
© Uwe von Schirp
Corona-Impfung mit Johnson: Dortmunderin fühlt sich nach Booster „veräppelt“
Coronavirus
Helga Bergmann ist der Schutz vor einer Corona-Infektion wichtig. Früh kümmerte sie sich um Impfung und Booster. Mit Hürden. Beim Blick auf ihren Impfstatus fühlt sie sich nun „veräppelt“.
Helga Bergmann ist 67 Jahre alt. „Ich bin in einer Altersklasse, die am Anfang durch sämtliche Raster gefallen ist“, sagt sie. Sie bezieht sich auf die Corona-Impfung. Erst waren es die Priorisierungen, dann die vollen Impfzentren und schließlich die Mühen, einen Termin beim Hausarzt zu bekommen.
Den hat sie am 18. Mai 2021. Ihr Arzt sagt den Termin jedoch ab. Impfstoffmangel. „Ein neuer Termin? Unbestimmt“, erinnert sie sich an den Frühsommer. Dann zieht Helga Bergmann vom Fredenbaum nach Westerfilde.
Und hat Glück: Am letzten Maiwochenende bietet die Stadt Dortmund für Menschen in Bodelschwingh, Nette und Westerfilde eine Sonderimpfaktion in der Sporthalle an der Dörwerstraße an. „Umgemeldet war ich noch nicht“, erzählt die Ruheständlerin. „Aber ich hatte meinen Nachsendeauftrag für die Post als Nachweis für den Wohnort.“
Digitales Zertifikat aus der Apotheke
Am 29. Mai (Samstag) bekommt sie den ersehnten Pieks – mit dem Janssen-Vakzin des Herstellers Johnson & Johnson. „Bei diesem Impfstoff hieß es: einmal mit Johnson entspricht zweimal mit einem der anderen, also Moderna oder Biontech. Gleich: geschützt“, sagt die Westerfilderin.
„Darauf habe ich mich verlassen. Übrigens wie Hunderttausende andere auch.“ Allein in der Netter Sporthalle ließen sich an drei Tagen im Mai 1588 Menschen mit dem Janssen-Vakzin impfen.
Helga Bergmann geht mit ihrem gelben Impfausweis in die Apotheke. Und lässt sich ihre vollständige Immunisierung auf dem „Digitalen Covid-Zertifikat der EU“ bestätigen. „1/1“, heißt es im Feld „Erstimpfung/Wiederimpfung“. Eine vollständige Impfung also. Alles gut. Scheinbar.

Hunderte Meter lang war die Schlange am ersten Tag der Sonderimpfaktion in Nette Ende Mai. © Uwe von Schirp
„Bis im Herbst die Aufforderung ‚Boostern lassen‘ kam“, erzählt die ehemalige Busfahrerin. „Termin beim Hausarzt holen, immer noch alles in Ordnung.“ Anfang Oktober fragte sie in der Praxis nach einem Booster-Termin. Die früheste Chance: 29. Januar 2022. „Das wären beinahe neun Monate nach meiner Impfung mit Janssen.“
„Das ist total Banane“
Inzwischen hatten die Meldungen zugenommen, dass der Schutz vor einer Infektion mit der Delta-Variante bei den mit dem Janssen-Vakzin Einmal-Geimpften rapide nachlässt. Helga Bergmann will kein Risiko eingehen – weder für sich noch für andere. „Ich versuche, dass das Ganze in den Griff zu kriegen ist“, sagt sie. „Ich gehöre nicht zu den Verweigerern. Das ist doch total Banane.“
Die 67-Jährige wartet nicht, sondern handelt. „Um eher zum Zuge zu kommen, habe ich mich am 25. November stundenlang beim Impfzentrum in der Berswordt-Halle angestellt, um einen Booster mit dem Moderna-Impfstoff zu bekommen.“
Wieder der Gang in die Apotheke. Sie erhält ihr zweites „Digitales COVID-Zertifikat der EU“. Dann eine Überraschung: „2/2“, heißt es nun im Feld „Erstimpfung/Wiederimpfung“. Kein Hinweis auf den Booster. Das Zertifikat gleicht dem eines Menschen, der sich zweifach mit AstraZeneca, Biontech oder Moderna hat impfen lassen.
