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Braucht der Dortmunder Süden eine Gesamtschule oder nicht?
Anhaltende Diskussion
Das Thema ist alt, bekommt aber jetzt eine neue Dynamik: Dortmund soll eine weitere Gesamtschule bekommen. Sollte die im Süden liegen? Dafür müsste eine Realschule aufgegeben werden.
Wachsende Schülerzahlen stellen die Dortmunder Schulverwaltung vor Herausforderungen. Sie müssen alle Kinder unterbringen und zusätzlichen Schulraum bereitstellen. Und zwar schneller, als es der Bau neuer Schulen erlauben würde.
In Sachen Gesamtschule, wo besonders viele Plätze fehlen, liegt nun eine konkrete Lösung auf dem Tisch: Die Umwandlung der Johann-Gutenberg-Realschule (JGR) in eine Gesamtschule. Danach würde die Wellinghofer Realschule zum Schuljahr 2023/24 auslaufen und der Betrieb einer vierzügigen Gesamtschule eingeleitet werden.
Der Rat der Stadt könnte diesen Weg in der nächsten Sitzung am 16. Dezember beschließen. Die Bezirksvertretung Hörde allerdings lehnte die Vorlage am Dienstag (2.11.) ab. Trotz ausführlicher Erläuterungen von Schuldezernentin Daniela Schneckenburger sah die Mehrheit des Gremiums noch Klärungsbedarf und schob die Entscheidung in die nächste Sitzung.
Lokalpolitiker fühlten sich überrumpelt
Die Hörder Lokalpolitiker fühlten sich ohnehin durch die Beschlussvorlage überrumpelt und kritisieren, die Hörder seien bislang zu wenig eingebunden worden. Einige bezweifeln, dass die Umwandlung der JGR dem Elternwillen entspricht. Außerdem bestehen auch Bedenken, was die Auswirkungen auf die anderen Schulen im Stadtbezirk angeht, speziell die Konrad-von-der-Mark Hauptschule.
Mit den Schulleitern der anderen Schulformen sei gesprochen worden, sagte Daniela Schneckenburger. Und der Anstoß zur Umwandlung der JGR sei vom Schulleiter selbst gekommen. Die Realschule sei seit Jahren nur mit drei parallelen Klassen pro Jahrgangsstufe im Betrieb, obwohl sie auf Fünfzügigkeit ausgelegt ist. „Es ist der Wunsch der Schule, sich weiterzuentwickeln“, erklärte Daniela Schneckenburger. Die räumliche Nähe zweier Realschulen (in Hörde gibt es die Marie-Reinders-Realschule) werde dafür als Hemmnis empfunden.
Dezernentin sieht Chance und Bereicherung für Schule und Bildung
Die Schuldezernentin widersprach dem Eindruck, die Verwaltung wollte das Vorhaben einfach durchdrücken. „Ich glaube, dieser Schritt könnte eine Bereicherung darstellen, insbesondere für die Eltern aus dem Süden“, warb sie für die Idee. „Es ist in jedem Fall eine Chance.“

Der Dortmunder Süden soll Standort einer neuen Gesamtschule werden. © Oskar Neubauer (A)
Bezirksbürgermeister Michael Depenbrock (CDU) zeigte sich überrascht von der Geschwindigkeit, mit der es jetzt vorangeht, und widerspricht den Ausführungen der Verwaltung: Es werde kein neuer Schulraum geschaffen, sondern bestehender umgewandelt. Und das wirke sich auf die anderen Schulen aus. „Ich glaube, dass es Kinder gibt, die mehr Förderung brauchen. Und das ist an der Hauptschule besser möglich.“
In die gleiche Richtung argumentierte Dr. Thomas Goll (CDU): „Das wird der Hauptschule das Genick brechen“, meint er. Er sieht hinter dem Plan „den erklärten Willen, die Stadt Dortmund mit Gesamtschulen zu füllen und das an einem Ort, wo sie nicht so stark nachgefragt wird“.
Die Schulverwaltung versuchte, mit Zahlen dagegenzuhalten: Von den 1.512 Plätzen im fünften Jahrgang an Dortmunder Gesamtschulen seien 1.503 belegt. Trotz der Erweiterung um sieben Schulzüge – „alle waren sofort und komplett ausgebucht“ – blieb ein Überhang von mehr als Hundert Kindern. „Allein die Anzahl von Ablehnungen entspricht einem Bedarf von zusätzlichen 4,7 Schulzügen“, so die Verwaltung.
Nicht das Ob sondern das Wo sei die entscheidende Frage
Laut Thomas Goll sei nicht das Ob sondern das Wo die entscheidende Frage in Sachen Gesamtschule. 78 Schülerinnen und Schüler aus Hörde und 93 aus Aplerbeck pendeln zu Gesamtschulen in anderen Stadtbezirken. Reicht das, um einen Bedarf im Süden abzuleiten?
Dazu wäre zu klären, wie viele der derzeitigen Realschüler die Gesamtschule wählen würden, wenn es eine in der Nähe gäbe. Oder müssten dann sie nach Umwandlung der JGR zur Realschule in anderen Stadtteile pendeln, weil die Marie-Reinders-Realschule schon jetzt nicht allen Anmeldungen entsprechen kann?
Die an den Gesamtschulen abgelehnten Kinder sind dafür übrigens nicht der Grund. Von den 102 abgelehnten Kindern wählte nur eines die Marie-Reinders und zwei die JGR als Alternative.
Hörder Politiker räumen noch Klärungsbedarf ein
Zur weiteren Klärung wollen die Mitglieder der BV nun ihre Fragen zusammenstellen und der Schulverwaltung zukommen lassen.
Daniela Schneckenburger meint, es sei kein Zufall, dass sich so viele Eltern für die Gesamtschule entscheiden. Sie hätten verstanden, dass man die Tür zu einem nächst höheren Bildungsabschluss möglichst lange offenhalten muss. „Eine Gesamtschule würde Hörde genauso gut stehen, wie jedem anderen Stadtteil. Ich glaube, es wäre eine Bereicherung für die Schullandschaft in Dortmund.“
Seit 2001 in der Redaktion Dortmund, mit Interesse für Menschen und ihre Geschichten und einem Faible für Kultur und Wissenschaft. Hat einen Magister in Kunstgeschichte und Germanistik und lebt in Dortmund.
