Christian Rehtanz hat eine Einschätzung zur Sicherheit des Stromnetztes abgegeben.

Christian Rehtanz hat eine Einschätzung zur Sicherheit des Stromnetzes abgegeben. © dpa, Schmale / Montage: Pietsch

Anschläge auf kritische Infrastruktur – „Das wäre extrem hoher Aufwand“, sagt der Experte

rnWie sicher sind Stromnetz und Co.?

Die Sabotage an der Bahn hat Fragen zur Sicherheit kritischer Infrastruktur aufgeworfen. Wie steht es um die Netze in Dortmund? Wie könnte ein Angriff aussehen? Fachleute geben Antworten.

Dortmund

, 12.10.2022, 04:05 Uhr

Am Samstag, 8. Oktober, haben Unbekannte - vermutlich unter Nutzung von Fachwissen - die Deutsche Bahn sabotiert. Sie haben an zwei Orten Kommunikationskabel durchtrennt und so den Bahnverkehr in mehreren Bundesländern stundenlang lahmgelegt. Der Vorfall hat Sorge um die Sicherheit kritischer Infrastruktur aufkommen lassen - auch in Dortmund.

Könnte die Bahn in Dortmund auch zum Ziel werden? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht. Ein Bahnsprecher betont die enge Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, will sich aber aus Sicherheitsgründen nicht zu Details äußern. Theoretisch denkbar wäre aber auch eine Sabotage in Dortmund, denn: Eine lückenlose Überwachung der 34.000 Kilometer Streckennetz der Bahn sei nicht umsetzbar, so der Bahnsprecher. Doch das Schienennetz ist nicht die einzige kritische Infrastruktur in Dortmund.

Dortmunder Unternehmen versorgt Millionen Menschen mit Strom

Auch das Stromnetz ist immer wieder Gegenstand von Sicherheitsüberlegungen. Aufgebaut ist es in verschiedenen Ebenen, von Stromautobahnen bis zum Verteilernetz auf Straßenebene. Das europäische Stromnetz ist zudem über Staatsgrenzen hinaus eng verbunden.

Ein Betreiber von Stromautobahnen sitzt in Dortmund. Das Unternehmen Amprion betreibt das zweitgrößte Hochspannungsnetz in Deutschland. Rund 11.000 Kilometer Stromkreislänge versorgen Millionen Menschen in sieben Bundesländern.

Das Unternehmen Amprion ist der zweitgrößte Betreiber von Hochspannungsnetzten in Deutschland und sitzt auf Phoenix-West.

Das Unternehmen Amprion ist der zweitgrößte Betreiber von Hochspannungsnetzten in Deutschland und sitzt auf Phoenix-West. © Archiv

Doch auch bei Amprion hält man sich aus Sicherheitsgründen mit Konkretem zurück: „Als Betreiber kritischer Infrastrukturen nehmen wir die Gefahr von Angriffen auf unsere physischen und digitalen Systeme und Anlagen grundsätzlich sehr ernst“, so eine Sprecherin. Sie betont ebenfalls die enge Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden. „Um eben jene Systeme und Infrastrukturen bestmöglich zu schützen, machen wir grundsätzlich keine Angaben zu den von uns ergriffenen Sicherheitsvorkehrungen“, so die Sprecherin weiter.

Stromtrassen lassen sich schwer schützen

Mehr zur Sicherheit des Stromnetzes sagen, kann Christian Rehtanz, Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund. „Man kann an zwei Stellen angreifen: Die Primärtechnik - bei der Bahn wären es die Gleise, beim Stromnetz sind es große Stromleitungen und Schaltanlagen - oder die Sekundärtechnik: die Überwachungs- und Steuerungssysteme.“

Grundsätzlich seien Stromtrassen schwer zu schützen. „Wenn wir einen Strommast draußen auf dem Acker sehen, ist der vollständig ungeschützt. Und wenn den jemand zum Beispiel durch eine Sprengung zum Umfallen bringt, ist die Stromleitung natürlich gestört.“

