
Was DJ Mimmi über seine Zeit im Spirit denkt
Dortmunder Disko-Legenden
Wer an das Spirit denkt, der denkt an DJ Mimmi. Er legt hier seit 40 Jahren auf. Jetzt schließt die Disko. Mimmi kennt alle Geschichten - auch die von der Leiche unter der Tanzfläche.
Wenige Tage bevor es mit dem Spirit zu Ende geht, sitzt Mimmi, der eigentlich Demetre Teophilopoulos heißt, auf seiner Insel. „Meine Entspannungsinsel“ nennt er das Eiscafé Tutti Frutti an der Straße Kuckelke, wenige hundert Meter vom Spirit, wo er fast täglich Zeit verbringt.
„Nina, machst du mir noch einen Kaffee?“, ruft er der Inhaberin zu. Als Nina lächelnd den Kaffee bringt, dampft schon eine selbst gedrehte Zigarette in Mimmis Mund, Marke Schwarzer Krauser. Einmal abhusten, dann erzählt der DJ vom bevorstehenden Ende eines bestimmenden Teils seines Lebens.
Hoffnung nach dem Umbau des Spirit
Natürlich lässt ihn das alles nicht kalt. „Ich dachte, nach dem Umbau könnten sie hier das Steuer rumreißen. Doch es ging genauso weiter.“ Hier bei Tageslicht betrachtet er die Schließung des Spirit erstaunlich nüchtern, fast kaufmännisch. „Es war absehbar. Von einem Tag in der Woche kannst du nicht leben.“ Er muss es wissen. Denn er hat hier schon viele triumphieren und scheitern sehen.
Playlist: Hören Sie in den Soundtrack des Spirit hinein!
Abertausende Partygänger der vergangenen 40 Jahre kennen Mimmi von seiner anderen Insel. Der „Musikinsel“. Dort ist er, wenn er DJ ist. „Dann gibt es nur noch die Musik.“ Es sind die Momente, in denen er am glücklichsten ist.
Die beste Zeit hatte das Spirit Mitte der 90er-Jahre
Die beste Zeit sei Mitte der 90er-Jahre gewesen, als es viele Konzerte im Spirit gab und die Musiker den Kern des Wochenend-Publikums bildeten. „Da war das Experimentieren viel schöner“, sagt er, streicht mit den Fingern seiner linken Hand über die Haare auf seinem rechten Unterarm und zeigt, wie sie ihm damals zu Berge standen.
Der rundliche Mann mit den langen schwarzen Haaren steht für den Rock-Sound, der das Spirit über Jahre so besonders gemacht hat „Niemand hat sein Publikum so lange gehalten wie ich“, sagt er. Er kann das locker daher sagen, denn es stimmt.
Mimmi: „Als DJ musst du ein guter Politiker sein“
In einem Geschäft, in dem sich die Trends und die Namen alle fünf Jahre auswechseln, ist er immer dabei geblieben. Ohne das Auflegen neu zu erfinden, aber mit einem erstaunlichen Gespür dafür, was die Meute gerade braucht. „Als DJ musst du ein guter Politiker sein. Du musst für die, die drin sind, fließende Pakete schaffen“, sagt er. Und verweist darauf, dass er immerhin als erster DJ Dortmunds „Rappers Delight“ von The Sugarhill Gang aufgelegt hat, was als erster populärer Hip-Hop-Song der Geschichte gilt.
Geboren wird Demetre Teophilopoulos am 22. April 1957 in Griechenland, mit drei Jahren kommt er als Kind von Gastarbeitern („Ich mag den Begriff nicht“) nach Dortmund. Schon auf der Grundschule ist er der Junge mit der Musik. Zur Rosenmontagsfeier bringt er die Kassetten mit.
Sein DJ-Name ist ein Kosename, den ihm seine Mutter gegeben hat. Als die Eltern Ende 70er-Jahre nach Griechenland zurückkehren, bleibt Mimmi hier.
