Erste Studenten aus der Ukraine setzen ihre Arbeit im Hauptfach Geige an der Phoenix Musikakademie fort. Katharina (v.l., Tschaikowski-Konservatorium Kiew), Alexander Ostrovski (Leiter der Musikakademie), Olena (Nationale Musikakademie Reinhold Gliére Kiew) und Irina Khmelnytsky (Music College Vladyslav Zaremba).

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Aus der Ukraine an den Phoenix-See: Renommierte Musikakademie nimmt geflüchtete Talente auf

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Die Phoenix Musikakademie in Hörde ermöglicht jungen ukrainischen Musiktalenten deren weitere Ausbildung nach der Flucht vor dem Krieg. Viele wirken schüchtern – und sind doch so professionell.

Hörde

, 15.04.2022, 16:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Seit der Invasion in die Ukraine am 24. Februar stehen bei Alexander Ostrovski die Telefone nicht still. Der Leiter der Phoenix Musikakademie hat sich in 30 Jahren als Violinist und Dirigent einen internationalen Ruf als Musikpädagoge erarbeitet.

Seither unterrichten er und seine Dozenten in Hörde im Sinne der Ausbildungskultur osteuropäischer Länder. So hätten bisher alle Absolventen dieses Instituts, die einen musikalischen Berufsweg anstrebten, die Eignungsprüfung an einer Musikhochschule erfolgreich bestanden.

Alexander Ostrovski ist Leiter der Phoenix Musikakademie in Hörde.

Alexander Ostrovski ist Leiter der Phoenix Musikakademie in Hörde. © Martin Schreckenschläger

Dieser Ruf hat sich bis zu den kriegsgebeutelten Musiklyzeen herumgesprochen. Bei dieser Schulform handelt es sich um Spezialschulen, an denen die Schüler sowohl ein Abitur als auch die Befähigung zur Aufnahme an einer Musikhochschule erhalten.

Neben dem Hauptinstrument erhalten die Kinder dort schon sehr früh Unterricht in Gehörbildung, Harmonielehre, Formenlehre, Kontrapunkt und Musikgeschichte. Auch ein zweites Instrument gehört zum Pflichtprogramm für die angehenden Musiker.

Instrumentalunterricht in Deutschland – und in Sicherheit

Bald gab es Kontakte nach Kiew, Charkiw und anderen Orten in der Ukraine. Die dortigen Schulen möchten ihre Schüler in Sicherheit wissen, ihnen aber auch eine Fortsetzung der Berufsausbildung, die dort regelmäßig mit etwa sechs Jahren beginnt, ermöglichen. Kaum waren die Kontakte zu den Schulleitern hergestellt, meldeten sich auch schon zahlreiche Eltern dieser musikbegabten Kinder.

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Alexander Ostrovski hat mit den Schulleitungen zusammen ein Modell entwickelt. Die Kinder bekommen in Deutschland den praktischen Instrumentalunterricht, erhalten den Unterricht der Nebenfächer aber weiterhin von ihren Schulen in der Ukraine. Unterricht per Video, wie ihn deutsche Schüler in der Pandemie kennengelernt habe, macht das möglich.

Mit ihren Müttern oder anderen Familienmitgliedern erreichen die Kinder nach tagelanger Flucht mit Bus und Bahn Dortmund. Die Akademie, viele Unterstützer und Charity Clubs bringen die Ankömmlinge in Dortmund und Umgebung in Gastfamilien unter, stellen Wohnungen zur Verfügung.

Vier junge Geiger flüchteten aus der Ukraine: Uliana (12, v.l.), Olga (12), Luisa (11) und Anna (12).

Vier junge Geiger flüchteten aus der Ukraine: Uliana (12, v.l.), Olga (12), Luisa (11) und Anna (12). © Martin Schreckenschläger

Begrüßt wurden sie jetzt von Ostrovski persönlich im kleinen Vortragsraum der Akademie. In einer ersten Veranstaltung trafen die Pianisten ein, einige Tage später die Streicher. Die Stühle im Saal reichten beide Male nicht. Und längst sind nicht alle in Dortmund eingetroffen. Viele der Kinder haben schon seit Wochen nicht mehr am Klavier gesessen oder konnten ihre Geige zur Hand nehmen.

Schüchtern und doch so professionell

Es berührte, als die siebenjährige Yeva vorspielte. Doch den Titel hatte sie vergessen. Auch andere Kinder hatten Probleme, da ihnen über lange Zeit das Üben nicht möglich war. Andere, wie die dreizehnjährige Anna, wirkten schüchtern. Sie flüsterte, als sie sich vorstellte, aber am Klavier spielte sie den Gnomenreigen von Liszt wie eine professionelle Konzertpianistin.

Kleine Pianisten aus der Ukraine am Flügel der Musikakademie: Sascha (9, v.l.), Polina (13), Lisa (12) sowie an den Tasten Jeva und Mascha (beide 7). Im Hintergrund Dozentin Alina Bercu.