„Wie ist jetzt mein Impfstatus?“, fragt sie. „Bin ich jetzt geboostert oder nur zweimal geimpft?“ Sie verweist auf den zuvor zertifizierten vollständigen Impfschutz. „Für den Fall, dass ich nur als vollständig geimpft gelte, wann und mit welchem Serum erhalte ich meinen fristgerechten Booster?“
Identischer Eintrag
Helga Bergmanns Fall steht exemplarisch für Millionen andere in Deutschland. 5,2 Millionen Dosen hat Johnson & Johnson laut Impf-Dashboard des Bundesgesundheitsministeriums bis zum 26. Dezember nach Deutschland geliefert.
Die Westerfilderin stellt ihre Fragen dem Dortmunder Gesundheitsamt, dem Gesundheitsministerium und mehreren Medien. „Sie sind die Ersten, die sich gemeldet haben“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.

Das EU-Zertifikat weist trotz der Boosterimpfung mit dem Moderna-Vakzin einen Status von 2/2 Impfungen aus - wie bei Erstimpfungen. © Uwe von Schirp
Antworten auf Helga Bergmanns Fragen holen wir uns bei denen, die die Regeln machen. Konkret: bei der Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums. „Da für eine Grundimmunisierung mit dem J&J-Impfstoff nur eine Impfung nötig ist, muss im Impfzertifikat für die Auffrischungsimpfung unter ‚Nummer der Impfung‘ der Eintrag ‚2 von 2‘ vorgenommen werden“, schreibt ein Sprecher.
Er bestätigt, dass bei einer zweistufigen Erstimpfung mit den Vakzinen von Biotech, Moderna oder AstraZeneca der Eintrag identisch ist. Und ebenso identisch ist, dass die Person erst 14 Tage nach der Zweitimpfung als immunisiert gilt.
Zwei Wochen „nicht immunisiert“
Helga Bergmann fühlt sich „veräppelt“. Denn: Übernimmt sie die Impfung direkt in ihre App, ist das Impfzertifikat für die Auffrischungsimpfung 14 Tage lang ungültig. Prüf-Apps, wie die CovPassCheck-App, können in diesem speziellen Fall nicht unterscheiden, ob es sich um eine Auffrischimpfung für eine J&J-Grundimmunisierung oder um die zweite Dosis der Grundimmunisierung handelt, erklärt der Ministeriums-Sprecher.
Er hat jedoch zwei gute Nachrichten: eine für geboosterte Johnson & Johnson Impflinge wie Helga Bergmann und eine weitere allgemeine. Bei einer zweiten, also weiteren Booster-Impfung zeige das Zertifikat ‚3/3‘. Die Anzeige der 14-tägigen Wartezeit entfalle.
Und für Menschen in einer ähnlichen Situation wie Helga Bergmann gibt es zudem einen Trick, um sich das zeitweise ungültige Impfzertfikat zu ersparen: Wer sich die Zweitimpfung erst mit 14 Tagen Verspätung in die App einträgt, gilt zu jeder Zeit als vollständig geimpft.
Für Erstgeimpfte mit dem Vakzin von Johnson & Johnson empfiehlt die Ständige Impfkommission aktuell übrigens eine zweite Auffrischung schon nach weiteren drei Monaten. Das erklärt das Robert-Koch-Institut auf Anfrage im Rahmen unserer Recherchen. Das Bundesgesundheitsministerium bestätigt das: „Was das RKI sagt, ist immer richtig.“ Helga Bergmann will sich schon jetzt einen Termin für Ende Februar sichern.
Und ihr Ärger soll anderen bald erspart bleiben, verspricht der Ministeriumssprecher. Für eine bessere Erkennbarkeit des Boosters nach einer einmaligen Impfung mit dem Janssen-Impfstoff werde derzeit auf europäischer Ebene eine Lösung erarbeitet.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
