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B1-Initiative geht in die Offensive: „Wir wollen die Allee nicht weiter zerrupfen“
Interview
Inmitten von Autoabgasen ein Gespräch über eine grüne B1: Die Befürworter einer neuen Platanen-Allee erklären, warum ein Ratsbeschluss zur B1 ein schlechter Kompromiss ist und ihr Vorschlag ein guter.
Die B1 ist mit bis zu 100.000 Autos pro Tag die Hauptschlagader von Dortmund. Die Alleebäume, meist Platanen, die auf Dortmunder Gebiet den Ruhrschnellweg säumen, nehmen die meisten nur im Vorbeifahren wahr.
Dabei ist das grüne Band ein städtebaulicher Schatz, der aber wegen entstandener Lücken an Glanz verloren hat. Der Befürworterkreis „Neue Platanen für Dortmunds Lebensader“ will diesen alten Schatz nicht nur wieder gründlich aufpolieren, sondern ihn gleichzeitig zum nachhaltigen Zukunftsprojekt machen.
Doch der Idee der rund 50-köpfigen Initiative steht ein Ratsbeschluss von 2018 entgegen. Er wurde im Zuge des barrierefreien Umbaus von fünf Stadtbahnhaltestellen zwischen Märkischer Straße und Stadtkrone-Ost getroffen – nach vielen Diskussionen und einem Bürgerdialog. Erstes Ziel war, dass für die barrierefreien Haltestellen möglichst wenig Bäume geopfert werden sollen.
Über den Gegenentwurf der Platanen-Befürworter sprach RN-Redakteurin Gaby Kolle vor Ort zwischen den Baumreihen auf der B1 mit Prof. Wolfgang Sonne, Städtebauhistoriker an der TU Dortmund sowie Verfechter einer wiederhergestellten Platanen-Allee, und Thomas Quittek, Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Dortmund und Mitglied im Naturschutzbeirat der Stadt.
Herr Prof. Sonne, wir sitzen hier an der Einmündung Lübkestraße mitten im lauten Verkehr. Hier eine Platane, da ein paar junge Linden. Wenn man sich umguckt, ist schön etwas anderes. Was versprechen Sie sich von Ihrem Engagement für eine neue Allee?
Sonne: An dieser Stelle ist das zurzeit keine richtige Allee. Und das wollen wir ändern. Die B1 ist eine wunderbare Stadtallee – als Westfalendamm vor über 100 Jahren angelegt. Sie ist stadthistorisch und städtebaulich ein Pfund. Dieses Stadttor wollen wir wiederherstellen mit einheitlichen Bäumen in einer geraden Reihe. Wie das wirkt, kann man an den intakten Allee-Stücken am Rheinlanddamm und am Anfang des Westfalendamms nachempfinden.
Wie unterscheidet sich die Idee der Platanen-Befürworter von der Planungsvariante, die der Rat beschlossenen hat?
Sonne: Unser Vorschlag ist ein guter Kompromiss, die Variante, die vom Rat beschlossen wurde, ist dagegen ein schlechter Kompromiss, weil keiner damit zufrieden ist. Weder die Naturschutzverbände, noch das behindertenpolitische Netzwerk, noch die Fachleute, die sich mit der Stadtgeschichte und mit dem Stadtraum beschäftigen, und auch DSW21 nicht wegen der Schlängelversion der Stadtbahntrasse, die am Ende wartungsintensiver ist.
Und wie machen es die Platanenbefürworter besser?
Sonne: Unser Vorschlag ist keine Notreparatur einer ohnehin dürftigen Lage, sondern wir machen einen großen gesamten Wurf. Unsere Variante, mit der wir dem Straßenraum einen neuen Querschnitt geben, bringt für alle Beteiligten Vorteile. Wir haben im Endausbau mehr Bäume als heute und mehr Platz für Fußgänger, Radfahrer, Bahnfahrer und eine barrierefreie Querung. Die Stadtbahnschienen laufen gerade – das man kriegt mit Mittelbahnsteigen hin –, und wir haben eine klare Verkehrsführung auch für die Autos. Zudem bekommt man ein eindrückliches Stadtbild mit einer Allee.

So hat die Stadt aktuell geplant, hier die Stadtbahn-Haltestelle Lübkestraße mit der zerrupften Allee an der B1. © BK Neue Platanen

So würde an selber Stelle eine neu gepflanzte Platanen-Allee mit einer begradigten Bahntrasse aussehen. © BK neue Platanen
Aber bei Ihrer Variante würden mehr Bäume geopfert.
