Derzeit werden die Gäste-Daten im Grünen Salon per Zettel gesammelt. Das komplett per App zu machen, wäre vielleicht einfacher, überlegt Betreiberin Milena Rethmann (r.).

© Oliver Schaper

Datensammlung im Café: Anruf vom Gesundheitsamt „wäre der Supergau“

rnCorona-Auflagen

Wer ins Café, Restaurant oder Kino geht, muss Kontaktdaten angeben. Nicht jeder tut das gerne. Was passiert eigentlich, wenn der Mensch am Nebentisch einen positiven Corona-Test bekommt?

Dortmund

, 07.07.2020, 09:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

In Zeiten der Corona-Pandemie besteht die Pflicht, als Gast in Gastronomien und anderen Freizeiteinrichtungen seine Kontaktdaten anzugeben. Vorname, Nachname, Adresse, Telefonnummer, Ankunfts- und Wieder-Weggeh-Zeit. Damit sollen mögliche Infektionsketten nachverfolgt werden.

Doch was passiert eigentlich, wenn ich neben jemandem im Café, Kino oder Freibad gesessen habe, der zwei Tage später positiv auf das Coronavirus getestet wurde?

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Einigen bereitet auch Sorgen, was mit den Daten überhaupt passiert. Denn auch in Zeiten des Virus ist das Datenschutz-Thema weiter virulent.

„Viele denken, ich rufe sie später an. Selbst wenn ich wollte - da hätte ich gar keine Zeit für“, sagt etwa Zakra Harrami vom Café Lotte an der Dresdener Straße.

Kunden füllen ihre Daten teilweise widerwillig aus

„Das wird als richtig schlimm empfunden von den Kunden“, sagt sie. Täglich habe sie Diskussionen mit Kunden über die Abgabe ihrer Daten, „die meisten tun das widerwillig“, sagt die Angestellte.

Wenn sich Kunden komplett weigern, „dann muss ich die wegschicken.“ Auf der einen Seite ist das die klare Vorgabe der Schutzverordnung. Auf der anderen Seite sei es aber auch persönliches Anliegen, denn die Erhebung für die Rückverfolgbarkeit finde sie „total wichtig, das muss sein“.

So geht das Gesundheitsamt vor

Sobald jemand positiv auf das Coronavirus getestet wird, werde er von einem Mitarbeiter des Gesundheitsamtes zu seinen letzten Aufenthaltsorten und sozialen Kontakten interviewt, erklärt Stadtsprecherin Katrin Pinetzki auf Anfrage.

Sollte er oder sie sich in einem Gastro-Betrieb aufgehalten haben, werde dieser kontaktiert. Vor dem Hintergrund des jeweiligen Hygiene-Konzepts kläre das Gesundheitsamt dann mit dem Gastronomen, ob andere Menschen - egal ob Gäste oder Bedienungen - „als mögliche Kontaktperson in Betracht gezogen werden müssen“, sagt Pinetzki. Es gehe darum zu ermitteln, ob ein Infektionsrisiko vorliege.

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Wenn dann also bei einem Gast ein potenzielles Ansteckungsrisiko bestanden habe, melde sich das Amt auch bei diesem.

Im nächsten Schritt kann es dann je nach den Umständen zu weiteren Maßnahmen kommen, etwa zur Quarantäne-Anordnung oder Anordnung von Tests. Auch für das Café oder Restaurant könne das dann Auswirkungen haben.

Soweit zur Theorie. Doch Pinetzki sagt am Montag (6.7.) auf Nachfrage auch: „Es gab in Dortmund noch keinen Fall, bei dem in der Gastronomie nachverfolgt werden musste.“ Es bleibt also zunächst bei der Theorie.

Der Anruf „würde sofort das Aus bedeuten“

Zu wissen, dass theoretisch jeden Tag das Gesundheitsamt anrufen könnte, löst bei Betreibern unterschiedliche Gefühle aus. Beim Café Lotte macht man sich zum Beispiel weniger Sorgen. Anders sieht es da im Grünen Salon am Nordmarkt aus.

Milena Rethmann betreibt das Café am Nordmarkt und den Umschlagplatz am Hafen gemeinsam mit ihrer Schwester Jasna Rethmann.

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Milena Rethmann sagt, so ein Anruf des Gesundheitsamtes wäre „ein absoluter Supergau“. Auch wenn es nicht unbedingt heiße, dass der Betrieb automatisch in Quarantäne müsste, „würde das sofort das Aus bedeuten“, sagt sie.

Denn zu wissen, dass jemand Infiziertes dort war, würde bei allen Unbehagen auslösen - sowohl bei den Stammgästen als auch dem Team. Deswegen sei man in dem Café auch lieber „dreimal vorsichtig“, sagt Rethmann.

Einige Gäste können gar nicht schreiben

Diskussionen mit Gästen, die ihre Daten nicht preisgeben wollen wie im Café Lotte, gebe es hier kaum, sagt Milena Rethmann. Die allermeisten ihrer Gäste zeigten Verständnis. Bislang habe sie nur zweimal Kunden wegschicken müssen, die sich weigerten.

