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Dortmunder Psychiater: Corona-Krise geht den Menschen „ins Hirn“
Psychische Erkrankungen
Die Corona-Krise macht etwas mit dem Kopf – da ist sich Psychotherapeut Dr. Harald Krauß vom Marien-Hospital in Dortmund sicher. Große Sorgen macht er sich vor der dunklen Jahreszeit.
In NRW sei aufgrund der Corona-Krise eine „Riesen-Welle“ an Patienten mit psychischen Erkrankungen zu erwarten, die momentan noch nicht in Behandlung sind. Das sagte Dr. Harald Krauß, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Marien-Hospitals in Dortmund-Hombruch, in einem Interview mit dieser Redaktion Anfang Mai.
Wie ist das jetzt, über zwei Monate später, Mitte Juli? Ist diese Riesen-Welle da?
Bestätigen kann man das nicht. Zumindest nicht, wenn man nach den durchgeführten Behandlungen in den Kliniken geht.
Im Marien-Hospital merke man nach wie vor eine Zurückhaltung der Patienten, sich überhaupt in Behandlung begeben - zu groß sei bei vielen die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus. Auf der anderen Seite seien auch die Klinik-Kapazitäten nach wie vor stark reduziert.
Ergebnis: „Wir haben lange Wartelisten“, sagt Dr. Krauß am Montag (20.7.). „Wir sind in den Behandlungen stark eingeschränkt“, führt er aus. So sei die Größe der Behandlungsgruppen stark dezimiert. Auch die stationären Belegungsmöglichkeiten seien durch die Mindestabstände reduziert.
Menschen verschieben Behandlungen – und werden zu Notfällen
Viele Behandlungen, die nicht sofort zwingend notwendig sind, wurden seit Beginn der Krise verschoben.
Landesweit sei allerdings zu merken, dass einige Patienten mit psychischen Erkrankungen, die nun später aufgenommen werden, schon früher als geplant kommen, weil sie durch die längere Wartezeit nun doch zum Notfall geworden seien, sagt Dr. Krauß.
Ein psychischer Notfall liegt etwa dann vor, wenn Suizidgefahr droht oder eine Fremdgefährdung vorliegt. Auch etwa dann, wenn sich der Zustand eines Patienten dermaßen verschlechtert, dass er sich nicht mehr um sich selbst kümmert, liege ein Notfall vor, so Krauß.
„Es ist schon so, dass das den Menschen ins Hirn geht“
Es sei unbestreitbar, dass die Corona-Krise einen Einfluss auf die Psyche hat. „Umgangssprachlich gesagt: Es ist schon so, dass das den Menschen ins Hirn geht“, sagt der Psychotherapeut.

Dr. Harald Krauß, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Marien-Hospital in Hombruch © G.P.Müller
Etwa die Kontaktbeschränkungen oder die Einschränkungen im Bewegungs- und Aktivitäts-Radius mache etwas mit den Menschen. Wie diese auf die Einschränkungen genau reagieren, sei dann „eine Frage der Persönlichkeit“.
Viele Depressionen im Winter erwartet
Größere Sorgen macht sich der Psychiater vor den dunkleren Jahreszeiten. Der Großteil der zu behandelnden psychischen Erkrankungen seien Depressionen.
„Im Moment haben wir Sommer, da ist die Stimmung bei den Menschen tendenziell besser“, sagt er. Wird es kälter und dunkler, schlägt das vielen auch aufs Gemüt.
„Ich befürchte, dass wir im Herbst und Winter immer noch eingeschränkte Kapazitäten haben“, sagt Krauß. Für die kalte Jahreszeit befürchtet er, dass die Anzahl der Menschen mit Depressionen und auch die mit schweren Depressionen zunimmt.
Drohende Grippewelle kann „ganz schwierig“ werden
„Wenn dann die Grippewelle kommt und Lockerungen dadurch eventuell wieder zurückgenommen werden, dann wird‘s ganz schwierig“, meint Krauß. „Für die Menschen, aber auch für uns Behandelnde.“
Gerade für die Patienten in seiner Klinik sei es als Teil der Therapie wichtig, dass sie besucht werden und auch zwischendurch nach Hause können. Während es in den Dortmunder Krankenhäusern Besuchsverbote gibt, ist das momentan in der Klinik von Harald Krauß anders – „in eingeschränktem Maße“.
„Das ist sehr sehr wichtig für uns“, sagt er. Sollte es wegen eines möglichen neuen Lockdowns gar nicht mehr möglich sein, Besuch zu empfangen, könnte das für die Therapie zum Problem werden.
Baujahr 1993, gebürtig aus Hamm. Nach dem Germanistik- und Geschichtsstudium in Düsseldorf und dem Volontariat bei Lensing Media in der Stadtredaktion Dortmund gelandet. Eine gesunde Portion Neugier und die Begeisterung zum Spiel mit Worten führten zum Journalismus.
