Wer sind die Menschen, die Oberbürgermeister von Dortmund werden wollen? Wie präsentieren sie sich? Wie grenzen sie sich untereinander ab? Nach dem ersten Aufeinandertreffen von vier aussichtsreichen Kandidaten gibt es darauf erste Antworten.
Am Ende einer knapp einstündigen Diskussionsrunde beim Stadtsportbund bleiben acht erste Erkenntnisse. Sicher: Viele Inhalte spielten dort noch gar keine Rolle. Logisch: Vor mehr als 100 Vertretern von Sportvereinen ging es weder um die allgemeine Wirtschaftslage der Stadt noch um Umwelt, Bildung, Schulen und Kitas, Leerstände in der Innenstadt oder den Umgang mit Drogenabhängigen.
Aber es gab Hinweise darauf, wie drei Männer und eine Frau es anstellen wollen, bei der Kommunalwahl im September möglichst viele Stimmen zu erhalten.
1. CDU-Kandidat hat noch viel Luft nach oben
Vielleicht lag es am Thema, aber CDU-Kandidat Alexander Kalouti wirkte mehrmals erschreckend unvorbereitet auf das, was ihm beim Stadtsportbund erwartete. Auf die Frage, welche Sportveranstaltung er zuletzt besucht habe, geriet er völlig ins Straucheln.
Ein BVB-Spiel sei das gewesen. Gegner? Kam er nicht drauf. Naja, dann könne das wohl keinen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, schob er noch hinterher. Auch im Einstiegs-Statement, bei dem er wie alle Kandidaten allein einige Minuten am Pult reden konnte, flüchtete sich Kalouti in Allgemeinplätze.
Er wolle „eine Politik machen, die die Menschen in den Vordergrund rückt“. Dortmund sei „eine der fantastischsten Städte, in der ich jemals leben durfte.“ Das ehrenamtliche Engagement, ja der Sport an sich seien enorm wichtig.
Er habe sich vor der Veranstaltung „ein bisschen über Sie informiert“, erklärte Kalouti. Nachdem Grünen-Kandidatin Katrin Lögering und SPD-Amtsinhaber Thomas Westphal aber viele konkrete Punkte zum Thema „Sport in Dortmund“ gestriffen hatten, kamen bei Kalouti keine. Stattdessen ging es bei ihm um ein gemeinsames Projekt des Theaters, dessen Sprecher er ist, mit dem BVB.
Immerhin: Später konnte Kalouti noch mit dem Wunsch punkten, Ehrenamtliche sollten für ihr Engagement Rentenpunkte sammeln können. Ansonsten wirkte es allerdings so, als sei der CDU-Kandidat noch nicht richtig im Wahlkampf angekommen. Sein Auftritt war nervös.
2. OB Westphal hört aufmerksam zu
Zuzuhören, wenn die anderen Kandidaten sprechen? Eigentlich eine Selbstverständlichkeit sollte man meinen. Doch im Wahlkampf 2020 hatte Thomas Westphal bei Podiumsdiskussionen einen arroganten Eindruck hinterlassen.
Markantestes Beispiel war das Duell vor der Stichwahl gegen Andreas Hollstein, organisiert von unserem Medienhaus. Sprach der CDU-Kandidat, tippte Westphal auf seinem Handy herum. Jetzt aber präsentierte er sich anders: enorm aufmerksam.
Als Kalouti beim BVB-Gegner ins Schwimmen kam, wollte Westphal erst aushelfen, machte dann einen Witz zum Thema. Bei Lögerings Antworten blickte er freundlich in ihre Richtung, wenn auch mit kommentierenden Blicken oder Sätzen.

3. Der Parteilose will anders sein
Wer ist Martin Cremer, der parteilose Kandidat aus Wirtschaftskreisen? Und welche Pläne hat er? Bei seiner ersten Podiumsdiskussion als OB-Kandidat präsentierte er sich im Sinne seiner bisherigen Kampagne, als wolle er auch hier unterstreichen: Ich bin anders!
Wann er zuletzt Sport getrieben habe und was genau? „Meine Frau hat mich überzeugt, dass es sinnvoll ist, jeden Morgen eine Runde zu planken“, erklärte er – und ließ sich dann nicht lange bitten, legte das Jackett ab und ging vor dem Mittelgang in den Unterarmstütz – „damit das auch alle sehen“.
Im Auftakt-Statement ließ er es nach drei von fünf erlaubten Minuten gut sein mit dem Hinweis: Es sei doch schon fast alles gesagt von seinen Vorrednern.
