Ali Ibrahim lebt seit über sieben Jahren in Dortmund. Er möchte gerne deutscher Staatsbürger werden. Der Weg dorthin erweist sich für ihn als äußerst kompliziert.

Ali Ibrahim lebt seit über sieben Jahren in Dortmund. Er möchte gerne deutscher Staatsbürger werden. Der Weg dorthin erweist sich für ihn als äußerst kompliziert. © Felix Guth

Ali (27) möchte Deutscher werden – Einbürgerung in Dortmund wird zum Frust-Erlebnis

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Ali Ibrahim aus Syrien lebt seit Jahren in Dortmund, spricht Deutsch, hat einen guten Job, unbefristet. Vor zwei Jahren hat er entschieden, sich einbürgern zu lassen. Der Beginn einer Behörden-Odyssee, die noch heute andauert.

Dortmund

, 05.07.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Wenn Ali Ibrahim in den vergangenen zwei Jahren etwas gelernt hat, dann ist es Warten. Auf E-Mails, Anrufe, Briefe oder einfach darauf, dass jemand ans Telefon geht.

Seit über zwei Jahren, so berichtet er, versuche er, seine Einbürgerung als Deutscher auf den Weg zu bringen. Er beschreibt eine zähe Kommunikation mit den zuständigen Behörden seit Juli 2020 und lange Wartezeiten bei wichtigen Fragen.

Die Recherche dieser Redaktion ergibt kein Fehlverhalten, das der Dortmunder Ausländerbehörde direkt zuzuordnen ist. Aber sie zeigt exemplarisch, wie komplex der Prozess einer Einbürgerung ist. Wie stark beansprucht die Behörden sind. Und wie belastend das für die Betroffenen ist.

Aus Aleppo nach Dortmund

Der Reihe nach: Der 27-Jährige stammt aus Aleppo in Syrien. Ende 2014 flieht er vor dem Krieg in seiner Heimat nach Deutschland. Im Januar 2015 kommt er in Dortmund an.

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„Ich kenne die Straßen in Dortmund mittlerweile besser als die in Aleppo“, sagt Ali Ibrahim. Dort habe er nur Erinnerungen an seine Schulzeit. Hier ist er erwachsen geworden. Er findet Freunde und erkundet bei täglichen Spaziergängen viele Winkel der Stadt.

Er macht einen Schritt nach dem anderen, um beruflich in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Direkt nach seiner Ankunft startet er mit Sprachkursen. Er absolviert neben der Schule ein Praktikum im Informatik-Bereich.

Über Praktika und Ausbildung zum unbefristeten Arbeitsvertrag

Mit weiteren Praktika qualifiziert er sich bei der Informatik-Firma Comline im Indupark für eine Ausbildung. Diese schließt er 2017 erfolgreich ab und wird danach dort angestellt. Seit 2021 hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag und programmiert Anwendungen für den Finanzsektor.

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Ali Ibrahim fühlt sich als das, was gemeinhin als „integriert“ bezeichnet wird. Aber er kann trotz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht das Leben führen, das gleichaltrige Deutsche führen können.

Wollte er beispielsweise den Wohnort wechseln, müsste er sich bei einer neuen Ausländerbehörde melden. „Die gesamte Akte müsste mitgenommen werden“, sagt Ali Ibrahim. Das schränke ihn ein, auch, was die Planung seiner Zukunft angehe.

Einbürgerung nach acht Jahren - aber es gibt auch Ausnahmen

Deshalb versucht er seit 2020 von einem im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) verankerten Recht Gebrauch zu machen: Die deutsche Staatsbürgerschaft kann laut Gesetz frühestens nach acht Jahren Aufenthalt im Land beantragt werden. Allerdings kann diese Zeit auf sechs Jahre verkürzt werden.

Dafür müssen „besondere Integrationsleistungen“ vorliegen, „insbesondere beim Nachweis von besonderen Sprachkenntnissen oder bei besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder bürgerschaftlichem Engagement“, so heißt es im Gesetzestext.

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Im Sommer 2020 habe er sich erstmals um einen Beratungstermin bemüht. Damals bekommt er die Antwort, „dass aufgrund der sehr knappen Kapazitäten“ keine Termin verfügbar seien.

Nach einem erneuten Versuch erhält er eine Beratung im März 2021. In diesem habe die Sachbearbeiterin die Einschätzung abgegeben, dass sie sein Sprachzeugnis auf dem Niveau B2 nicht akzeptiere, weil sich mittlerweile die Kriterien verändert hätten.

Obwohl er schon vier Jahre lang im Beruf nachgewiesen hatte, dass die Verständigung keine Probleme bereitet, holt er den Sprachkurs nach. Seinen offiziellen Antrag auf Einbürgerung stellt er im September 2021.