Allerdings kommen teilweise Gäste, die gar nicht schreiben können oder nur ein anderes Alphabet beherrschen, sagt sie: „Dann müssen wir die Zettel für sie ausfüllen.“

Wer ein Café, Restaurant oder ähnliches besucht, muss derzeit seine Kontaktdaten hinterlassen. So sollen Infektionsketten nachvollzogen werden können.

Wer ein Café, Restaurant oder ähnliches besucht, muss derzeit seine Kontaktdaten hinterlassen. So sollen Infektionsketten nachvollzogen werden können. © Oliver Schaper

Diese Zettel müssen dann auch schnell eingesammelt werden, damit die Daten nicht offen herumliegen. Zu den Auflagen gehört dann, dass die Daten sicher gelagert und nach vier Wochen vollständig vernichtet werden müssen. Das alles ist mit einem gewissen Aufwand für die Betreiber verbunden.

Methode zur Daten-Erhebung nicht klar vorgegeben

Die einen machen es mit Zetteln, die anderen helfen sich mit technischeren Mitteln. Denn klare Vorgaben von Land oder Stadt, wie diese Daten-Erhebung auszusehen hat, gibt es nicht.

In der Anlage zur Corona-Schutzverordnung ist nur vermerkt: „Dabei ist ausdrücklich eine einfache, auf den Tischen ausliegende Liste (einschließlich Einverständniserklärung zur Datenerhebung) für jede den Tisch nutzende Personengruppe ausreichend.“

Zu den erhobenen Kontaktdaten gehören etwa Name, Anschrift, Telefonnummer, Ankunfts- und Wieder-Weggeh-Zeit.

Zu den erhobenen Kontaktdaten gehören etwa Name, Anschrift, Telefonnummer, Ankunfts- und Wieder-Weggeh-Zeit. Wer das nicht ausfüllt, darf nicht bedient werden. © Oliver Schaper

Listen auf Papier sind nicht Pflicht. Und auch Milena Rethmann vom Grünen Salon sagt, „es wäre vielleicht einfacher, wenn wir das komplett durch Apps machen könnten.“ Doch die Kunden zwingen kann man nicht, sich bei so einer App zu registrieren.

„Wir können ja keine Ausweise kontrollieren“

Beim Gastro-Schiff Herr Walter hängen beispielsweise QR-Codes an den Wänden, mit denen sich die Gäste per App registrieren sollen.

Ähnlich gehandhabt wird das auch im Spaten Garten. Philipp Winterkamp ist unter anderem einer der Betreiber des Biergartens. Hier versucht man, auf Zettel zu verzichten und die Daten per Smartphone zu erheben.

Gäste sollen sich mit dem Smartphone einloggen und einen QR-Code scannen. Zettel gibt es hier notfalls aber auch.

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Winterkamp wünscht sich allerdings mehr Unterstützung der Politik. Auf der einen Seite müsse man alles sauber erheben und nachhalten, „aber wir können ja keine Ausweise kontrollieren.“

Ob die angegebenen Daten also richtig sind, wisse er nicht. „Ich kann ja nicht garantieren, dass Max Mustermann auch Max Mustermann ist“, sagt er.

Ob der ganzen Extra-Aufgaben, die die Corona-Auflagen mit sich bringen, stünden die Mitarbeiter stark unter Druck. „Wir sind keine Hygieneexperten oder Sicherheitsleute“, sagt Winterkamp. Doch Ungeduld und Nervosität der Kundschaft werde gefühlt immer größer.

Betreiber selbst kriegen die Daten nie zu Gesicht

Auch bei den Freibädern der Sportwelt setzt man auf Technik. Das Eintrittsticket soll online erworben werden, der entsprechende Code auf dem Ticket dann beim Betreten und Verlassen gescannt werden, sagt Sportwelt-Geschäftsführer Jörg Husemann.

Es gibt aber auch Leute, die mit dem Online-Ticketsystem nicht klarkommen. Für die gibt es jetzt die neue Lösung, Mehrfachtickets per Post zu beantragen.

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Die Besonderheit: Selbst in einem Infektionsfall würden die Badbetreiber die Listen nicht zu sehen bekommen, sagt er. Denn mit dem Onlinesystem werden die Besucherdaten von einem externen Dienstleister verwaltet.

„Wenn‘s passiert, passiert‘s“

Im Kino Schauburg an der Brückstraße seien die Datenerhebungen unproblematisch, es funktioniere sogar „wunderbar“, sagt Veranstaltungsleiter Alexander Terzakis. Das auszufüllende Kontaktformular werde bei Online-Kartenreservierungen mit der Reservierungsbestätigung mitgeschickt.

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So könne es ausgedruckt und ausgefüllt mitgebracht werden. Aber auch bei spontanen Kino-Besuchern habe man momentan nur positive Erfahrungen gemacht.

Angst vor dem Anruf des Gesundheitsamts habe man hier weniger. „Alles was momentan auf hat, ist ein gewisser Risikofaktor“, sagt Terzakis. Dementsprechend bestehe auch für das Kino selbst ein Risiko. „Das ist etwas, womit wir momentan leben müssen“, sagt er. „Wenn’s passiert, passiert’s.“

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