Die Plattform My Tide und ihr einzigartiges Angebot
Ein TV-Sender für Afrika aus Dortmund
Der Kulturverein African Tide aus Dortmund hat mit dem Online-Angebot „My Tide“ den deutschlandweit ersten Fernsehsender für die afrikanische Gemeinschaft gegründet. Mit gleich mehreren großen Zielen.

Professionelle Arbeitsatmosphäre: Das Team von My Tide während der Produktion eines Fernseh-Beitrags in Dortmund. © Dominik Lenze
Afrika ist kein Land, sondern ein Kontinent. Ein Kontinent aus 56 Staaten, in denen rund 1,2 Milliarden Menschen in mehr als 2000 Sprachen sprechen. Die Geschichte dieses Kontinents beginnt nicht mit der Sklaverei und sie endet auch nicht mit den Fluchtbewegungen heutiger Tage.
„Deutschland braucht ein realistisches Bild“
Kurz: Afrika ist mehr, viel mehr als Armut und Kolonialismus, Krieg und Hunger. Weil das viele Leute nicht wissen, oder zumindest nicht gut genug, hat der afrikanische Kulturverein African Tide in Dortmund nun den deutschlandweit ersten Fernsehsender für die afrikanische Community gegründet. „My Tide“ sendet online und will sowohl Deutsche über Afrika informieren als auch umgekehrt.
„Deutschland braucht ein realistisches Bild von uns. Und viele Afrikaner ein realistisches Bild von Deutschland“, sagt Rosalyn Dressmann, Gründerin und Vorsitzende von African Tide. Wer Afrika mit Armut gleichsetzt und nicht weiter denkt, liege genau so falsch wie ein junger Afrikaner, der glaubt, in Europa warte hier das Paradies auf ihn.
Ein Format extra für Flüchtlinge
Eines der Herzensprojekte des jungen Teams ist „Migration Today“: Das Format richtet sich speziell an Migranten und Flüchtlinge aus Afrika. „Wir sagen nicht: Kommt nicht hier her. Wir sagen: Komm, aber komm auf legalem Weg und mit einem guten Plan“, so beschreibt Chineto Mtage das Konzept hinter „Migration Today“.

Chineto Mtage © Dominik Lenze
Dabei geht es der jungen Frau, die selbst erst für ihr Masterstudium ihre Heimat Nigeria verlassen hat, vor allen Dingen darum, mit paradiesischen Wunschvorstellungen der vielen jungen Glücksritter aufzuräumen: „Viele denken, hier sei alles rosig, dass du in wenigen Tagen viel Geld machen kannst.“
Geblendet von Instagram und Co.
Junge Neuankömmlinge posten in sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook Fotos von der schönen neuen Welt im Norden, von strahlend sauberen Hausfassaden und dicken Autos.
„Aber es gibt hier nicht nur Reichtum. Und wenn du illegal einreist, wirst du wohl kaum daran teilhaben“, sagt Timothy Mbavaidi. „Wenn du keine Qualifikationen mitbringst, hier niemanden kennst – bist du verloren.“
Abwarten, planen und mit einem Job versuchen
Wer seine Heimat verlassen will, um sein Glück nach der legalen Einreise in Europa zu suchen, dem rät er erst einmal eines: „Informiere dich! Das tust du doch auch, bevor du in den Urlaub fährst, oder?“
Sein Vater zum Beispiel, erzählt Mbavaidi, habe auf seiner Reise von Angola nach Deutschland jahrelang in Spanien und anderswo gelebt, sich mit vielen Jobs durchgeschlagen, bis er endlich angekommen ist. „Wenn du die Zeit hast: Warte ab, plane es durch und versuch es mit einem Job oder Uni.“
„Wer weiß schon, wie Mikate schmecken?“
Mbavaidi geht es aber um mehr: nämlich ein neues Selbstbewusstsein junger Afrikaner hier in Deutschland. „Viele andere Gruppen haben sich schon etabliert, wir Afrikaner hinken da noch hinterher“, sagt er.

Timothy Mbavaidi © Dominik Lenze
Jeder kenne Pizza, Gyros und Döner – aber wer weiß schon, wie lecker Mikate schmecken? „Wir müssen uns präsenter machen“, findet Mbavaidi. „Durch Musik, durch politische Arbeit – und eben auch durch My Tide.“
Kaum eine andere Perspektive vorhanden
Dazu gehört für ihn auch, ein großes Stück vergessener Geschichte aufzuarbeiten. „Wenn es im Geschichtsunterricht um Afrika geht, war es stets das Gleiche: Wir wurden dominiert. Es gibt kaum eine andere Perspektive auf uns“, sagt er.
„Ich möchte aber, wenn meine Kinder später zur Schule gehen, dass sie mehr über uns hören als: Aha, irgendwann kamen weiße Männer auf großen Schiffen und haben uns entführt und getötet.“ Er selbst ist in Deutschland aufgewachsen, versteht sich als Europäer, aber er möchte mehr über seine Wurzeln erfahren: „Wer waren unsere Monarchen, was waren unsere Traditionen? Wie war es vor der Kolonialisierung? Das fragen sich viele Afrikaner in meinem Alter.“
Kooperationen als wichtiger Baustein
Diese historische Perspektive möchte er gerne auf Tide TV ausbauen. Auch Kooperationen mit lokalen Partnern, wie zum Beispiel dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte, gehören für ihn dazu.
Für alle, die endlich mehr über den Heimatkontinent der Menschheit erfahren wollen, bietet My Tide also einiges. Trotz der vielen Ideen verlieren Mbavaidi und Mtage aber nicht aus den Augen, worum es ihnen im Kern geht: „Um Selbstfindung“, sagt Mtage. „It‘s all about identity.“