Wohnprojekt für Extrem-Frühchen Der Start ins Leben kam vier Monate zu früh

Wohnprojekt für Frühchen: Der Start ins Leben kam vier Monate zu früh
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Der Start ins Leben kam für sie viel zu früh: Maira Ziehe (15) aus Dortmund und Nina Schneider (17) aus Schwerte kamen als Extrem-Frühchen zur Welt. Beide sind schwerst mehrfach behindert.

„Als Nina und ihre Zwillingsschwester Jule zur Welt kamen, war ich in der 25. Schwangerschaftswoche“, erzählt Kirsten Schneider aus Schwerte. Das war rund vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin. Nina wog bei der Geburt nur 630 Gramm. Sie überlebte die extreme Frühgeburt, erlitt aber Hirnblutungen. „Ihre Schwester Jule ist nur sieben Wochen alt geworden“, erzählt Kirsten Schneider.

Auch die frühe Geburt von Maira war eine Zwillingsgeburt: Beate Ziehe aus Dortmund bekam ihre Töchter im Dezember 2007 in der 27. Schwangerschaftswoche. Maira wog 940 Gramm. Sie erlitt Hirnblutungen, die bei extremen Frühgeburten häufig auftreten können. Ihre Schwester Mara, die mit 830 Gramm noch leichter war als ihre Schwester, überstand die frühe Geburt indes ohne größere Komplikationen.

Frühchen sind auf Hilfe angewiesen

Für Familien von Frühchen ist die schwere mehrfache Behinderung ihrer Kinder eine große Herausforderung. Nina und Maira sind auf ständige Hilfe angewiesen. „Nina kann nicht sprechen, sie kann sich nicht allein fortbewegen“, erzählt Kirsten Schneider. Auch Maira ist stark eingeschränkt. Beide besuchen die LWL-Förderschule „Am Marsbruch“ in Aplerbeck.

Die Familien schauen nach vorn: Sie möchten erreichen, dass Kinder wie Maira und Nina als Erwachsene ein möglichst selbst bestimmtes Leben führen können – auch wenn sie immer auf Hilfe angewiesen sein werden. Ein besonderes Wohnprojekt soll dabei helfen – „WOH Dortmund“ heißt es. Die Abkürzung steht für „Wohnen ohne Handicap“, und so heißt auch der gemeinnützige Verein, dessen Mitglieder im Jahr 2018 die Idee dazu hatten.

Im nächsten Jahr ist Baubeginn: Am Mühlenwinkel in Sölderholz entsteht dann eine Wohngemeinschaft für acht Bewohnerinnen und Bewohner mit Behinderung. „Jede und jeder bekommt ein kleines Appartement mit 20 Quadratmetern und einem eigenen, barrierefreien Duschbad“, erläutert Kirsten Schneider, die Vorsitzende des Vereins ist.

Auch große Gemeinschaftsräume und ein Gemeinschaftsbad mit Wanne, eine Terrasse sowie ein Sinnesgarten werden dazugehören. „Es ist eine selbst verantwortete Wohngemeinschaft. Denn alle haben eine Vorstellung davon, wie sie wohnen möchten. Unsere Bewohner kennen sich auch schon alle“, sagt Kirsten Schneider.

Spendenübergabe von "Frühchen Dortmund e.V." an "Wohnen ohne Handicap"
Beate Ziehe (l.) und Kirsten Schneider (r.) freuen sich über die großzügige Spende der Elterninitiative „Frühchen Dortmund e.V.“. Zur Übergabe kamen (hinten v.l.) Cornelia Fröhlich, Vorsitzender Stefan Bienhold und Andrea Wilke. Im Hintergrund steht das Gemeindehaus. Auf dem Gelände in Sölderholz entsteht das Wohnprojekt. © Schneider

Freude über große Spende

Selbstverständlich wird die Gemeinschaft auch betreut: Den Bereich übernimmt die Lebenshilfe Dortmund. Mehrere Pflege- und Betreuungskräfte werden sich abwechseln, damit rund um die Uhr immer jemand da ist. Wohnen werden sie aber nicht in der WG.

Kirsten Schneider und Beate Ziehe freuen sich jetzt sehr darüber, dass sie eine großzügige Spende für das Wohnprojekt erhalten haben: Die Elterninitiative „Frühchen Dortmund e.V.“ hat 5.000 Euro gespendet. Cornelia Fröhlich gehört der Elterninitiative seit vielen Jahren an – sie kennt Maira und Nina, seit sie geboren wurden. „Nach ihrer Entlassung aus der Kinderklinik ist der Kontakt nicht abgebrochen“, erzählt sie. „Im Rahmen der Frühförderung habe ich beide Mädchen begleitet, bis sie in einen heilpädagogischen Kindergarten gekommen sind.“

Cornelia Fröhlich sagt: „Stark eingeschränkte, auf Pflege angewiesene Kinder sind schon eine riesige Herausforderung für das ganze Familiensystem, aber auch diese Kinder werden irgendwann erwachsen. Und dann stellt sich natürlich irgendwann für die Eltern die Frage: Wo und vor allem wie soll mein erwachsenes Kind mal leben?“

Von dem Wohnprojekt ist sie begeistert. „Wir sind alle beeindruckt, was die Familien hier für ihre Kinder auf die Beine stellen – und wir sind überzeugt, dass unsere Spende sinnvoll ist.“

Die Elterninitiative „Frühchen Dortmund e.V.“ (www.fruehchen-dortmund.de) gibt es seit 30 Jahren. Sie unterstützt Eltern mit zu früh geborenen Kindern.

Es gibt gemeinsame Sommerfeste und Frühstücke. Die Initiative hat die Kinderklinik in Dortmund mit speziellen Lagerungskissen oder Hängematten für die Inkubatoren unterstützt. Auch an größeren Projekten wie an dem Babynotarztwagen und der „Muttermilchbank für Frühgeborene“ war die Elterninitiative beteiligt. Spenden kann man bei der Sparkasse Dortmund unter IBAN: DE17 4405 0199 0251 0053 62.

Das Wohnprojekt „Wohnen ohne Handicap“ (woh-dortmund.de) möchte Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. Das Spendenkonto bei der Volksbank Dortmund hat die IBAN: DE28 4416 0014 5011 2190 00. Infos gibt es auch auf der Homepage.

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