Zumindest für kurze Zeit machte die Fahrradstraße im Kreuzviertel einmal ihrem Namen alle Ehre. Denn es waren tatsächlich einmal mehr Fahrräder als Autos unterwegs. Grund war eine Demonstration des ADFC auf dem kleinen Teilstück des Radschnellwegs Ruhr (RS1) auf der Sonnenstraße.
„Macht diesen Radweg endlich schnell“, steht auf dem Transparent. Das Bild zeigt eine Schnecke, die über die Straße kriecht. Das Motiv kam schon zum zweiten Mal zum Einsatz - immer zum Jahrestag der Eröffnung des ersten Teilstücks des RS1, das seit 1. Dezember 2021 als Fahrradstraße von der Große-Heim-Straße in die Sonnenstraße führt. „Wird in dem Tempo weitergearbeitet, ist mit einer Fertigstellung des RS1 in Dortmund voraussichtlich im Jahr 2113 zu rechnen“, sagte der ADFC-Vorsitzende Werner Blanke.

Ganz so lange wird es wohl nicht dauern. Klar ist aber, dass allein bis zum Baubeginn für den nächsten Abschnitt des RS1 durch die Sonnenstraße in Richtung Osten noch einige Jahre vergehen werden. Anfang nächsten Jahres werde man den Bürgerinnen und Bürgern den Vorentwurf für den zweiten Bauabschnitt vorstellen, kündigte Tobias Frank als Leiter des neu eingerichteten Verkehrswende-Büros der Stadt auf Anfrage unserer Redaktion an.
Weiterbau frühestens 2026
Nach dem Vorentwurf folgen noch Entwurfs- und Ausführungsplanung - und damit noch einmal ein jahrelanger Prozess. Vor 2026, räumt Frank ein, ist deshalb wohl nicht mit einem Baustart zu rechnen. Zum Vergleich: Zwischen dem Beschluss über den Vorentwurf und dem Baubeginn für den ersten Abschnitt sind dreieinhalb Jahre vergangen - dann wäre man für Abschnitt 2 sogar im Jahr 2027,
Und es gibt noch eine schlechte Nachricht für Radfahrerinnen und Radfahrer. „Der nächste Bauabschnitt reicht nicht bis zur Ruhrallee, sondern erst einmal nur bis zur Chemnitzer Straße“, kündigt Tobias Frank an. Denn es ist unklar, ob das große Ziel, die Radtrasse auf einer Brücke neben den S-Bahn-Gleisen über Hohe Straße, Ruhrallee und Märkische Straße zu führen, umsetzbar ist. Für die Überquerung der Hohen Straße soll es deshalb erst einmal eine Ampelregelung geben.

Dass die Planungen sich so lange hinziehen, hängt aber nicht nur von solchen Unwägbarkeiten ab. Es gibt auch eine vergleichsweise neue bürokratische Hürde. „Wir müssen für alle Teilbereiche ein Linienbestimmungsverfahren durchführen und mit dem Land abstimmen“, erklärt Frank. Das betrifft auch die Abschnitte auf Dortmunder Stadtgebiet, über deren Verlauf vor Ort schon lange entschieden ist.
Neue gesetzliche Basis
Hintergrund ist eine neue gesetzliche Regelung. Denn die Zuständigkeit für den RS1 ist vom Regionalverband Ruhr (RVR) auf das Land übergegangen. Mit der Änderung des Straßen- und Wege-Gesetzes im Jahr 2016 wurden die Radschnellwege den Landesstraßen gleichgesetzt, was für den RS1 ein Linienbestimmungsverfahren erfordert. Dabei müssen verschiedene Varianten bewertet, Umweltauswirkungen untersucht und relevante Organisationen beteiligt werden. Das beschäftigt die aktuell drei Planer, die inzwischen im Verkehrswende-Büro mit dem RS1 beschäftigt sind, vollauf.
Alle Planungen müssen außerdem mit dem Land abgestimmt werden. Dafür sei eine Frist von drei Monaten gesetzt, berichtet Tobias Frank. Federführend für weite Strecken ist der Landesbetrieb Straßen.NRW, wobei die Stadt Dortmund wie auch andere Kommunen eine Vereinbarung getroffen haben, dass sie die Planung der freien Strecken, für die Straßen.NRW direkt zuständig ist, mit übernehmen. In Dortmund gilt das für 17 von insgesamt 24 Kilometer RS1-Strecke.
Dass damit die ohnehin schon zähen Planungen des Radschnellwegs weiter zurückgeworfen werden - ebenso wie für andere Radschnellweg-Vorhaben in NRW - sieht man offenbar auch im zuständigen NRW-Verkehrsministerium so. Am Sonntag nahm NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sogar an einer Demo des ADFC bei Köln teil. „Wenn man 2013 Radschnellwege konzipiert und zehn Jahre später dann ansieht, was umgesetzt ist, dann ist das, um es diplomatisch zu formulieren, nicht zufriedenstellend. Das muss sich ändern, das muss besser werden“, sagte Krischer.
Neue Strukturen im Ministerium
Auch das Ministerium räumt auf Anfrage ein, dass man in NRW „bei den Radschnellweg-Verbindungen, die oftmals durch einzelne Kommunen geplant werden, aufgrund der starken Verzögerungen in der Vergangenheit derzeit nicht im Plan“ liege. „Dass sich die Realisierung dieser Schnellwege und insbesondere des RS1 derart in die Länge zieht, offenbart die Probleme beim Bau und bei der Planung solcher Infrastrukturmaßnahmen. Wir haben deshalb seit der Regierungsübernahme neue Prioritäten gesetzt und zeitgemäßere Strukturen geschaffen“, erklärt Krischer.

So seien innerhalb des Verkehrsministerium eine neue Gruppe „Radverkehr, Verkehrssicherheit“ und eine abteilungsübergreifende „AG Radwege“ eingerichtet worden, auch um die Arbeit mit Verbänden und Kommunen zu koordinieren. Auch bei Straßen.NRW sei ein Sachgebiet Radverkehr eingerichtet, in dem sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Planungen von Radschnellverbindungen und Radwegen konzentrieren.
Nicht zuletzt werde das Arbeitsprogramm für den Ausbau des Radschnellwege-Netzes in NRW gerade überarbeitet, kündigt das Ministerium an. Bei der Planung des nächsten Bauabschnitts für den RS1 in Dortmund dürfte das aber noch nicht helfen.
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