Im Fall Mouhamed D., der bei einem Einsatz der Dortmunder Polizei am 8. August 2022 getötet worden war, ist gegen fünf Polizeibeamte Anklage erhoben worden. Das ist am Dienstagnachmittag (15.2.) bekannt geworden.
Gegen den Beamten, der die Schüsse abgegeben hat, wird Anklage wegen Totschlags erhoben. Drei Polizisten, die Pfefferspray und Taser eingesetzt haben, müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Einsatzleiter ist wegen der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung angeklagt.
„Damit war nicht zu rechnen“
„Ich bin positiv überrascht, dass der Schütze wegen Totschlags angeklagt wurde“, sagt Lisa Grüter. Sie vertritt als Anwältin die Familie des getöteten 16-jährigen Mouhamed D. „Damit war nicht zu rechnen, da zuletzt auch noch die Straftatbestände der fahrlässigen Tötung oder der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge im Raum standen.“
Grüter selbst liegt die Anklageschrift bislang noch nicht vor. Aus ihrer Sicht habe juristisch aber kein Weg an einer Anklage wegen Totschlags vorbeigeführt. „Wer mit einer schweren Waffe wie einem Maschinengewehr auf einen Menschen schießt, muss damit rechnen und nimmt zumindest billigend in Kauf, dass das Gegenüber stirbt“, sagt Grüter. Der Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge sei deshalb aus ihrer Sicht nicht gegeben.
Die Familie von Mouhamed sei froh gewesen, als sie die Nachricht erhalten hatte, dass Anklage erhoben werde, sagt die Anwältin. „Ich hätte aber auch nicht gewusst, wie ich der Familie etwas anderes hätte erklären sollen.“
Auch die Anklagen wegen gefährlicher Körperverletzung und der Anstiftung dazu findet Grüter folgerichtig. „Ich bin der Meinung, dass insbesondere der Einsatzleiter die moralische Verantwortung trägt und ich bin froh, dass er sich strafrechtlich verteidigen muss.“ Wenn es zu einer Verurteilung kommt, seien alle Beschuldigten unabhängig vom Strafmaß für sie nicht mehr als Polizeibeamte tragbar, sagt Grüter.
Beschuldigte Polizisten sind erschüttert
Michael Emde, Anwalt des beschuldigten Einsatzleiters, möchte zu der Anklage inhaltlich keine Stellung nehmen. Nur so viel: „Verschiedene Aspekte in der Anklage halte ich für unzutreffend.“ Sein Mandant und einer der Taser-Schützen, der von einem Kollegen aus der Kanzlei vertreten wird, seien erschüttert über die Anklage. „Sie wollten einen jungen Mann vom Selbstmord bewahren.“
Wann es zur Verhandlung vor Gericht kommt, können weder Michael Emde noch Lisa Grüter abschätzen. Da sich alle Polizeibeamten auf freiem Fuß befinden und keine U-Haft angeordnet worden sei, gebe es keine Beschleunigungsgrundsätze für das Verfahren. Grüter hofft aber auf einen schnellen Verfahrensbeginn, vor allem für die Familie, aber auch die Öffentlichkeit, die sich Antworten erhoffe.
Öffentlicher Druck
Die Öffentlichkeit habe generell eine erhebliche Rolle bei der Anklageerhebung gespielt, glaubt Grüter. „Durch die bundesweite Wahrnehmung und den daraus resultierenden Druck ist das Verfahren erheblich transparenter geworden.“ In den Wochen nach den tödlichen Schüssen waren medial immer mehr Details zu dem Fall bekannt geworden.
„In dem Zuge möchte ich auch die Staatsanwaltschaft loben“, sagt Grüter. „Mich hat es damals gewundert, dass sie schon früh kommuniziert hat, dass sie erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes hat.“ Aber es sei wichtig gewesen. Dadurch sei nicht der Eindruck entstanden, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Fall auf der Bremse stehe, sagt Grüter.
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