
© Thomas Thiel
„Der Leerstand ist tödlich“ - Dortmunds Einkaufsmeile brechen die Enden weg
Osten- und Westenhellweg
Dortmunds goldene Shopping-Meile hat in der Corona-Pandemie viel von ihrem Glanz verloren. Besonders an den Rändern von Osten- und Westenhellweg häufen sich die Leerstände. Woran liegt das?
Fast ein Vierteljahrhundert gibt es den Laden von Simone Erpelding am Eingang des Ostenhellwegs schon: Im Frühling 1999 eröffnete die heute 49-Jährige ihr Feinkostgeschäft „Zapfhahn“ in Hörweite des Schwanenwalls, mittlerweile ist sie eine der dienstältesten Händlerinnen des Ostenhellwegs.
Erpelding ist also eine gute Ansprechpartnerin, wenn man wissen will, wie es dem Ostenhellweg geht - und ihre Antwort fällt drastisch aus: „Schrecklich, fürchterlich“ sei die Situation, seit Jahren schon. „Die Spirale ist unaufhörlich nach unten gegangen. Die Passantenfrequenz nimmt mit jedem Laden, der schließt, weiter ab. Der Leerstand ist tödlich.“
„Damals stand kein Laden leer.“
Als sie 1999 hier angefangen habe, sei der Ostenhellweg noch eine gute Lage gewesen, mit vielen inhabergeführten Geschäften. „Damals stand kein Laden leer“, erinnert sie sich.
Aktuell ist das ganz anders. Zuletzt schloss der Geschenkeladen Nanu-Nana und komplettierte damit einen deprimierenden Leerstand-Riegel, zu dem auch das alte Kinderkaufhaus Lütgenau auf der anderen Straßenseite zählt.

Bauarbeiter entsorgten am Freitag (21.1.) die letzten Überreste der Nanu-Nana-Filiale am Ostenhellweg in einen großen Müllcontainer. © Thomas Thiel
Nach einer Zählung unserer Redaktion stehen momentan sieben der 50 Ostenhellweg-Ladenlokale leer. Die Leerstandsquote liegt mit rund 14 Prozent doppelt so hoch wie im Herzen des Westenhellwegs von P&C bis zur Thier-Galerie (nur sechs von 83 Ladenlokalen stehen dort leer).
Noch schlimmer sieht es am anderen Ende der Dortmunder Einkaufsmeile aus. Am oberen Westenhellweg steht sogar fast jedes vierte Ladenlokal leer (acht von 34 Geschäften, Leerstandsquote: 23,5 Prozent).
Mit dem Elektromarkt Conrad im Dezember und dem Super-Bio-Markt nur wenige Schritte entfernt in der Straße „Wedepoth“ vergangene Woche verlor das westliche Ende des Westenhellwegs zwei seiner letzten großen Frequenzbringer.
Das Geschäft habe einfach zu wenig Umsatz abgeworfen, erklärte Luca Radau, Unternehmensentwicklungs-Leiter der Bio-Supermarktkette, die Schließung. Der Westenhellweg hat über Jahre extrem abgenommen – vor allem an diesem Ende“, so Radau. „Es gibt dort kaum noch selbstständige Kaufleute, vor ein paar Jahren war das noch anders.“

Am oberen Westenhellweg steht fast jedes vierte Ladenlokal leer. © Thomas Thiel
Dortmunds ehemals goldener Einkaufsmeile brechen die Enden weg - diesen Trend hat die Corona-Pandemie nochmal verschärft.
Andreas Grüß kennt die Einkaufsszene in Dortmunds City sehr gut. Der Geschäftsführer der Immobilienfirma „Lührmann Osnabrück“ ist spezialisiert auf 1A-Lagen in ganz Deutschland. Für ihn ist diese 1A-Lage in Dortmund strikt begrenzt: Sie beginnt mit dem Westenhellweg an der Reinoldikirche und endet in Höhe des alten Kaufhofs, mit etwas Wohlwollen vielleicht auch erst am Haupteingang der Thier-Galerie.
„Da traut sich niemand von unseren Kunden mehr rein.“
Spätestens mit dem Shoppingcenter hört Lührmanns berufliche Welt auf. Dahinter gehe der Westenhellweg unmittelbar in die C-Lage über. „Da traut sich niemand von unseren Kunden mehr rein.“
Der Ostenhellweg sei immerhin noch bis zur Textilkette „TK Maxx“ und dem Einrichtungshaus „Maison du Monde“ eine „vertretbare B-Lage“, doch danach komme nichts mehr. Das merkt auch Feinkost-Händlerin Simone Erpelding. „Ich lebe nur von meinen Stammkunden“, sagt sie. „Hier kommt keiner mehr zum Bummeln hin.“

Andreas Grüß, Geschäftsführer des Einzelhandels-Spezialisten „Lührmann Osnabrück“ sieht in der Länge des Osten- und Westenhellwegs ein Problem. © Lührmann
„Osten- und Westenhellweg sind zu lang“, sagt Einzelhandels-Spezialist Grüß - in dieser Hinsicht sei Dortmunds Shoppingmeile ein Paradebeispiel für die Probleme von vielen deutschen Einkaufsstraßen. An ihren Enden sei der Besatz zu schwach - es fehlten die Fixpunkte, die die Menschen bewusst ansteuern.
Was Dortmund fehle, so Lührmann, sei eine „Shopping-Runde“, wie sie etwa Münster habe und die Besucher einmal durch die Innenstadt führe, bis sie wieder an ihrem Startpunkt ankämen.
Doch selbst eine solche Runde würde den Rändern des City-Hellwegs wohl nur begrenzt helfen. Sind sie also verloren als Einkaufsmeile?
Kurzfristig vielleicht, meint Tobias Heitmann, Vorsitzender der Händlervertretung Cityring. Aber langfristig setzt er große Hoffnungen in sie. Was es dazu bräuchte, wären sinkende Mieten und ein größerer Mix, weg vom klassischen Einzelhandel und hin - beispielsweise - zu mehr Gastronomie.
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
