernt hätten, sich vernünftig zu benehmen. Viele, die auf dem Platz von Amiens Ärger gemacht hätten, seien von außerhalb gekommen – nicht aus Dortmund, ergänzt er.

Ali und Jamal sind Dortmunder. Sie interessieren sich für den Platz von Amiens, zeigen sich schockiert über den Zustand von Drogenkranken, die dort Heroin oder Crack konsumieren. Sie fragen nach, wo genau und wann die Absperrung errichtet werden soll.

An den rot markierten Stellen soll der Platz von Amiens dicht gemacht werden.
An den rot markierten Stellen soll der Platz von Amiens dicht gemacht werden. © Stadt Dortmund

An der Nordseite will die Stadt einen Zaun mit Toren bauen, der begrünt zur „grünen Wand“ wird. Der ohnehin kleine Durchgang zur Kampstraße soll mit einem Rolltor verschlossen werden. Der Platz soll gezielt für Veranstaltungen hergerichtet werden. Auch Außengastronomie soll dann auch möglich, was die dort ansässigen Gastronomen freut.

Ali und Jamal müssten sich dann einen neuen „Spielplatz“ suchen.

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