Sonne: Das Baumgutachten hat schon vor fünf Jahren gesagt, 40 Prozent der Linden auf dem Stück zwischen Voßkuhle und Max-Eyth-Straße – und um die geht es beim Lückenschluss – werden die nächsten 15 Jahre nicht überleben und müssen ohnehin neu gepflanzt werden. Weitere 40 bis 50 Prozent der Bäume kann man umpflanzen. Bleiben 40 Bäume übrig, die gefällt werden müssten. Wir würden dann aber 212 neue Zukunftsbäume pflanzen. Der jetzige Plan der Stadt sieht 166 Bäume auf dem Teilstück vor. Da kann jeder rechnen, was besser ist: 166 Bäume oder 212 Bäume? Wir pflanzen mehr nach, als wir wegnehmen. Das ist vorbildliche Nachhaltigkeit.
Herr Quittek, wie stehen der BUND und der Naturschutzbeirat dazu?
Quittek: Wir unterstützen das Konzept der Platanenallee-Initiative, weil es nachhaltig ist und in die Zukunft weist, auch wenn dabei mehr Bäume gefällt werden müssen als bei der vom Rat beschlossenen Variante.
Also Bauchschmerzen?
Quittek: Zugegeben, anfangs ja, aber die Bäume, die am Gleis stehen, werden keine große Zukunft haben und die nach dem Zweiten Weltkrieg gepflanzten Linden ohnehin nicht. Vitale Exemplare können verpflanzt werden.
Wenn wir jetzt neu aufbauen, heißt das nicht, dass wir die gleichen Fehler machen wie in der Vergangenheit. Damit die neuen Bäume ihre ganze Kraft entfalten und gesund wachsen, werden wir den Boden austauschen und für eine künstliche Bewässerung sorgen müssen. Und sie stünden nicht mehr an einem Schotter-, sondern an einem grünen Gleis. Das kühlt und hält das Wasser. Außerdem wollen wir mit zusätzlichen Zukunftsbäumen experimentieren.
Die Bäume wären erst mal kleiner als die jetzigen.
Sonne: Auch die neu gepflanzte Allee wird sehr schnell als Allee wahrnehmbar sein. Man würde 8 bis 10 Meter große Bäume pflanzen. Sie sind gleich groß und stehen in einer Reihe. Schon das wirkt.
Quittek: Die B1-Allee ist auch ein Symbol für die Klimafestigkeit der Zukunft und ein Element der Verkehrswende. Wir geben Fußgängern und Radfahrern mehr Raum und ein grünes Dach. Wir werden kein „Stillleben“ wie 2010 auf der B1 haben, können aber optisch und funktional etwas Großes entwickeln.
Warum kommt die Idee einer wiederhergestellten Platanen-Allee erst jetzt oder besser wieder, zweieinhalb Jahre nach dem Ratsbeschluss zum Stadtbahn-Haltestellen-Umbau? Damals war der Vorschlag gescheitert.
Sonne: Die Idee, die Allee nicht einfach weiter zu zerrupfen, sondern sie zu verstärken, gibt es schon lange. Sie ist über die Jahre gereift und wurde jetzt noch einmal neu angestoßen von einer Bürgerinitiative. Dahinter stehen Personen, die sich um die Stadt verdient gemacht haben, sowie Tiefbau-, Umwelt-, Verkehrs- und Architekturexperten. Die Platanen-Allee ist ein Paradestück von Dortmund, der Westfalendamm eine gut gestaltete städtische Straße. Dieser ganzheitliche Aspekt ist nie bewertet und wahrgenommen worden.
Quittek: Dieses Konzept hat sich gegenüber dem im Dialogverfahren noch einmal verfeinert. Gleichzeitig wollten wir zunächst intern mit den Stadtspitzen die Mehrheitsfähigkeit für eine erneuerte Platanen-Allee ausloten; denn es nützt nichts, in die Öffentlichkeit zu gehen, ohne die Politik überzeugt zu haben. Wir müssen jetzt auch die Bürger miteinbeziehen. Wir brauchen eine breite Diskussion und bieten an, vor Ort Begehungen zu machen, um den Leuten das zu erklären.
Sonne: Hätten wir mit der Kritik an dem in unseren Augen total falschen Ratsbeschluss zuerst die Öffentlichkeit gesucht, wären wir auf Konfrontationskurs zur Politik gegangen, die wir aber für die Umsetzung unseres Vorschlags brauchen. Wir hoffen auf die Kraft des Argumentes, sich das anzuschauen und ein Für und Wider der Varianten abzuwägen.
Aber Ihre Variante wird vermutlich viele Millionen teurer, und sie brauchen auch den Bund dazu, weil die B1 an einigen Stellen begradigt werden müsste.
Sonne: Wir haben mit den Ratsfraktionen gesprochen und inhaltlich keine Gegenargumente gehört. Und der Bund schuldet uns was. Wir haben schon auf der Westflanke der B1 tabula rasa gemacht, jetzt wiederholen wir das im Osten mit dem sechsspurigen Ausbau der A40.
Quittek: Wir könnten zeigen, dass eine Stadtstraße auch grün sein kann – als Vorzeige-Projekt für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027. Es wird kaum eine Stelle geben, an der so viele Menschen vorbeikommen wie an der B1.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