Jetzt lesen

Eine einzelne Störung reiche aber niemals aus, um das ganze System in die Knie zu zwingen. „Es bräuchte eine Kombination aus vielen Sabotagen an neuralgischen Punkten. Dafür braucht man aber Expertenwissen.“

Steuerungsinfrastruktur ist vom Internet abgekoppelt

Leitwarten ließen sich theoretisch auch ohne physische Zerstörung sabotieren. Ein einfacher Hack, womöglich noch aus einem anderen Staat heraus ausgeführt, reicht dafür aber nicht. „Die großen Leitwarten sind in einem eigenen Kommunikationsnetz ohne Anbindung an das Internet“, so Christian Rehtanz.

Professor Dr.-Ing. Christian Rehtanz hat den Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund inne.

Professor Dr.-Ing. Christian Rehtanz hat den Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund inne. © Felix Schmale

In Expertenkreisen diskutiert werden Möglichkeiten, über Gerätehersteller Software einzuspielen, die dann eine Angriffsmöglichkeit eröffnen - mit Zeitverzug, wenn sie in Leitstellen eingesetzt wird: „Das hat es aber bisher noch nicht gegeben.“

Dortmunder Netzbetreiber will eigene Handlungsfähigkeit sicherstellen

Doch nicht nur die oberste Ebene des Stromnetzes könnte ein Angriffsziel sein. Auch in Dortmunds Straßen verlaufen Kabel, die Menschen mit Strom versorgen. Die DEW-Tochter Donetz betreibt ein 7000 Kilometer langes Stromnetz. Hinzu kommen ein 2100 Kilometer langes Wasserleitungsnetz, ein 1900 Kilometer langes Gasnetz in Dortmund und Herdecke und 50 Kilometer Fernwärmeleitungen.

Gabi Dobovisek ist Sprecherin des Dortmunder Netzbetreibers Donetz.

Gabi Dobovisek ist Sprecherin des Dortmunder Netzbetreibers Donetz. © DEW21

„DEW und Donetz betreiben besondere Vorsorge für den Schutz ihrer Anlagen“, so eine Sprecherin. Die technischen Anlagen seien mehrfach geschützt, sodass die Versorgung bestmöglich sichergestellt werden könne. Ziel sei es, in allen Netzsparten die eigene Handlungsfähigkeit organisatorisch, personell und technisch zu sichern.

Jetzt lesen

Ein besonderes Augenmerk liege auch auf Fragen der IT-Sicherheit. Seit 2018 werde ein zertifiziertes Informations-Sicherheitssystem betrieben, das von einer externen Prüfstelle regelmäßig unter die Lupe genommen werde. Zudem werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch Schulungen und Trainings immer wieder auf neuesten Stand gebracht.

Europäisches Netz wurde für Sicherheit geschaffen

Ließe sich Dortmund aus dem Netz herausschneiden? „Dortmund bekommt seine elektrische Energie aus dem Umland“, erklärt Professor Rehtanz. „Wenn wir die nächsthöhere Netzebene betrachten, die einen Ring um Dortmund bildet, dann müsste man wirklich mehrere Einspeisepunkte gleichzeitig massivst stören. Das ist ein extrem hoher Aufwand, nur um eine Stadt dunkel zu schalten. Das ist höchst unwahrscheinlich.“

Jetzt lesen

Insgesamt sei das deutsche Stromnetz sehr sicher, betont Christian Rehtanz. „Der europäische Stromverbund ist überhaupt erst aufgebaut worden, um gegenseitige Sicherheit herzustellen. Die Netzte sind so ausgelegt, dass immer mehrere Netze ausfallen könnten und das passiert auch permanent - irgendwo schlägt ein Blitz ein oder es werden Wartungsarbeiten durchgeführt.“

Im Zuge der Energiewende werde das Netz zudem weiter ausgebaut, um diese Robustheit auch zu erhalten.

Schlagworte: