Corona vor Gericht: Dortmunds Justiz arbeitet inzwischen eingeschränkt

© Dieter Menne (Archivbild)

Corona vor Gericht: Dortmunds Justiz arbeitet inzwischen eingeschränkt

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Am Montag noch war „relativ normaler Sitzungsbetrieb“, jetzt sollen auch die Dortmunder Gerichten ihren Betrieb „auf das zwingend erforderliche Maß“ beschränken.

Dortmund

, 17.03.2020, 16:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das Justizministerium NRW hat inzwischen mit einem Erlass auf das Corona-Virus reagiert und den Gerichtsbetrieb im Land diversen Einschränkungen unterworfen. Sitzungen, so heißt es jetzt, sollen nur durchgeführt werden, wenn sie keinen Aufschub dulden. Das gilt für Haftsachen, bereits begonnene Strafverhandlungen, Eilsachen und ermittlungsrichterliche Handlungen. Für einen Großteil dieser Bereiche gelten im Moment noch Fristen. Dass die sich ändern könnten, wird in dem Erlass nicht erwähnt. Allerdings wird den Richtern, die darüber entscheiden sollen, ob ein Prozess stattfindet, eine „großzügige Ausschöpfung der prozessualen Möglichkeiten“ empfohlen.

Geladene Gäste

Der Dienstbetrieb in allen Gerichten und Staatsanwaltschaften soll auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt werden. Menschen, die keine Justizbedienstete sind, dürfen laut Erlass die Justizgebäude nur betreten, wenn sie geladen sind oder eine andere Funktion haben, als Beispiele genannt werden hier etwa Anwälte, Polizisten und Handwerker.

Der Publikumsverkehr für Eilanträge ist offenzuhalten, normale Anträge und Anliegen sollen „vorrangig schriftlich“ vorgebracht, von „persönlichem Vorsprechen“ abgesehen werden.

Zutritt unter Auflagen

Am Öffentlichkeitsprinzip der noch stattfindenden Verhandlungen wird, ebenfalls unter Einschränkungen, festgehalten: Der Zutritt zum Besuch von öffentlichen Verhandlungen ist weiterhin frei, wenn die Besucher keine Symptome einer Corona-Erkrankung zeigen, innerhalb der letzten 14 keinen Kontakt zu Erkrankten hatten und sich auch nicht in einem Risikogebiet nach der aktuellen Definition des Robert-Koch Instituts aufgehalten haben.

Ursprünglicher Artikel (Stand Montagnachmittag):

Deutschland fährt sich runter, soweit das eben geht. Womit Fragen auftauchen, die vor ein paar Tagen noch undenkbar schienen. Zum Beispiel die, wie eigentlich eine Justiz unter erschwerten Bedingungen arbeitet. Denn die Gerichtssäle sind grundsätzlich öffentlich, das ist ein eherner Verhandlungsgrundsatz, der jetzt gerade an seine Grenzen kommt. Findet Dr. Thomas Jungkamp, er ist Richter und Pressesprecher am Dortmunder Landgericht.

Am Montag war zwar im Landgericht weniger Betrieb auf den Fluren als sonst, auch wurden einzelne Sitzungen verschoben. „Stand heute hatten wir hier aber einen normalen Sitzungsbetrieb“, sagt Jungkamp, Planungen für einen juristischen Shutdown gebe es nicht.

Richter können selbst entscheiden

Prinzipiell gilt in Deutschland das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit, die bedeutet, dass ein Richter nicht weisungsabhängig ist. Er oder sie kann also selbst entscheiden, ob ein Verhandlungstermin verschoben wird.

Es gibt aber in der Justiz für einige Dinge diverse Fristen, die einzuhalten sind. Wer inhaftiert wird, für den gilt die sogenannte Sechs-Monats-Frist. Ihr zufolge hat die inhaftierte Person einen Anspruch darauf, dass spätestens sechs Monate nach der Verhaftung ein Prozess begonnen wird.

Es gibt aber auch Fristen für bereits begonnene Verfahren. So darf beispielsweise ein Prozess nicht länger als drei Wochen ruhen, sollte er bereits länger als zehn Sitzungstage dauern, darf er bis zu vier Wochen aussetzen.

Der unaufschiebbare Fall wird weitergehen

Wie mit solchen Fristen umgegangen werden soll, wenn es zu vielen Erkrankungen bei Richtern, Schöffen oder auch der Wachtmeisterei kommt, ist im Moment noch nicht klar. „Der absolut unaufschiebbare Fall wird mit Sicherheit weiter durchgehen“, sagt Jan-Hendrik Schwengers, er ist Sprecher des Amtsgerichtes.

Bei einem Amtsgericht sind zum Beispiel Ermittlungsrichter angesiedelt, die etwa einen Haftbefehl der Polizei überprüfen und erlassen. Schwer vorstellbar, wie ein Justizsystem ohne Ermittlungsrichter arbeiten sollte.

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Auch das Betreuungsrecht wird vom Amtsgericht ausgeübt, Sorgerechtsstreitigkeiten werden hier verhandelt – es sind nicht die großen, aufsehenerregenden Fälle, die hier laufen. Aber es sind die Fälle, ohne die ein Rechtsstaat nicht funktionieren kann.

Dass das funktioniert, dafür gibt es den etwas sperrigen Begriff der „Gewährung der geordneten Rechtspflege“. Und die wird laut Schwengers aufrechterhalten. Muss aufrechterhalten werden, zumindest mit einem Mindestmaß. Was das jetzt sein wird, wird sich zeigen, glaubt Jungkamp. Ist eine Haftsache ein Mindestmaß oder ist erst eine dringende Haftsache ein Mindestmaß?


Auch bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft wird im Moment „stabil gearbeitet“, so Sprecher Henner Kruse. Es gebe im Moment etwas weniger Personal als sonst, da auch hier Mitarbeiter in Krisengebieten waren oder in Quarantäne sind.

Seit Montag gibt es auch kleinere Veränderungen im Betriebsablauf: So können Bestatter, die von der Staatsanwaltschaft Freigaben zu Beerdigungen erhalten, nicht mehr einfach durchlaufen und ihre Freigaben holen. Aber das sind Vorsichtsmaßnahmen, um den „Kundenkontakt“ möglichst einzuschränken. So sollen auch Anzeigenerstattungen online erfolgen.

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Auf der Startseite der Homepage des Amtsgerichtes Dortmund ruft Amtsgerichtspräsident Jörg Heinrichs dazu auf, dass Gericht nur in „unaufschiebbaren Angelegenheiten“ aufzusuchen und alle Anliegen vorab telefonisch oder schriftlich zu regeln.

Auch Heinrichs erwähnt dort, dass die „Sitzungsöffentlichkeit hiervon unberührt“ bleibt. Dass muss sie auch, denn sollte davon abgewichen werden, wäre das ein sogenannter Revisionsgrund.

„Wenn aus Infektionsschutzrichtlinien das Haus geschlossen wird, dann ist das eine neue Situation“, sagt Landgerichtssprecher Jungkamp.

Allein so ein Satz schien vor ein paar Tagen noch undenkbar.

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