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Er erhält einen Termin für Februar 2022, also sechs Monate später. „Ich kenne eine Reihe anderer Leute, die nur einen befristeten Arbeitsvertrag haben, bei denen die gesamte Einbürgerung nur ein halbes Jahr gedauert hat“, sagt Ali Ibrahim. Immer wieder habe er versucht, Informationen zum Stand seines Verfahrens zu bekommen. Nur selten habe er jemanden erreicht.

Er erfüllt die Voraussetzungen für eine frühere Einbürgerung

Beim lange ersehnten Vorsprachetermin legt er nach Angaben der Stadt Dortmund die erforderlichen Unterlagen vor. „Demzufolge verkürzen sich die zeitlichen Voraussetzungen für seine Einbürgerung auf einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet von sechs Jahren“, sagt Stadtsprecher Maximilian Löchter zu dem Fall.

Allerdings hält der Termin die nächste unangenehme Überraschung bereit. Ali Ibrahim legt eine Geburtsurkunde vor. Aus dieser wird etwas deutlich, was bei keinem seiner Kontakte mit deutschen Behörden vorher aufgefallen war: Sein Nachname enthält zwei Buchstaben mehr, als auf seinen deutschen Dokumenten angegeben.

Übersetzungsfehler zwischen Geburtsurkunde und Ausweis

Durch einen Übersetzungsfehler wurde aus Ali Alibrahim nur Ali Ibrahim, ohne den im arabischen häufigen Zusatz „al“ (übersetzt etwa „der“). Stadtsprecher Löchter sagt: „Sein Einbürgerungsantrag, sein Aufenthaltstitel und alle anderen hier vorgelegten Unterlagen sind bisher auf den Namen Ali Ibrahim ausgestellt.“

Daher sei er am 17.2. dazu aufgefordert worden, seine abweichende Geburtsurkunde bei der Ausländerbehörde zur Prüfung der Personenidentität vorzulegen und seine Aufenthaltsdokumente ändern zu lassen.

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An dieser Stelle unterscheiden sich die Versionen von Verwaltung und Antragsteller. Ali Ibrahim gibt an, dass ihm zugesagt worden sei, dass diese Änderung nicht seine Aufgabe sei. So habe er erst im Mai erfahren, dass er verantwortlich sei. Mittlerweile ist der Fehler behoben, im August gibt es einen neuen Termin.

Stadt sieht keine andere Möglichkeit und kein eigenes Verschulden

Maximilian Löchter stellt die Position der Stadt Dortmund klar: „Die Verzögerungen sind nicht der Verfahrensführung der Einbürgerungsstelle geschuldet, sondern vielmehr den vorgelegten und nicht übereinstimmenden Unterlagen zur Person und den Aufenthaltsdokumenten in der Namensführung zum Familiennamen.“

Erst, wenn die Namensabweichung endgültig geklärt ist, könne das Einbürgerungsverfahren weitergehen.

Für Ali Ibrahim bedeutet das weitere Wartezeit wegen etwas, das er nicht selbst verschuldet hat. „Ich wünsche mir einfach nur, dass es eine Entscheidung gibt. Selbst eine Ablehnung wäre mir mittlerweile lieber als die Unsicherheit“, sagt der 27-Jährige.

Einbürgerungsbehörde hat mehr Anträge als bearbeitet werden können

Generell übersteigt die Nachfrage an Terminen zur Antragstellung auf Einbürgerung das aktuelle Terminangebot bei der städtischen Ausländerbehörde deutlich. „Entsprechend entstehen hier längere Wartezeiten“, sagt Maximilian Löchter. Für 2022 sind alle Termine für eine Antragstellung bereits ausgebucht.

Bei einem „reibungslosen Antragsprozess“ liege die Bearbeitungszeit zwischen Antrag und Einbürgerung derzeit zwischen sechs und neun Monaten.

Die unterschiedliche Bearbeitungsdauer erklärt Maximilian Löchter durch den Kontakt mit Behörden im Herkunftsland oder hiesigen Sicherheitsbehörden sowie durch die formalen Vorgaben an die Antragstellenden, die erfüllt werden müssen. „Des Weiteren kann es auch in der Einbürgerungsbehörde durch personelle Engpässe zu einer längeren Bearbeitungszeit kommen“, sagt Löchter.

Es werde aktuell geprüft, wie die personelle Ausstattung der Behörde verbessert werden könne.

Im Jahr 2021 wurden in Dortmund 1.351 Personen eingebürgert. 2022 waren es bis zum 14. Juni 678 Personen. Aktuell gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung 2.150 laufende Einbürgerungsverfahren.

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