Lottomillionäre wollen nach ihrem Gewinn oft anonym bleiben. Zu groß scheint die öffentliche Aufmerksamkeit, zu hoch das Risiko, vor aller Augen bankrott zu gehen. Kürsat Yildirim aber wollte die Aufmerksamkeit. Nachdem er 2022 den Jackpot von knapp zehn Millionen Euro geknackt hatte, machte er sein Glück publik und wurde als Dortmunder Lottokönig Chico bundesweit berühmt.
Chicos Geschichte liest sich wie der wahr gewordene American Dream – made in Dortmund. Vor seinem Gewinn arbeitete der Türke, der in der Nordstadt aufgewachsen ist, als Kranführer auf Phoenix Ost. Und Schulden hatte er. Um Kokain, Alkohol und Glücksspiel zu finanzieren, lieh er sich Geld, ließ anschreiben, stahl. Sein eigener Vater zeigte ihn an, um den Sohn aus der Abwärtsspirale der Sucht zu befreien. Als Chico straffällig wurde, machte er zwei Therapien, eine dritte brachte er im Gefängnis hinter sich. Zweimal saß er ein, in Bochum und Dortmund, wegen Betrugs und Raubes.
Seine Vergangenheit ist Teil von Chicos Erfolg: Er, der einst nichts hatte, protzt nun mit seinem Reichtum, polarisiert, fasziniert. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lästerte im Januar 2023 über Chico, als er sich gegen ein staatliches Grunderbe zum 18. Geburtstag aussprach: „Der Lottomillionär hat gezeigt, dass man auch wesentlich größere Summen durchbringen kann, wenn man keine Bildung hat.“
Kritiker wie Lindner straft Chico heute Lügen. Ob in sozialen Netzwerken, in der Werbung oder im Fernsehen: Überall ist der Lottokönig präsent, vermarktet sich und seine Geschichte. „Ich bin immer noch da, wo ich herkomme. Ich habe zwar Geld, ich habe Häuser, ich habe Autos, aber ich bin immer noch der Chico“, erklärt der Lottokönig. Was aber genau macht Dortmunds erfolgreichste Ich-AG aus? Eine Analyse.
Chicos Auftritte im Fernsehen
Seit seinem Lottogewinn trat Chico regelmäßig in Fernsehformaten wie stern TV auf, in denen er über seinen Lebenswandel und seine diversen Luxusanschaffungen sprach. Darunter sein Ferrari, den er vor Kurzem medienwirksam wieder verkaufte. 2023 zeigte RTL zudem eine mehrteilige Dokumentation, die den Lottokönig in der Nordstadt begleitete. Auch bei Late Night Berlin, der Talkshow von Klaas Heufer-Umlauf, war der 43-Jährige bereits zu Gast.
Welche Gagen die Sender und Produktionsfirmen für Auftritte wie diese zahlen, dazu hält sich Chicos Manager Patrick Schillgalies bedeckt. Fünf- oder sechsstellige Summen seien mitunter aber marktüblich.
Vor Kurzem, als er live auf TikTok die Fragen seiner Fans beantwortete, erzählte Chico außerdem, dass sein Leben bald verfilmt würde. Offiziell sind diese Pläne aber noch nicht. „Wir sind in Gesprächen“, sagte Manager Schillgalies unserer Redaktion am Telefon. „Aber da ist noch nichts spruchreif, deshalb kann und darf ich nichts sagen.“
Es ist zu vermuten, dass Lottokönig Chico und sein Manager diese Gespräche mit dem Journalisten-Duo Jochen Breyer und Julia Friedrichs führen. Die vier wurden vor Kurzem gemeinsam auf der Schützenstraße in der Dortmunder Nordstadt gesehen. Breyer und Friedrichs sorgten zuletzt bundesweit für Aufsehen, als sie im Januar 2024 ihre investigative Dokumentation „Milliardenspiel – Das geheime Leben der Superreichen“ im ZDF veröffentlichten. Der Film wurde für den Grimme-Preis nominiert.
Wahrscheinlich ist es nicht die einzige TV-Produktion, für die Chico in Zukunft vor der Kamera stehen wird. Auch mit der Produktionsfirma Warner Brothers steht der Dortmunder wohl in Verhandlungen. Um welches Projekt es dabei geht, ist noch unbekannt.
Chicos Werbedeals und sein Auftritt auf Social Media
Im Fernsehen zeigt Chico, wie er lebt. In der Werbung sieht man die Kultfigur. Der Lottokönig lieh sein Gesicht bereits Marken wie Media Markt, Zasta, einer App für Steuererklärungen, Autoglas Laakmann und dem Glücksspielanbieter Lotto 24. Im Oktober 2024 besuchte Chico zudem das alljährliche „Halloween Horror Festival“ im Movie Park Germany in Bottrop in Kooperation mit dem Freizeitpark. Auf YouTube ist ein entsprechendes Video zu sehen, in dem Chico von seinen Fans buchstäblich überrannt wird.
