NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes: „Es ist in der Politik ganz schwierig, Dinge einfach mal zu beerdigen.“

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A45-Sperrung für 10 Jahre? – „Bin sicher, dass das schneller geht“

rnMinisterin Brandes im Interview

Sie ist seit Ende Oktober NRW-Verkehrsministerin und tritt für die CDU als Landtagskandidatin in Dortmund an: Ina Brandes (44) gilt als pragmatisch. Wie will sie Probleme in Dortmund angehen?

Dortmund

, 03.02.2022, 15:11 Uhr

Frau Brandes, Sie treten als frisch gebackene NRW-Verkehrsministerin für die CDU bei der Landtagswahl im Mai im Dortmunder Wahlkreis 3 an. Sie sind in Dortmund geboren, aber in Holzminden aufgewachsen. Haben Sie denn noch Bezüge nach Dortmund?

In meiner Kindheit war ich sehr häufig in Dortmund. Später dann zum Beispiel zum Schlittschuhlaufen und der Messe „Hund und Pferd“ in der Westfalenhalle. Und als Fußballfan natürlich beim BVB.

Zurzeit bin ich jede Woche mehrfach in Dortmund, strikt getrennt mal als Verkehrsministerin und mal als Landtagskandidatin. Mir ist wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, vor allem über Straßen, Radwege, Bus- und Bahnverbindungen – und was wir da noch besser machen können.

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Landespolitisch hat Dortmund eine große Bedeutung: eine sehr lebendige, dynamische Stadt im Wandel mit einer starken Wirtschaft, anspruchsvoller Kultur und ganz viel Grün. Hier schlägt das Herz Westfalens. Für mich war klar: Wenn ich für den Landtag kandidiere, dann in Dortmund.

Ina Brandes: „Landespolitisch hat Dortmund für mich eine große Bedeutung.“

Ina Brandes: „Landespolitisch hat Dortmund für mich eine große Bedeutung.“ © Schaper

Sie kommen aus der freien Wirtschaft. Wie kommen Sie mit dem Wechsel in die Politik klar?

Politik spielte bei uns zu Hause schon immer eine große Rolle. Mein Großvater war Landtagspräsident und CDU-Fraktionsvorsitzender in Niedersachsen. Dadurch gehörte Politik seit Kindesbeinen zu meinem Alltag. Mit Anfang 20 bin ich in die CDU eingetreten, war im Stadtverbandsvorstand und später im Kreistag in Holzminden. Eine reine Seiteneinsteigerin bin ich also nicht. Als Hendrik Wüst mich gefragt hat, ob ich Verkehrsministerin werden möchte, war das eine große Ehre. Ich habe sofort ja gesagt.

Was war denn die größte Umstellung beim Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik für Sie?

Ich war zehn Jahre lang Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens für Infrastrukturplanung mit 1600 Mitarbeitern. Die größte Umstellung ist das Tempo. In der Wirtschaft werden viele Dinge von einem auf den anderen Tag erledigt. Im Ministerium gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Entscheidungen müssen stärker abgewogen und verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden.

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Ich profitiere davon zu wissen, wie beides funktioniert. Wenn ich als Ministerin mit Vertretern der Wirtschaft spreche, weiß ich aus eigener Erfahrung, was sie antreibt. Und meine Gesprächspartner geben mir das Gefühl: Die versteht uns. Mit der kann man gut zusammenarbeiten. Je mehr Verständnis wir füreinander aufbringen, umso leichter finden wir gute Lösungen. Deshalb fände ich es sehr gut, wenn die Grenze zwischen Wirtschaft und Politik durchlässiger wäre.

Dennoch: Haben Sie mit Ihren Erfahrungen aus der freien Wirtschaft eine Idee, wie man Planungsprozesse beschleunigen könnte, etwa beim Brückenneubau über der A 45?

Ja, ich weiß, wo man beschleunigen kann und wo die Zeit verloren wird. Eine rein politische Diskussion, so wie sie bisher häufig geführt wurde, geht oft an den Realitäten des Alltags von Planern, Genehmigern und Bauunternehmen vorbei. Da kann ich etwas aus meinem beruflichen Hintergrund einbringen.

Auch die Dortmunder Wirtschaft leidet unter der Sperrung der Rahmede-Talbrücke auf der A 45 bei Lüdenscheid. Dauert es wirklich zehn Jahre eine neue Brücke zu bauen, oder kann man das beschleunigen?

Ich bin sicher, dass das schneller geht, wenn wir zum Beispiel auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten. Kein Mensch wird verstehen, dass wir für eine neue Brücke an gleicher Stelle den Eingriff in die Natur erneut untersuchen müssen. Allein das dauert mindestens 18 Monate. Deswegen haben wir ein 10-Punkte-Programm vorgelegt, damit Brücken schneller geplant, genehmigt und gebaut werden können. Darin heißt es unter anderem, dass wir bei Ersatzneubauten wie bei der A 45 auf eine erneute Planfeststellung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten dürfen.

„Die Art und Weise, wie Politik funktioniert, ist mir schon lange vertraut“, sagt Ina Brandes.

„Die Art und Weise, wie Politik funktioniert, ist mir schon lange vertraut“, sagt Ina Brandes. © Schaper

Es war mal von zwei Jahren die Rede.

