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Coronaschutz-Gegner: Warum wir so über die Demos in Dortmund berichten
Meinung
Wieso berichtet ihr noch darüber? Und wieso so? Werden wir gefragt nach vielen Spaziergängen, Querdenker-Demos, Ansammlungen von Impfpflicht-Gegnern in Dortmund. Hier die Antwort.
Ist jetzt nicht mal gut? Wieso schenkt ihr denen so viel Raum, die da schwurbeln und mit Nazis zusammen demonstrieren, die mit „Spaziergängen“ bewusst die Regeln umgehen wollen, die doch wichtig sind mitten in der Corona-Pandemie? Müsst ihr denen so viel Aufmerksamkeit schenken? All das werden wir gefragt als Redaktion.
Immer wieder, vor allem montags, kommen Hunderte Menschen zusammen, um zu demonstrieren. Denn: Nein, es ist kein Spaziergang, wenn man sich abends im Winter am Wall trifft. Bei allem Dortmunder Lokalpatriotismus: So schön ist es da nun wirklich nicht.
Es sind politische Demonstrationen, an denen Menschen offenbar aus unterschiedlichen Gründen teilnehmen. Angst vor Corona-Impfstoffen, vor digitaler Überwachung, vor zu viel Kontrolle einer staatlichen Macht. Das Gefühl, ausgegrenzt zu sein vom öffentlichen Leben, wenn man sich nicht impfen lässt.
Aber auch: Die Idee, die ganze Pandemie sei doch nur eine Erfindung der Politik, der Industrie, der Medien, irgendwelcher weltumspannender Verschwörungen. Oder der unverhohlene Hass gegen die freiheitlich demokratische Ordnung, der Traum vom gewalttätigen Umsturz des ganzen Systems Bundesrepublik Deutschland.
Wer es auf die letzten Punkte reduziert, wer alle Teilnehmer als Nazis, Antisemiten oder deren Mitläufer bezeichnet, macht es sich zu einfach. Und ja: Es fällt leicht, in dieses Schema zu fallen – erst recht, wenn man wie wir fortlaufend beschimpft wird, doch nur Teil dieses „Systems“ zu sein, das ja gelenkt sei, wisse man ja...
Viele meiner Kolleginnen und Kollegen haben in den vergangenen Wochen versucht, mit Demo-Teilnehmern ins Gespräch zu kommen. Eine Minute lang klappe das vielleicht, länger nicht, berichten sie übereinstimmend. Dabei wäre genau das hilfreich: Wo ist sachliches Argument, wo berechtigte Sorge, wo fußt alles nur auf ominösen Internet-Quellen, nicht auf wissenschaftlich und medizinisch Belegbarem? Denn darum geht es, zumindest für uns, jeden Tag.
Schreiben, was ist. Die Dinge einordnen, statt sie nur wiederzugeben. Deutlich machen, wo Kritik berechtigt sein könnte und wo sie aus der Luft gegriffen ist und ob das sogar zur Gefahr für unser Zusammenleben in dieser Stadt werden kann.
Und letztlich: Zwei Dinge trennen – einerseits die sachliche Nachricht, andererseits die eigene Meinung, einen solchen Kommentar eben, wie Sie ihn gerade lesen.
Zur Einordnung gehört, dass am vergangenen Montag umgerechnet maximal etwa 0,1 Prozent aller Dortmunder an einer Demo teilgenommen haben – abgesehen davon, dass auch Menschen aus anderen Städten hier waren.
Zur Einordnung gehört, dass es massive Verkehrsbehinderungen gab.
Zur Einordnung gehört, dass sich viele Teilnehmer lautstark nach Rechts abgrenzten, dass aber regelmäßig Rechtsextreme versuchen, Anti-Corona-Proteste für sich zu instrumentalisieren.
Wir werden weiter da sein, so lange die Demo von öffentlichem Interesse ist. Mit offenem Ohr, aber kritisch hinterfragend. Das ist unser Job.
Jahrgang 1977 - wie Punkrock. Gebürtiger Sauerländer. Geborener Dortmunder. Unterm Strich also Westfale.