Seine Social-Media-Präsenz ist einer der Treiber von Chicos Werbeerfolg. Sein YouTube-Kanal, den er im September nach einer sechsmonatigen Pause erstmalig wieder bespielte, hat 40.300 Abonnenten (Stand 24. Oktober). Einige seiner Videos zählen mehr als 150.000 Aufrufe, darunter die Tour durch sein Penthouse am Phoenix-See.
Wie er dort lebt und das Apartment mit Blick auf den Florianturm einrichtet, zeigt Chico auch seinen Followern auf Instagram und TikTok. Und noch mehr. Die Plattformen fungieren als Schlüsselloch zum Alltag des Lottomillionärs. Chico im Fitnessstudio, Chicos Ausbeute vom Luxus-Shopping auf der Kö, Chico zu Besuch bei Otto Waalkes, Chico mit einer Tasse Chai im Café Europa auf der Schützenstraße: All das ist hier zu sehen. Und es hat Erfolg.
Auf Instagram folgen dem Dortmunder 839.000 Menschen, seine Reels haben Aufrufzahlen im Millionenbereich. Auf TikTok – hier zählt er 356.000 Follower – kletterte er nach seinem ersten Live-Auftritt mit Influencer Nassah Anfang Oktober auf Platz eins der Tagesrangliste der erfolgreichsten TikToker Deutschlands.
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Chicos Einnahmen durch seine Auftritte auf YouTube, Instagram und TikTok sind laut Manager Schillgalies sechsstellig. „Werbepartner und Influencer profitieren gleichermaßen von Chicos Reichweite.“ Auch deshalb war der Lottomillionär bereits auf Veranstaltungen wie der OMR zu Gast, dem Festival für digitale Werbung und Technologie in Hamburg, auf dem Influencer und Marketinggrößen jährlich zusammenkommen.
Chicos soziales Engagement
Ginge es bei Chico aber ausschließlich ums Geld, würden seine Fans ihm vermutlich weitaus weniger Sympathie entgegenbringen, als sie es augenscheinlich tun. Chico – und das macht ihn für seine Fans glaubwürdig – hat nicht vergessen, woher er kommt. Im Gegenteil: Seine Vergangenheit ist ständig präsent, wenn der Lottomillionär darüber spricht oder in der Nordstadt herumfährt.
Dass ein Mensch wie Chico sich sozial engagiert, scheint aufgrund seiner Herkunft selbstverständlich. Und für den Lottomillionär ist es das offenbar tatsächlich. Schwere Schicksale gehen ihm nah. Das sah man zum Beispiel, als er im September die vierjährige Kumsal in Hamm besuchte, die schwer an Krebs erkrankt war und kurz darauf starb. Chico wollte seine Reichweite nutzen, um es den Eltern zu ermöglichen, das Kind noch vor ihrem Tod in die Türkei zu überführen. Auch dort machte der Fall nach dem Besuch des Lottomillionärs Schlagzeilen.
Darüber hinaus ist Chico im Verein Kinderlachen aktiv, der sich für bedürftige Kinder in ganz Deutschland einsetzt und seinen Sitz in Dortmund hat. Auch bei Benefizspielen des BVB stand der 43-Jährige bereits auf dem Platz. „Er will etwas zurückgeben“, sagt Patrick Schillgalies. Einer der Gründe, weshalb Chico, der sein Geld langfristig anlegen wollte, in der Nordstadt mehrere Häuser kaufte. Sieben Stück sind es in ganz Dortmund, knapp hundert Wohnungen gehören dazu.
Chicos Erfolgsrezept
Wie funktioniert sie also, die Marke Chico? Wie so oft macht es die Mischung – und die Masse. Seit seinem Lottogewinn ist Chico über verschiedene Kanäle fast dauerhaft präsent. Fernsehsender haben die Faszination seiner Person erkannt, die Werbebranche sein Potenzial als Kultfigur. Und auf Social Media, dort gibt der 43-Jährige sich scheinbar so, wie er wirklich ist, teilt seinen Alltag mit seinen Fans.
Seine Vergangenheit leugnet er dabei nicht. Noch heute, da er längst am Phoenix-See wohnt, ist er der Nordstadt verbunden, engagiert sich für wohltätige Zwecke. Das macht ihn nahbar, glaubwürdig, erfolgreich. „Ich bin großzügig, ich helfe gerne, ich trage mein Herz auf der Zunge und ich kann mich einfach nicht verstellen“, sagt der Lottokönig. „Ich bin nicht abgehoben. Das lieben die Menschen.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. Oktober 2024.