Tod von Mouhamed D (†16) kommt vor Gericht Bitte sachlich bleiben - eine Anklage ist noch kein Urteil!

Anklage ist kein Urteil: Noch ist im Fall Mouhamed D. nichts bewiesen
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Redakteur Kevin Kindel

Als am Abend des 8. August bekannt wurde, dass ein afrikanischer Jugendlicher von einem Dortmunder Polizisten getötet wurde, war sofort klar, dass dies große Wellen schlagen würde. Die Empörung war groß, bevor man überhaupt wusste, was da genau passiert war.

Bereits zuvor hatten viele Menschen in der Nordstadt ein angespanntes Verhältnis zur Polizei. Andere haben nach dem Tod von Mouhamed D. pauschal dafür gestritten, der Jugendliche müsse die Beamten angegriffen haben, sonst könne es gar nicht zu solchen Schüssen kommen.

Schnell gab es Demonstrationen gegen Polizeigewalt und gegen die Praxis, dass die Polizei gegen die Polizei ermittelt. Auch der Vorwurf einer rassistischen Motivation wurde laut. Sechs Monate danach sind die Fakten in Ruhe sortiert, fünf beteiligte Polizisten werden angeklagt, einer wegen Totschlags.

Fast unerträglich ist es in den ersten Wochen nach dem Vorfall gewesen, auf Ermittlungsergebnisse zu warten. Es scheint einfach menschlich zu sein, eine schnelle Meinung zu so einem einschneidenden Ereignis haben zu wollen - obwohl noch niemand alle verfügbaren Fakten kennt.

Das Gericht entscheidet am Ende

Sechs Monate danach bleibt jetzt wichtig: Eine Anklage ist kein Urteil. Ohne ausgebildeter Jurist zu sein, erscheint es etwa merkwürdig, wenn eine Beamtin wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt wird, weil sie wie vom Einsatzleiter befohlen Reizgas auf den 16-Jährigen gesprüht hat.

Allerdings war das Spray, das sie benutzt hat, ein Vierteljahr lang abgelaufen. Offen ist die Frage, ob es auch zu der Anklage gegen sie gekommen wäre, wenn nicht später die tödlichen Schüsse gefallen wären.

In den kommenden Monaten befasst sich ein Gericht mit allen Details, mit allen vorgebrachten Beweisen und Indizien. Oberstaatsanwalt Carsten Dombert sagt selbst, dass die Frage, wie schnell sich Mouhamed D. wohin bewegt hat, in der Verhandlung zu erörtern sei. Eine Notwehrlage der Polizisten habe seiner Bewertung zufolge aber nicht vorgelegen. Auf die ausgewogene Entscheidung des Gerichts müssen alle Beobachter noch geduldig warten.

Hunderte Menschen haben im August wütend gegen die Polizei demonstriert.
Hunderte Menschen haben im August wütend gegen die Polizei demonstriert. © Kevin Kindel

Was aber schon klar ist: Dem Vorwurf des Rassismus widersprechen die Ermittler. Manche der Angeklagten haben selbst ausländische Wurzeln, keinerlei entsprechende Hinweise seien bei Befragungen und Durchsuchungen gefunden worden.

Wichtig bleibt, schnell Lehren für die Zukunft aus dem Fall zu ziehen. Die Bodycams der Beteiligten waren ausgeschaltet, was die Beweisführung deutlich erschwert. Beamte, die mit Schusswaffen oder auch Elektro-Tasern agieren, müssen bei der Nutzung gefilmt werden. Das ist in ihrem eigenen Interesse, wenn sie den Vorschriften entsprechend handeln.

Bodycams mit Tasern koppeln

Die automatische Aktivierung der Bodycam bei der Nutzung eines Tasers ist technisch möglich. Sicher gibt es polizeiliche Situationen, in denen schnell sogar die Schusswaffe gezogen werden muss und keine Zeit ist, die Kamera anzuschalten.

Aber der Mann, der Mouhamed D. erschossen hat, wurde Minuten zuvor bewusst als Sicherungsposten eingeteilt. Für solche Fälle muss es zukünftig eine Dokumentationspflicht geben. Und wer dagegen verstößt, muss gute Gründe vorbringen.

Es geht um Menschenleben

Die Landesregierung hat einige Maßnahmen schon in die Wege geleitet, etwa die Verbesserung des Umgangs mit psychisch Kranken und Menschen, die kein Deutsch sprechen. Schließlich können Polizisten Dolmetscher oder Psychologen zu statischen Lagen hinzurufen.

Bei so einer Kritik geht es keinesfalls darum, die Polizei zu diskreditieren, wie manche Menschen meinen. Es geht darum, Menschenleben zu retten. Und genau das ist im Sinne der gesamten Gesellschaft. Egal ob im Fall Mouhamed D. Straftaten nachgewiesen werden oder nicht.

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