Das stimmt. Zwei Jahre reine Bauzeit! Vor Baubeginn müssen die Umwelteinflüsse vor Ort untersucht werden, Fledermäuse und Turmfalken umgesiedelt werden, Baustraßen müssen errichtet werden. Ich halte die Einschätzung der zuständigen Autobahngesellschaft des Bundes für nachvollziehbar. Dort geht man von fünf Jahren aus.

Derzeit lässt die Autobahn GmbH überprüfen, ob die Brücke schnell gesprengt werden kann oder ob zum Schutz der angrenzenden Wohnhäuser aufwendig zurückgebaut werden muss. Der Rückbau würde allein eineinhalb Jahre dauern. Wir als Landesregierung machen natürlich Druck, dass in Lüdenscheid so schnell wie möglich eine neue Brücke steht.

Auch anderswo gibt es Sanierungsbedarf bei Brücken. In Dortmund gibt es aus Sicherheitsgründen etwa ein Tempolimit für eine Brücke an der B 54, eine andere von der Brackeler Straße auf die B 236 ist ganz gesperrt. Wann kann man sich denn da Hoffnung auf eine Umsetzung machen?

Es ist insgesamt in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig Geld in die Infrastruktur geflossen. Das sieht man auch an den Investitionen in die Landesstraßen. Die NRW-Koalition hat die Investitionen in Erhalt und Modernisierung der Landesstraßen kontinuierlich erhöht.

Bis 2017 hat Nordrhein-Westfalen nur 100 bis 130 Millionen Euro pro Jahr für die Sanierung der Landesstraßen ausgegeben. Das reicht nicht mal für den Erhalt des aktuellen Bestands. Laut Landesrechnungshof brauchen wir 200 Millionen Euro im Jahr, damit unsere Straßen in gutem Zustand sind. Im aktuellen Haushalt sind 213 Millionen Euro vorgesehen, um unsere Straßen in Schuss zu halten.

Ist das nicht auch ein Problem der Planungskapazitäten?

Das Nadelöhr sind in der Tat die Planungskapazitäten. Denn Planung, Bauwirtschaft und Behörden fischen alle im selben Teich. Alle werben sich gegenseitig die dringend gebrauchten Fachkräfte ab.

Den Mangel bei Planern und Ingenieuren gehen wir offensiv an und starten im Frühjahr mit dem Wissenschaftsministerium eine Initiative, um mehr Fachkräfte auszubilden. Wir müssen jetzt zusätzliche Ausbildungskapazitäten schaffen, zum Beispiel duale Studienplätze. Nur so wird es langfristig besser.

Der B 1-Tunnel gehört nicht mehr zum vordringlichen Bedarf im Bundesverkehrswegeplan. Trotzdem gab es immer noch die Hoffnung, dass schon mal weiter geplant wird. Wird der Tunnel für das Land noch mal zum Thema?

Als Verkehrsministerin bin ich immer für gute Ideen offen. Und ja, der B 1-Tunnel war mal ein sinnvoller Gedanke. Ich glaube aber, dass sich das Zeitfenster, in dem der Tunnel machbar war, geschlossen hat. Im Bundesverkehrswegeplan bis 2030 ist Sanierung der große Schwerpunkt. Bei Neubauten sollte man sich pragmatisch auf Dinge konzentrieren, die eine große Umsetzungschance haben.

Deshalb würde ich empfehlen, dass man sich auch über Alternativen unterhält: Wie können Autofahrer mit intelligenter Verkehrslenkung und elektronischer Verkehrsführung unterwegs sein, damit es gar nicht erst zu Engpässen auf der B 1 kommt?

Ina Brandes: „Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen für ein besseres Angebot in Bus und Bahn auch bereit sind, einen fairen Preis zu bezahlen.“

Ina Brandes: „Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen für ein besseres Angebot in Bus und Bahn auch bereit sind, einen fairen Preis zu bezahlen.“ © Schaper

Stichwort Verkehrswende. Wer in Dortmund mit Bus und Bahn unterwegs ist, muss seit Januar drei Euro für ein Einzelticket zahlen. Für manche, zumal wenn sie mit der ganzen Familie unterwegs sind, ist das zu teuer, um sie von der Fahrt mit dem eigenen Pkw in die Innenstadt abzuhalten. Könnte der Staat die Fahrscheine nicht subventionieren?

Das tun wir ja bereits. Die tatsächlichen Kosten für Bus und Bahn sind in etwa doppelt so hoch wie die Einnahmen aus Fahrgeldern und werden entsprechend subventioniert. Es ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens, dass wir den öffentlichen Nahverkehr mit einer ausgewogenen Balance aus öffentlichen Geldern und Erlösen aus dem Ticket-Verkauf finanzieren.

Im Übrigen bin ich überzeugt davon, dass die Menschen für ein besseres Angebot in Bus und Bahn auch bereit sind, einen fairen Preis zu bezahlen. Deshalb haben wir als Verkehrsministerium 2019 eine ÖPNV-Offensive mit einem Volumen von bislang rund 4 Milliarden Euro gestartet, um das Bus- und Bahnangebot besser, sicherer und sauberer zu machen.

Und wir haben den bundesweit ersten landesweit gültigen eTarif „eezy.nrw“ eingeführt. Per App loggt man sich einfach ein, beim Aussteigen checkt man mit dem Smartphone aus, berechnet wird eine Grundlinie plus Luftlinie. So einfach war Bus- und Bahnfahren noch nie.