4. Cremer könnte mehr Details nennen
Allerdings: Inhaltlich hatte Cremer bis dahin auch noch nicht viele Details zur Sportlandschaft in Dortmund angesprochen. Mehr als allgemeines Lob für die Arbeit der Ehrenamtlichen war bis dahin nicht.
Was fast zu überhören war: Cremers andere Abgrenzung. Die anderen Kandidaten betonten mehrfach, der Sport werde von der Stadt auf keinen Fall weniger Geld bekommen, eher noch mehr. Martin Cremer wies aber darauf hin, die Stadt sei klamm – und man müsse genau hinschauen, vielleicht auch „kreative Lösungen“ finden.
Wie genau das aussehen könnte, was er konkret anders machen würde als die Kandidaten der politischen Parteien – diese Antwort blieb Cremer noch schuldig.
5. Grüne informiert, aber anbiedernd
Welche gesellschaftlichen Funktionen hat der Sport? Wo in Dortmund sind zuletzt Turnhallen entstanden? Wie fördern Stadtverwaltung und Politiker die Vereine ganz konkret? Grünen-OB-Kandidatin Katrin Lögering war detailliert vorbereitet, freundlich, in die Zukunft blickend - allerdings an manchen Stellen auch etwas zu sehr bemüht.
Dass sie im BVB-Trikot bei der Diskussion stand, wirkte auf manche Vereinsvertreter etwas anbiedernd. Auch Lögerings leichter nachträglicher Jubel über den Derbysieg der BVB-Fußballerinnen gegen Schalke verhallte. Dennoch untermauerte die Grüne, dass Amtsinhaber Westphal sie ernst nehmen muss. Was er dem Eindruck nach während der Diskussion sowie am Rande der Veranstaltung auch tat.
6. OB hat einen inhaltlichen Amtsbonus
Wer seit fast fünf Jahren Oberbürgermeister ist, hat einen genauen Überblick über die Themen und die Details. Das machte der Auftritt von Thomas Westphal deutlich. En passant konnte er dies oder das anschneiden, in Nebensätzen und kleinen Bemerkungen auf den aktuellen Sachstand hinweisen.
Außerdem duzte er geschickt - nein, nicht jeden einzelnen, sondern in der Mehrzahl. „Das wisst ihr“ - solche Sätze erzeugen Nähe, erst recht in lockerem Rahmen wie bei Sportvertretern, und dessen ist sich Westphal sicherlich bewusst.
Zudem umschiffte er die Klippen rhetorisch geschickt. Auf die Frage der Sportschwimmer, wie er denn die Zukunft der stark sanierungsbedürftigen Bäder in Dortmund sehen würde, sagte Westphal sinngemäß: Stimmt, da ist wirklich viel zu wenig getan worden, aber das machen wir ja jetzt bald dann endlich.
Dass dieses Nichtstun auch in seine Amtszeit fällt, ließ er geschickt unter den Stehtisch fallen.
7. Man geht freundlich miteinander um
Harte Kämpfe, klare Kante? Zumindest beim ersten Aufeinandertreffen lächelten und lachten alle Kandidaten viel. Man ging sportlich fair miteinander um.
Ob das am Rahmen lag - man war immerhin beim Stadtsportbund - oder ob sich das fortsetzt? Das wird sich bei den vielen weiteren Aufeinandertreffen in den nächsten Monaten zeigen.
Schwierig für Westphals Herausforderer: einen freundlichen Ton treffen und gleichzeitig Kritik deutlich üben, um zu zeigen, was sie denn eigentlich besser machen würden als der Amts-Inhaber.
8. Die AfD bleibt außen vor
Die Kandidaten von FDP (Michael Kauch) und Linke (Fatma Karacakurtoglu) waren eingeladen, fehlten aber laut Stadtsportbund ohne Absage. Der AfD-Oberbürgermeister-Kandidat Heiner Garbe sei hingegen nicht eingeladen worden, hieß es.
Eine Begründung nannte der Stadtsportbund dafür auch auf Nachfrage nicht. Doch dass Kandidaten-Runden ohne die AfD stattfinden, war auch in der Vergangenheit üblich. Was doppelt schade ist: Zum einen kann ein Ausschluss der AfD von Wahldiskussionen zwar aus inhaltlichen und moralischen Gründen nachvollziehbar erscheinen, birgt aber erhebliche Risiken für Demokratie, Meinungsvielfalt, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Kultur. Zum anderen bleibt damit eine zentrale Frage unbeantwortet: Welche ganz konkreten Ideen für die ganz konkreten Probleme in Dortmund hat die AfD denn eigentlich?
OB-Kandidaten aus Dortmund treffen erstmals aufeinander: Einer zeigt, wie er plankt