Dortmunder Abdullohi Shamsiddin in Tadschikistan zu Haftstrafe verurteilt „Sieben Jahre für nichts“

Abdullohi Shamsiddin in Tadschikistan zu langer Haftstrafe verurteilt
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Im Fall des tadschikischen Staatsbürgers Abdullohi Shamsiddin gibt es eine neue Entwicklung. Sie ist aus Sicht des Mannes, seiner Familie und seiner Unterstützer in Deutschland dramatisch.

Nach Recherchen dieser Redaktion ist der 33-Jährige am Donnerstag (30.3.) durch ein Gericht in der Stadt Duschanbe zu einer Haftstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.

„Sieben Jahre für nichts“, sagt dazu Cornelia Suhan. Seit Monaten leisten sie und andere Dortmunder „Solidaritätsarbeit“ für Shamsiddin. Zuletzt gab es eine Reihe von Demos und Mahnwachen vor dem Auswärtigen Amt und der tadschikischen Botschaft in Berlin.

Die Dortmunder Ausländerbehörde hatte im Dezember die Abschiebung des zweifachen Vaters in Gang gesetzt. Rechtliche Grundlage dafür waren abgelehnte Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Shamsiddin hatte unter falscher Identität gelebt und ist vorbestraft. Er kam 2009 nach Deutschland.

Abschiebung trotz Warnung

Abschließend hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einen Eilantrag auf einen Schutz vor Abschiebung aufgrund drohender politischer Verfolgung Anfang Januar abgelehnt.

Von Anfang an gab es Kritik an dem Vorgang. Der Unterstützerkreis hatte immer wieder Befürchtungen geäußert. Viele davon sind eingetreten:

Nach seiner Landung am Flughafen hatte sich Shamsiddins Spur zunächst für 13 Tage verloren, ehe es im Februar Hinweise auf eine Inhaftierung gab.

Mittlerweile scheint sicher, dass der Sohn eines führenden Mitglieds der in der Tadschikistan verbotenen Partei IPWT, die vergangenen zwei Monate nach der Abschiebung in Isolationshaft verbracht hat.

Haft für Regierungskritik

Verurteilt wurde Abdullohi Shamsiddin nach Informationen der Unterstützer und der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) auf Grundlage von Informationen auf seinem Mobiltelefon.

Er erhielt sieben Jahre Haft für das Liken von regierungskritischen Social-Media-Posts, für Fotos von Demonstrationen in Deutschland und seine Mitgliedschaft in der IPWT.

Hugh Williamson, HRW-Direktor für Europa und Zentralasien“ spricht nach aktueller Informationslage von einem „Scheinprozess“, wie er in dem repressiv geführten Staat „leider normal“ sei.

Die Menschenrechtslage in dem Land, das seit fast 30 Jahre von Emomalij Rahmon regiert wird, sei auf vielen Ebenen schlecht, etwa was Pressefreiheit, Meinungsfreiheit oder unabhängige Justiz angeht.

„Fehler“ deutscher Behörden

Die Entscheidung der deutschen Behörden, trotz der Warnungen die Abschiebung zu vollziehen, nennt Williamson einen „Fehler“.

Wegen der nachgewiesen schlechten Menschenrechtssituation seien Abschiebungen nach Tadschikistan oder andere ehemalige Sowjetrepubliken in Zentralasien nicht häufig. „Es ist ein Ausnahme-Fall“, sagt Hugh Williamson.

Es gibt mehrere Gerichtsurteile, in denen tadschikischen Staatsbürgern politisches Asyl in Deutschland gewährt wurde, etwa eines des Verwaltungsgerichts Köln im Jahr 2020 (Aktenzeichen 24 K 11342/17.A).

Der anfangs noch als lokal wahrgenommene Dortmunder Fall zieht immer größere Kreise. Mittlerweile haben überregionale Medien von der FAZ bis zum Magazin Vice über Abdullohi Shamsiddin berichtet. Internationale Menschenrechtsorganisationen wie HRW oder Amnesty International rufen zu Aktivität auf.

Auswärtiges Amt vor Ort

Der Bundesregierung liegt eine kleine Anfrage der Bundestags-Fraktion von Die Linke vor.

Das Auswärtige Amt unter der Leitung von Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ist ebenfalls involviert.

Das Geschehen im zentralen Gerichtsgebäude in der Hauptstadt Duschanbe wurde von einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Tadschikistan beobachtet.

„Spezifische Angaben zu den beobachteten Prozessen können wir aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und des Schutzes menschenrechtlicher Belange der Betroffenen nicht machen“, heißt es in einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage dieser Redaktion.

„Herausgehobene Einzelfälle“

Solche Prozessbeobachtungen gebe es in der Regel „im Rahmen der konsularischen Betreuung für deutsche Staatsangehörige“.

„Daneben beobachten unsere Kolleginnen und Kollegen zum Teil herausgehobenen Einzelfälle aus dem Bereich Menschenrechte oder Fälle mit einem Deutschlandbezug – so auch den genannten Fall in Tadschikistan“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.

Abdullohi Shamsiddins Ehefrau Sumaya bei einer Demonstration in Dortmund Anfang 2023.
Abdullohi Shamsiddins Ehefrau Sumaya bei einer Demonstration in Dortmund Anfang 2023. © Lukas Wittland (Archiv)

Erkenntnisse aus Prozessbeobachtungen flössen in die „Asyllageberichte“ ein, „die den Innenbehörden und Gerichten als Teil der Entscheidungsgrundlage in Asylverfahren bereitgestellt wird.“

Im Fall von Abdullohi Shamsiddin ist derzeit unklar, ob solche Lageberichte aus Tadschikistan bei der Bewertung zurate gezogen worden sind. „Die Behörden haben alle Warnungen in den Wind geschlagen“, sagt Cornelia Suhan.

Protest geht weiter

Sie und viele andere sind entschlossen, trotz schwindender Kräfte weiter Öffentlichkeit zu erzeugen. So soll es etwa weitere Mahnwachen vor der Dortmunder Ausländerbehörde geben.

Hugh Williamson von HRW sagt: „Es macht einen Unterschied, ob es in einem Fall öffentlichen Druck gibt.“

Das Auswärtige Amt soll weiter auf eine Freilassung oder Verkürzung der Strafe hinwirken, lautet eine Forderung der Organisation sowie von Aktivistinnen und Aktivisten. Der Ausgang ist offen.

Hugh Williamson sagt: „Wir leiten die Ergebnisse unserer Arbeit an Diplomaten und an die Regierung weiter, damit es zukünftig den Umgang mit solchen Fällen beeinflusst.“

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