Das Jara an der Brückstraße hatte seine große Zeit am Übergang zur Disco-Ära Ende der 70er Jahre. Der Club blieb durch seine unangepasste Art im Gedächtnis – und durch herausragende DJs.
Von 1976 bis 1985 steht das Jara (später als Prince weitergeführt) an der Brückstraße 39-43 für einen besonderen Zugang zur Musik. Es steht für den Übergang von der Hippie-Zeit in die Disco-Ära. Und den Veränderungen, die das in der Dortmunder Nachtlebenszene bedeutet.
Im Jara werden Familiengeschichten begründet
"Viele sagen, das Jara war die beste Zeit ihres Lebens“, sagt Georg Langer. 1976 wurde er mit 23 Jahren zum Inhaber seines eigenen Clubs. Es war die Zeit großer Abenteuer. „Viel Zeit, viel Geld und viele Frauen“, sagt Langer über sein eigenes Leben in dieser Phase.
Es existieren heute Familien, die sich nur wegen zufälliger Begegnungen auf der Tanzfläche des Jara gefunden haben. Zum Beispiel die des Autors dieses Textes, dessen Eltern sich hier zum ersten Mal begegneten.
Die Brückstraße ist damals eine No-go-Area
Die Brückstraße muss man sich in dieser Zeit als einen Ort vorstellen, den das „normale“ bürgerliche Publikum zum Feiern nicht unbedingt ansteuert. Zu groß scheint die Gefahr, mit Gästen einer der zahlreichen Kneipen und Etablissements aneinander zu geraten.
Das Jara hilft, diese unsichtbare Grenze zu überwinden. Denn es ist über Jahre einfach zu angesagt, um nicht den Weg in diesen Teil der Dortmunder City zu wagen.
Die DJs machen das Jara außergewöhnlich
Der Laden ist für die Qualität seiner DJs berühmt. „Wir waren immer unangepasst, haben immer die Musik gespielt, die wir richtig fanden, nichts kommerzielles“, sagt Georg Langer. „Jara – wo die Musik schöner ist“ lautet für einige Jahre ein Werbeslogan der Diskothek. Jazz-Rock ist ein musikalischer Schwerpunkt, doch auch 60er-Jahre wirken immer noch nach.

Nina Hagen bei einem Auftritt im Jahre 1979. © Felix Guth
Ruud van Laar, mit 75 heute immer noch als DJ aktiv, hat die Musik im Jara in zwei Phasen mit geprägt. „Ich habe immer versucht, alles unterzubringen. Du konntest hier Swing und Chansons machen. Es gab ein Mädchen, das tanzte immer zu Bolero von Ravel. Also habe ich es gespielt“, sagt er. Hier seien die „wenigen bunten Vögel, die es gab“ zusammengekommen. Jimmy Radant oder Lupo sind weitere DJ-Namen, die mit dem Jara verbunden sind.
Zugleich ist Wandel zu spüren. Rockmusik ist auf dem Rückzug, aus den USA kommen Disco-Sound und erste Hip-Hop-Vorläufer auch in Dortmunder Clubs an.
Vorläufer des Jara war der Wintergarten
Die Räume des Jara haben eine lange Feiergeschichte. Hier befand sich lange der Wintergarten, wo die Menschen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg tanzten. Vorbild für die Einrichtung des Jara war das Studio 54, jener legendäre New Yorker Club, der die Feier-Ästhetik über viele Jahre geprägt hat.
Das bedeutet ausgefallene und durchdesignte Innenarchitektur, das bedeutet auch eine Lichtshow, wie sie heute für fast jeden im Partykeller möglich ist, die damals aber eine Sensation war.
Lichtshow zieht damals viele Menschen in den Club an der Brückstraße
Ein Bild vom Publikum damals zeichnet ein Beitrag aus der WDR-Sendung „Eff Effe“ aus dem Jahr 1978. Hierin ist das Jara Sinnbild für eine neue Diskokultur, viele Gäste kommen zu Wort. „Die Lightshow törnt mich an“, sagt eine Besucherin, im Hintergrund bewegen sich junge Menschen zu Funk-Sound auf der Bühne, die als Tanzfläche dient. Aus der ganzen Region kommen die Menschen zur Brückstraße, fahren aus anderen Ruhrgebietsstädten mit dem letzten Zug hierher und mit dem ersten wieder zurück.
Es gibt einen anderen Film, in dem der junge Georg Langer einem Moderatoren ausführlich die Technik einer Disko-Lichtmaschine erklärt, als wäre das eine komplizierte Raketenwissenschaft. Anfang der 80er-Jahre wird diese Technik massenkompatibel. Überall im Land entstehen Großraumdiskotheken. „Das Jara war sozusagen ein Vorläufer davon“, meint Ruud van Laar.
Was in dem WDR-Film deutlich wird: Im Jara geht es nicht nur ums Tanzen. Es gibt Kino-Vorführungen und eine Teestube, die Bodega. „Wer sich müde getanzt hat, kann sich hier bei einer Tasse Tee für 1,50 Mark entspannen“, lautet der Text der Sprecherin in dem Film. Junge Gäste erzählen davon, dass man hier nette Leute treffen könne. „Da kann man reden damit“, sagt ein junger Mann in bestem Ruhrpott-Sprech.
Zum Reden ziehen sich die Gäste in die Bodega zurück
Die Einrichtung der Bodega hat Georg Langer heute noch vor Augen: „Es war ein ruhiger Ort, es gab eine von einer Malerin gestaltete bemalte Gewölbedecke und afghanische Stühle.“ Die Gäste mögen es. Ebenso wie die Karibik-Cocktails, die es heute überall, damals aber nur an ausgewählten Orten wie dem Jara gibt.
Der Laden brummt. Das Programm läuft von Dienstag bis Sonntag. Es gibt zwei besonders markante Tage. Da ist der Donnerstag mit Konzerten, hier stehen unter anderem Nina Hagen und Art Blakey auf der Bühne. Und da ist die legendäre Jara-Party am Sonntag, mit einem Publikum, so Langer, „von der Hure bis zur Friseurin“.
Provokation an Themenabenden mit Jara mit Erotik und weißen Mäusen
Die Themen der Abende sind oft provokant. Am 17. Februar 1982 etwa laden die Betreiber zu einer Party mit Programmpunkten wie „Das Licht“, „Die Lust“ und „Das Blut“. Sie werben mit „Erotik und Horror“, es stehen Hermaphroditen und Mephisto-Darsteller auf der Bühne, dazu tanzen 100 weiße Mäuse in einem Käfig. Eintritt nur, „wenn sie weiß wie die Unschuld tragen und eine weiße Karte mitbringen“.
Das Jara macht auch Veränderungen durch. Mit Travoltas „Satuday Night Fever“-Film 1977 brechen die Zeiten an, in denen es populär wird Disko-Königinnen zu wählen. 1985 endet die Jara-Zeit.
Der Traum vom Jara II ist geplatzt
Es gab in den vergangenen Jahren einzelne Revival-Partys. Georg Langer hatte noch einmal den Traum, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. 2016 kündigte er die Eröffnung des Jara II an der Balkenstraße an. Kurz nach der Eröffnung machte das Bauordnungsamt den Laden wieder dicht. Der Traum ist geplatzt.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
