Daddy Blatzheim: Hier stirbt ein halbes Jahrhundert Dortmunder Ausgeh-Kultur

© Rüdiger Barz (Archivbild)

Daddy Blatzheim: Hier stirbt ein halbes Jahrhundert Dortmunder Ausgeh-Kultur

rnClub kündigt Ende an

Der Club „Daddy Blatzheim“ in Dortmund steht vor dem Aus. Es verschwindet ein Stück Geschichte: Denn getanzt wird hier schon seit über einem halben Jahrhundert. Ein Rückblick.

Dortmund

, 05.07.2020, 11:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es war eine unerfreuliche Nachricht für alle Freunde der Dortmunder Nachtkultur. „Das Daddy Blatzheim wird es wohl nicht schaffen“, sagte Philipp Winterkamp gegenüber unserer Redaktion. Er ist Geschäftsführ der Muto-Heimatgastronomie GmbH, die den Club im Westfalenpark betreibt.

Durch die Auswirkungen der Corona-Krise steht damit das verfrühte Ende der Diskothek bevor. Sie hätte ohnehin zum Jahresende aus dem Gebäude an der Buschmühle ausziehen müssen, weil die Pläne für das sanierungsbedürftige Buschmühlen-Areal offenbar etwas anderes vorsehen als Gastronomie und Tanzvergnügen.

Wehmütiger Rückblick auf das zurückliegende Party-Jahrzehnt in Dortmund

Das Aus für das Daddy Blatzheim lässt viele Menschen wehmütig zurückblicken auf das Dortmunder Nachtleben der vergangenen zehn Jahre.

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Der elegant eingerichtete Club mitten im Westfalenpark hat sich seit 2011 einen exzellenten Ruf unter Partygängern, aber auch DJs und Künstlern erarbeitet. Party mit Parkanschluss – das gibt es eben nicht in vielen Städten. Wer erst einmal den Weg an den äußersten Rand der Dortmunder Innenstadt auf sich genommen hatte, der blieb häufig gerne die ganze Nacht am Seepavillon.

Hier bilden sich viele Entwicklungen im Ausgehverhalten der 10er-Jahre ab. Die Etablierung der DJ-Kultur, der stete Wandel in den Partyformaten, bei dem die Daddy-Blatzheim-Betreiber häufig das richtige Händchen für Trends hatten.

Daddy Blatzheim war nie festgelegt, aber trotzdem nicht beliebig

Auf einen Stil oder eine Szene festgelegt war das Daddy Blatzheim nie. Beliebig war es deshalb nicht. Was vor allem an Inneneinrichtung, Licht und dem historischen Charme des Buschmühlenareals lag.

Es zog deshalb über die Jahre immer wieder prominente Namen in den Club. 2011 legte Hip-Hop-Legende Grandmaster Flash ein denkwürdiges DJ-Set hin, bei dem es letztlich niemanden störte, dass der Großmeister „Come on, Düsseldorf!“ ins Mikro brüllte.

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Mitglieder deutscher Hip-Hop-Größen wie Deichkind, Beginner oder Fettes Brot haben hier für lange Tanznächte gesorgt. 2015 war der Rapper Casper für ein Geheimkonzert im Daddy Blatzheim. Casper und seine Fans gaben so viel Gas, das gleich dreimal der Strom ausfiel und buchstäblich die Wände wackelten.

Beim Juicy-Beats-Festival gehörte das Daddy Blatzheim seit Jahren zu einem der beliebtesten Spielorte.

Der Namensgeber ist der umstrittene Stiefvater von Romy Schneider

In dem Gebäude im Bauhaus-Stil wurde 1959 das Restaurant mit angeschlossener Freiluft-Tanzinsel zeitgleich mit dem Westfalenpark eröffnet. Und zwar an einem der ältesten Ausflugsorte Dortmunds, an dem 1894 die Adels-Familie von Romberg ein Ausflugslokal bespielte.

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In den 1960er-Jahren erlebt die Buschmühle ihre Blütezeit. Der erste Pächter war der spätere Namensgeber des Clubs: Hans Herbert Blatzheim, Unternehmer und Stiefvater der Schauspielerin Romy Schneider.

Dass Blatzheim wegen Missbrauchsvorwürfen und der finanziellen Ausbeutung seiner Stieftochter eine umstrittene Persönlichkeit war, hat den Club-Betreibern immer wieder Kritik an ihrer Namenswahl eingebracht. Sie betonten aber stets, es sei nie um die Person Blatzheim gegangen, sondern um die Zeit, für die er steht.

Viele Menschen im Dortmunder Nachtleben fürchten um ihre Existenz

„Futuristischer Nachtclub mit Terrasse und Lichtdecke“ – so lautet die Beschreibung des Daddy Blatzheim bei Google. Jetzt hat das futuristische Konzept offenbar keine Zukunft mehr.

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Seit März fehlen jegliche Einnahmen. Das gilt für viele Akteure im Wirtschaftskreislauf Dortmunder Nachtleben, die ihr Geschäft nicht unter den freien Himmel verlegen können. Vielen ist bange vor den nächsten Monaten, in denen Daddy Blatzheim nicht der letzte Name sein könnte, der verschwindet.

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