Die Brückstraße ist Mimmis Gegend
Auf der Brückstraße küsst er zum ersten Mal eine Frau. 1978 legt er die erste Platte an der Helle auf. Soul, Funk, Jazzfunk für die Schickimicki-Szene im damaligen „St. Tropez“ – so fängt für den heute 61-Jährigen alles an. 1982 übernimmt der Niederländer Ruud van Laar, seit den 60er-Jahren DJ und Betreiber zahlreicher Clubs und Partyformate in Dortmund, die Räume und gibt ihnen den Namen Spirit. Es ist ein „Freak-Laden“ mit „Musik zum Zappeln“, wie Mimmi ihn beschreibt. Rockmusik ersetzt Discosound, Subkulturen wie Heavy Metal kommen auf.
Video: Ein Rundgang durchs Spirit
Ruud van Laar (75) sagt: „Diese Szene hat im Spirit gut funktioniert. Und dadurch, dass der Laden als Einziger noch bis 7, 8 Uhr auf hatte, gab es noch etwas, weshalb die Leute gekommen sind. Im Spirit siehst du dann alle bunten Vögel, die noch kein Ende gefunden haben. Das ist bis heute so geblieben.“ Das ist der Ursprung des Spruchs: „Es endet sowieso im Spirit“.
Das Spirit und die Rocker-Beziehungen
Die Geschichte des Spirit lässt sich nicht erzählen, ohne auf die Dortmunder Schattenwelt einzugehen. Dass die Rockergruppe Bandidos in der Diskothek mitmischt, ist ein offenes Geheimnis, so eine Art stille Übereinkunft, die sich mit den Jahren entwickelt hat. „Es ist immer ein Graubereich. Aber hier ist nichts Böses passiert“, sagt Ruud van Laar. DJ Mimmi sagt nur: „Ich habe hier viel erlebt.“
Die Leiche unter der Tanzfläche, die immer noch einer der Top-Suchbegriffe für das Spirit bei Google ist, die lag woanders. „Das war im Oma Plüsch, am anderen Ende der Straße“, sagt Mimmi.
Der Fall ist der Polizeiausstellung 110 dokumentiert: Ein anonymer Hinweisschreiber hatte die Polizei in den 80er Jahren zur Brückstraße gelotst, wo Spürhunde eine Leiche eingemauert unter der Tanzfläche fanden. Die Legende hielt sich, dass das Spirit, das damals „No 9“ hieß, der Laden mit der Leiche war. Die Tanzfläche war danach so voll wie nie.
Das alles gehört zur Legende des Spirit. Genauso wie der letztlich erfolglose Versuch, die Lebensfunktionen im vergangenen Jahr noch zu erhalten. Gründer Ruud van Laar glaubt, „dass die Zeit reif“ war. Trotzdem schmerzt ihn das Ende: „Das war mein Kind.“
Freundschaft zwischen Mimmi und Ruud van Laar
Was bleibt, ist seine Freundschaft zu Mimmi, der eine Art DJ-Ziehsohn ist. Der 75-Jährige und der 61-Jährige planen in Zukunft mehr gemeinsame Programme. Zuletzt legten sie schon bei einer Partyreihe im Musiktheater Piano in Lütgendortmund zusammen auf. Im „Spirit“ hatte Mimmi zuletzt nur noch einen Abend pro Woche. „Jetzt gibt es bald gar keinen Ort für diese Art Rock mehr.“
Ohnehin zeigt Demetre Teophilopoulos alias Mimmi auf seiner „Entspannungsinsel“ im Eiscafé Tutti Frutti keinerlei Anwandlung von Zukunftsangst. Es wird schon etwas kommen, so wie es immer war. So lange hört er Internetradiosender, schreibt sich die neuen Tracks heraus und kauft sie dann als MP 3. „Ich bin nicht reich geworden. Aber ich mache es auch nicht dafür oder um mich darzustellen. Ich bin DJ aus Überzeugung.“
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