Kleine Pianisten aus der Ukraine am Flügel der Musikakademie: Sascha (9, v.l.), Polina (13), Lisa (12) sowie an den Tasten Jeva und Mascha (beide 7). Im Hintergrund Dozentin Alina Bercu. © Martin Schreckenschläger

Der fünfzehnjährige Georgi spielte Rachmaninow mit großem Ausdruck, wirkte dabei jedoch – trotz seiner Flucht, die länger als eine Woche dauerte – ruhig und gelassen. Die Geigerinnen Sophia und Veronika, Zwillinge und siebzehn Jahre alt, waren mit ihrer Babuschka, der Oma, angereist

Studenten streben Bachelor-Abschluss an

Insgesamt 40 junge Menschen sind bereits angekommen. Wie viele es noch werden können, weiß keiner. Schnell hätte sich das mit den Schulen vereinbarte Unterrichtsmodell im Kriegsgebiet herumgesprochen. Mit zwei Musikhochschulen würden bereits Kooperationen angebahnt, der Nationalen Musikakademie Reinhold Gliére in Kiew und der Nationalen Universität der Künste Charkiw I. P. Kotljarewskyj.

Junge Pianisten aus der Ukraine am Flügel der Musikakademie: Egor (12, v.l.), Vladislav (11), Anna (13), Georgi (15) und Stanislava (15).

Junge Pianisten aus der Ukraine am Flügel der Musikakademie: Egor (12, v.l.), Vladislav (11), Anna (13), Georgi (15) und Stanislava (15). © Martin Schreckenschläger

Einige Studenten, nicht nur von diesen Hochschulen, sind bereits in Hörde angekommen. Mit dem Hauptfach hier und allen übrigen Studienleistungen im Fernunterricht bereiten sie sich auf die Bachelor-Prüfung vor. Hier erhält die Akademie Unterstützung von Dozenten deutscher Musikhochschulen, die die Instrumental-Prüfung abnehmen, die dann in der Ukraine im Rahmen der Bologna-Vereinbarungen anerkannt wird.

Den Unterricht an der Geige erteilt Ostrovski selbst. Weitere Schüler übernimmt Charlotte Woronkow aus Herne, einst selbst Schülerin der Akademie, inzwischen nach Studium, Berufserfahrung und vielen Wettbewerbserfolgen eine der Dozentinnen. Als Assistentin von Professor Grigory Gruzman an der Musikhochschule Weimar kam die rumänische Konzertpianistin Alina Bercu nach Hörde, blieb als Dozentin ebenso wie Alla Dozhenko, Professorin in Saratow. Für den Unterricht ist die russische Sprache das verbindende Element.

Aus der Ukraine direkt an den Phoenix-See

Dafür, dass die Musikschüler und Studenten in Deutschland auch an der richtigen Stelle ankommen und nicht durch behördliche Erstaufnahmestellen irgendwo in der Republik in Sammelunterkünften untergebracht werden, wo eine Fortsetzung des fachspezifischen Unterrichtes nicht möglich wäre, setzt sich Anja Fischer ein. Sie ist Inhaberin von TRD-Reisen. Ihre Busse steuern im Liniendienst Lwiw, Lemberg, an.

Junge Streicher aus der Ukraine stellten sich vor: Xenia (13, v.l.), Bogdan (14), Maria (17), Dozentin Charlotte Woronkow, Sophia (17), Veronika (13), Alexander Ostrovski, Leiter der Musikakademie, Alexandra (15, am Cello) und Veronika (17).

Junge Streicher aus der Ukraine stellten sich vor: Xenia (13, v.l.), Bogdan (14), Maria (17), Dozentin Charlotte Woronkow, Sophia (17), Veronika (13), Alexander Ostrovski, Leiter der Musikakademie, Alexandra (15, am Cello) und Veronika (17). © Martin Schreckenschläger

Für die Musiker und ihre Angehörigen reserviert sie immer Plätze, bringt sie direkt aus der Ukraine an den Phoenix-See. Sie selbst gehört neben vielen weiteren Dortmundern, die enorme Hilfsbereitschaft zeigen, zu den Menschen, die Studenten in ihrer Familie aufgenommen haben.

Die Akademie ist ein privates Institut, ein Verein, der keine Unterstützung aus öffentlichen Kassen erhält. Da die Eltern der geflüchteten Schüler zunächst kein Schulgeld aufbringen können und ihre Heimatwährung, die ukrainische Hrywnja, nicht gegen Euro tauschen können, ist die Akademie auf Spenden angewiesen, gibt Benefizkonzerte.

Benefizkonzert am 19. April

Dozenten und Gastdozenten, die in Hörde Meisterkurse geben werden, treten für den guten Zweck auf. So wird am 19. April in der Aula der Marie-Reinders Realschule Hörde ein Konzert stattfinden – mit den Professoren Elena Margolina-Hait (Klavier), Alexander Gebert (Cello) und Alexander Ostrovski (Geige).

Die ukrainischen Geigenschüler bereiten als kleines Streichorchester ein musikalisches Dankeschön für die Unterstützer vor. In den Ferien stellt dann Schulleiter Jörg Skubinn die Räume der Schule für die Meisterkurse mit den begabten Schülern und Studenten aus der Ukraine zur Verfügung

  • Wer bereit ist, junge ukrainische Musiker und ihre familiären Begleiter bei sich aufzunehmen, kann sich bei Alexander Ostrovski melden. Kontaktdaten online unter phoenix-musikakademie.de
  • Spenden werden gerne entgegengenommen an Phoenix Musik e.V., IBAN DE69 4405 0199 0691 0037 01 bei der Sparkasse Dortmund, Zweck: Unterstützung ukrainischer Musikschüler/Studenten