Förderung des öffentlichen Nahverkehrs. Fahrradstraßen und mehr Platz für Fußgänger - unter dem Titel Verkehrswende werden solche Projekte aktuell in Dortmunder Politik und Verwaltung heiß diskutiert. Für Dr. Michael Frehn ist das alles andere als Neuland. Vor genau 30 Jahren gründete der studierte Raumplaner das Büro Planersocietät.

Den Anfang machte er mit einem kleinen Team im Union-Gewerbehof an der Huckarder Straße. Inzwischen residiert das Büro mit mehr als 80 Beschäftigten auf zwei Etagen in einem schicken Büro-Neubau auf Phoenix-West und unterhält Standorte in Karlsruhe, Bremen und Hamburg. Die Planersocietät zählt heute zu den führenden und renommiertesten Verkehrsplanungsbüros in Deutschland. „Wir stehen von Anfang an für eine nachhaltige Mobilität und für eine echte Mobilitäts- und Verkehrswende“, sagt Gründer Michael Frehn.
Die Planer haben Verkehrskonzepte für Städte in ganz Deutschland von Hamburg über Aachen und Wiesbaden bis Stuttgart entwickelt, beraten Verwaltungen und arbeiten mit an Forschungsprojekten und Modellvorhaben von Bund und Ländern.
Auch in Dortmund sind die Stadt- und Verkehrsplaner natürlich aktiv. Sie arbeiten etwa mit am Masterplan Mobilität 2030, an den städtischen Velorouten und am Mobilitätskonzept für das Hafenquartier. Aktuell kümmert sich die Planersocietät im Auftrag der Stadt Dortmund gemeinsam mit den Mobilitätsexperten von Goudappel aus den Niederlanden um die Umsetzung eines neuen ÖPNV-Konzepts im Masterplan. Sie sollen bis Mitte 2025 konkrete Maßnahmen entwickeln, aber auch die Zukunftsstrategie für einen besseren öffentlichen Nahverkehr in Dortmund erarbeiten - ausdrücklich auch über die Stadtgrenzen hinaus und im Verbund mit anderen Verkehrsmitteln.
Masterplan für Radschnellweg
Schon 2014 war die Planersocietät an der Machbarkeitsstudie zum Radschnellweg Ruhr (RS1) beteiligt. Doch das Vorzeigeprojekt für die Verkehrswende im Ruhrgebiet sorgt bei Michael Frehn aktuell eher für Unverständnis. Denn auch zehn Jahre nach Vorlage des Masterplans ist der RS1 bis auf kleine Teilstücke kaum vorangekommen. In Dortmund gibt es gerade mal rund einen Kilometer Fahrradstraße im Kreuzviertel als erstes Teilstück des RS1, der hier insgesamt 24 Kilometer lang werden soll.

Auch wenn Michael Frehn aus eigener Erfahrung die Komplexität von Planung kennt, ärgert er sich über die langsame Umsetzung. Ein Problem sieht er nicht nur in bürokratischen Hürden wie Vorgaben des Landes, sondern auch darin, wie zögerlich die Verwaltung das Projekt in den letzten Jahren angegangen ist.
Fehlendes Personal war dort bislang immer die Entschuldigung dafür, dass Planung und Bau des Radschnellwegs im Stadtgebiet nur im Schneckentempo vorankommen ist. Inzwischen wurde in Dortmund ein Verkehrswende-Büro mit frischen, neuen Mitarbeitern als Schnittstelle zwischen Planungs- und Tiefbauamt eingerichtet. Dort wird auch am nächsten Teilstück durch die Sonnenstraße gearbeitet. Richtig Tempo scheint das Projekt damit aber immer noch nicht aufgenommen zu haben. „Wir müssen schneller zur Umsetzung kommen, wenn wir die Mobilitätswende wirklich ernst meinen“, sagt Michael Frehn.
Weiterbau ab 2026
Mehr als zwei Jahre nach der Freigabe des ersten Teilstücks in der Große Heimstraße und Teile der Sonnenstraße im Kreuzviertel wurde Ende Januar der Vorentwurf für das nächste Teilstück des RS1 in Dortmund im weiteren Verlauf der Sonnenstraße bis zur Chemnitzer Straße vorgestellt. Bis zum Baubeginn folgt mit Entwurfs- und Ausführungsplanung aber noch einmal ein jahrelanger Prozess. Frühestens 2026, räumen die städtischen Verkehrsplaner ein, ist deshalb mit einem Weiterbau zu rechnen. Und dann fehlen noch immer mehr als 20 Kilometer RS1 im Stadtgebiet.
Dieses Schneckentempo bei der Umsetzung des zehn Jahre alten Konzepts ärgert auch Michael Frehn. Einen Grund sieht er unter anderem auch in der vorherrschenden Planungskultur in Deutschland. „Verwaltung sieht oftmals nur die jeweiligen Teilbedenken und Probleme. Eigentlich müsste sich Verwaltung heute eher als ‚Möglichmacher‘ verstehen, wie kann die Vision umgesetzt und wie kann gemeinsam eine Lösung entwickelt werden“, stellt er fest.
Das führe dazu, dass sich die Planung immer wieder an Detailproblemen, Einzelnachweisen oder wegfallenden Parkplätzen festbeißt. Bei allem Verständnis für die Komplexität der Detaillösungen wünschen sich die Experten der Planersocietät mehr Schnelligkeit und Mut bei der Umsetzung von Verkehrsprojekten.
Temporäre Lösungen sinnvoll
Ein weiteres Beispiel ist für Michael Frehn die wohl noch anhaltende Weigerung der Dortmunder Verwaltung, temporäre Lösungen etwa in Form von Pop-up-Radwegen zu schaffen, um den Radverkehr voranzubringen - etwa am Heiligen Weg. Dort gibt es aktuell keinen Radweg, weil die bisherige Breite des Schutzstreifens nicht mehr den Normen entsprach. Seit mehr als drei Jahren gibt es die Überlegung, eine Autospur für den Radverkehr umzuwidmen.

Die Verwaltung kündigte schon Ende 2020 an, diese Lösung durch ein „digitales Verkehrsmodell“ prüfen zu lassen. Sichtbar passiert ist seitdem nichts. „Die Zahlen zum Autoverkehr sind in Dortmund, aber auch anderswo, seit einigen Jahren rückläufig“, betont Michael Frehn, aber es werde kaum mehr Platz für den wachsenden Radverkehr geschaffen.
Dabei sieht die Straßenverkehrsordnung ausdrücklich Verkehrsversuche mit temporären Lösungen vor, betont Michael Frehn. Dazu gehöre auch eine transparente Darstellung der Wirkungen sowie eine offene Fehlerkultur. So kann man gut korrigieren. Auf der anderen Seite könne man durch temporäre Maßnahmen die Öffentlichkeit vom Sinn solcher Verkehrsprojekte überzeugen. Nur Mut ist dafür nötig.
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