Demo-Samstag in Dortmund
6000 Menschen stellen sich 900 Nazis entgegen
Zu einem Aufmarsch zum „Tag der deutschen Zukunft“ hatten Rechtsextremisten nach Dortmund gerufen, doch es wurde ein Tag des Protests gegen Neonazis. Rund 900 Rechten standen rund 6000 Gegendemonstranten entgegen, die für ein vielfältiges und buntes Dortmund auf die Straße gingen - leider nicht in allen Fällen friedlich.
Am U-Turm gab es Kundgebungen, dann zogen die Nazigegner friedlich demonstrierend Richtung Dorstfeld.
Die größte Demo hatte unter dem Motto "Dortmund bunt statt braun" der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus organisiert. Rund 3000 Menschen aus unterschiedlichen Gruppierungen, von Antifa über Gewerkschaften bis zu Vertretern von Kirchen und Parteien, zogen vom U-Turm über die Rheinische Straße nach Dorstfeld.
Trillerpfeifen und "Nazis raus"-Sprechchöre
Dort mussten sie bei hohen Temperaturen ausharren, bis es zur erhofften Begegnung mit den Neonazis kam, die mit einiger Verspätung am S-Bahnhof Dorstfeld loszogen. Sie wurden mit Trillerpfeifen und "Nazis raus"-Sprechchören empfangen. "Ich bin sicher, dass sie gehört haben, dass sie in unserer Stadt unerwünscht sind", stellte Friedrich Stiller vom Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus zufrieden fest.
Ähnlich sah es Oberbürgermeister Ullrich Sierau: "Wir haben heute in besonderer Weise gezeigt, dass wir eine Stadt der Vielfalt sind", erklärte er bei einem Fest auf dem Wilhelmplatz in Dorstfeld. Dort kam es auch zum symbolischen Einsatz der Spiegelwürfel, die das Dortmunder Schauspiel gemeinsam mit der Künstlergruppe "Tools for Action" als Blockaden gegen Rechts mitgebracht hatten.
Spiegelwürfel werden Wurfgeschosse
An anderer Stelle sorgten die Spiegelwürfel allerdings für Konflikte mit der Polizei: Schon am Vormittag waren nach Polizeiangaben einzelne Würfel als Wurfgeschosse gegen eine Polizeisperre am Sunderweg eingesetzt worden. Mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen vor allem mit Antifa-Aktivisten, deren Zahl die Polizei mit rund 3000 bezifferte. Ihre Versuche, zur Nazi-Demo durchzudringen, wurden von einem massiven Polizeiaufgebot mit tausenden Einsatzkräften unterbunden.
Die Nazis selbst zogen - bis auf die kurze Begegnung mit der "Bunt statt braun"-Demo - weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit von Dorstfeld nach Huckarde. Sie wurden quasi hermetisch abgeriegelt von einem dichten Spalier an Einsatzhunderthaften der Polizei. Davor waren Polizeipferde und Wasserwerfer unterwegs.
Die Nazi-Demo verlief ohne größere Vorkommnisse - abgesehen von den deutschtümelnden und rassistischen Reden und Sprechchören, die bei den Kundgebungen und während des Marsches aus den Reihen der rund 900 Nazis zu hören waren.
Auch Zusammenstöße mit Gegendemonstranten blieben weitestgehend aus. Lediglich als die Nazis in Huckarde eine Zwischenkundgebung abhielten, kam es in der Nähe am Huckarder Marktplatz zu größeren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Nazigegnern. Es gab Verletzte auf beiden Seiten und mehrere Festnahmen.
Ein Video von den Auseinandersetzungen am Marktplatz:
Posse um die Abreise der Nazis
Die Nazidemo endete schließlich gegen 18.30 Uhr am Huckarder S-Bahnhof. Von dort fuhren die Faschisten mit dem Zug ab. Zuvor war es aber zu einer kleinen Posse gekommen: Zuerst zogen die Nazis zur Stadtbahn-Haltestelle "Bushof Huckarde" - dem geplanten Endpunkt des Aufmarschs.
Doch dann stellte sich heraus, dass die U47 aufgrund der Nazi-Demo nicht fuhr. Außerdem bemängelten die Nazis, der Bahnhof sei zu klein. "Aus Sicherheitsgründen", wie die Polizei schrieb, wurde schließlich angeordnet, dass die Nazis noch einmal quer durch das nördliche Huckarde zum größeren S-Bahnhof Huckarde gehen mussten. Die Abreise lief danach ohne größere Vorkommnisse ab.
Fast 1000 Nazigegner ziehen aus der Nordstadt zum Hauptbahnhof
Danach verlagerte sich das Geschehen in die Nordstadt. Knapp 1000 Nazigegner formierten sich gegen 18 Uhr erneut zu einer Gegendemo und zogen vom Nordmarkt aus in Richtung Hauptbahnhof.
Doch da die Demo zwischendurch eine gute Stunde an der Kreuzung Uhlandstraße / Mallinckrodtstraße stand - die Polizei sprach von einer angemeldeten Zwischenkundgebung, viele Demo-Teilnehmer von einer Einkesselung -, kamen sie erst am Hauptbahnhof an, als die meisten Nazis diesen schon wieder verlassen hatten. Zu größeren Zusammenstößen kam es nicht mehr, die Antifaschisten demonstrierten friedlich.
Verletzte bei Polizei und Nazigegnern
Auch wenn der Demo-Tag weitgehend friedlich blieb, gab es sowohl bei der Polizei als auch bei den Gegendemonstranten Verletzte. Die Polizei spricht in einer ersten Bilanz von mehreren verletzten Beamten, außerdem wurden drei Einsatzfahrzeuge vor der Polizeiwache in der Nordstadt durch Steine und Brandsätze beschädigt. Die Polizei nahm 22 Menschen fest.
Nach Angaben der Antifaschistischen Union zählten die Sanitäter der Gegendemonstranten auf Seiten der Nazigegner 150 Augenspülungen nach Pfeffersprayeinsatz, zehn Prellungen durch Schläge und einen Verdacht auf einen Armbruch. Das sei aber nur eine unvollständige Sammlung.
In eigener Sache: Ursprünglich wurde die Zahl der Nazigegner in diesem Artikel mit über 5000 angegeben. Inzwischen hat die Polizei die Angaben nach oben auf insgesamt 6000 Gegendemonstranten korrigiert.