Mobbing in Schulklasse

13-Jährige nach Mobbing in Psychiatrie: Dortmunder Mutter kritisiert Schule

Eine Dortmunder Schule ist zuletzt mit einem queerfeindlichen Vorfall in die Schlagzeilen geraten. Die Aufarbeitung dauert an. Jetzt schildern Eltern Mobbing-Fälle an der Schule und üben Kritik.

Dortmund

, 26.06.2022 / Lesedauer: 5 min

Drei Jugendliche mit einer Fahne der LSBTIQ+-Bewegung werden auf dem Schulhof von mehreren umringt und beleidigt, Lehrerinnen und Lehrer sollen das gesehen, aber nicht verhindert haben. Dieser auf einem Video dokumentierte Vorfall an der Robert-Koch-Realschule im Stadtteil Hombruch hat Kreise gezogen.

In der Schule und bei der Bezirksregierung Arnsberg als Aufsichtsbehörde läuft die Aufarbeitung. Zugleich hat der Vorfall noch eine andere Wirkung.

Mutter berichtet von Gewalt und systematischer Ausgrenzung

Er hat Eltern aus dem Umfeld der Schule dazu ermutigt, ihre Erfahrungen mit Mobbing zum Schaden ihrer Kinder zu schildern. Es gibt keinen Bezug zu Homophobie. Aber es sind Berichte von Gewalt und systematischem Mobbing mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen.

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Diese Redaktion hat die Schule mit den im Folgenden geschilderten Vorfällen schriftlich konfrontiert. Die Antworten auf die Fragen sendete die Bezirksregierung Arnsberg als Schulaufsichtsbehörde in Person von Sprecher Christoph Söbbeler.

Der Fall: Nadine Ildeniz (42) ist Mutter einer Schülerin der Robert-Koch-Realschule. Ihre Tochter (13) geht seit April nicht mehr in den Unterricht der Jahrgangsstufe 7. Sie befindet sich seit April in stationärer psychiatrischer Behandlung. „Sie wird nicht an diese Schule zurückkehren“, sagt Nadine Ildeniz.

Freundinnen zerstreiten sich - dann beginnen die Probleme

Über Monate sei ihre Tochter dem Druck einer Gruppe ausgesetzt gewesen. Sie hatte sich über eine angeblich getätigte persönliche Bemerkung mit einem Mädchen zerstritten, mit dem sie zuvor befreundet gewesen war. Soweit ein Vorgang, wie er bei Heranwachsenden nicht ungewöhnlich ist.

Nach dem Kontaktabbruch im November 2021 sei die Situation eskaliert, sagt die Mutter. Die Tochter berichtete ihr demnach im Nachhinein von täglichen Rempeleien, Beleidigungen und Provokationen.

Das Ausmaß der Situation erkennt Nadine Ildeniz laut eigener Schilderung erst, als sie einen Anruf der Mutter einer Klassenkameradin erhält: Eines Tages erfährt sie, dass sich ihre Tochter nach einer Auseinandersetzung mit einem anderen Mädchen auf der Schultoilette befindet: Der Streit sei eskaliert, es habe eine Prügelei gegeben. Weitere Probleme gehen damit richtig los.

Heftige Beleidigungen in der WhatsApp-Klassengruppe

In der WhatsApp-Klassengruppe ist die Schlägerei Thema. Ildeniz‘ Tochter muss Beleidigungen über sich ergehen lassen, in denen es um ihr Äußeres und ihre Familie geht. Schmähungen wie „Missgeburt“ oder „Schlampe“ gehören noch zu den harmloseren Begriffen. Es sei auch klassenübergreifend zu Bedrohungen gekommen, sagt die Mutter.

Es kommt zu ersten Gesprächen mit der Schulleitung und dem Anti-Mobbing-Beauftragten. In diesen, so gibt es die Mutter wieder, habe sich die vermeintliche Mobberin reuig und nett gezeigt.

„Es wurde vonseiten der Schule dann gesagt, dass man Konzepte für solche Fälle habe und keine Intervention von außen benötige“, sagt Nadine Ildeniz. „Aber das wurde bei meiner Tochter in keiner Weise angewandt“, meint sie und führt aus:

Sie habe nie das Gefühl gehabt, dass ihr Kind in Schutz genommen oder sie als Mutter ausreichend informiert worden sei. Dabei werde der Anti-Mobbing-Ansatz als Ziel auf der Schulhomepage ausdrücklich formuliert.

13-Jährige muss in stationäre psychologische Behandlung

Die Belästigungen seien weitergegangen, sobald sich die Gruppe außerhalb der Beobachtung der Lehrer wähnte. In der Messenger-Gruppe finden sich weiterhin Beleidigungen.

Schließlich wird die Belastung so groß, dass sich die 13-Jährige in stationäre Behandlung begeben muss. Diagnose: mittelschwere depressive Episode.

Noch eine weitere Person aus dem Umfeld der Schule hat sich mit einem drastischen Erfahrungsbericht an diese Redaktion gewandt.

Sie berichtet, dass ein 14-jähriges Mädchen auf dem Schulhof von einem zwei Jahre jüngeren Jugendlichen aus nichtigem Anlass verprügelt worden sei. Das Mädchen musste in einem Krankenhaus behandelt werden.

Schülerin nach Schlag im Krankenhaus

Schon in den Monaten zuvor sei die 14-Jährige Ziel von Mobbing geworden „Es gibt dort eine Problemklasse im Jahrgang 7“, sagt die Angehörige. Eine Gruppe von Schülern falle durch Mobbing und Gewalt auf.

Es gebe zwar bemühte Lehrer und auch disziplinarische Konsequenzen für einzelne Schüler. Aber die Angehörige sagt auch: „Die Floskeln nach dem Vorfall im Juni (gemeint ist der oben erwähnte queerfeindliche Vorfall, Anm. d. Red.) kamen mir bekannt vor.“ Die Robert-Koch-Realschule hatte Anfang Juni unter anderem mitgeteilt, sie wolle „den Vorfall zum Anlass nehmen, uns noch stärker für Toleranz und Empathie anderen gegenüber einzusetzen.

In Gesprächen über die früheren Vorfälle sei auch der „Bildungsauftrag“ für die Täter hochgehalten worden: „Aber es gibt doch auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit“, so die Angehörige.

Bezirksregierung: „Kein besonderer Brennpunkt“

Die Bezirksregierung Arnsberg geht in ihrer Antwort auf unsere Konfrontation der Schulleitung mit den Schilderungen nicht im Detail auf die beiden Fälle ein. Sprecher Christoph Söbbeler stellt aber klar: „Die Robert-Koch-Realschule in Dortmund stellt bezogen auf Gewaltvorfälle, Alkoholmissbrauch und Drogenvergehen keinen besonderen Brennpunkt dar.“

Dies schließe aber „Einzelfallsituationen, die diese Aspekte betreffen“ nicht aus. „Der Schulleiter sucht in diesen Fällen gezielt die Beratung der Schulaufsicht und berücksichtigt diese bei seinen Entscheidungen“, sagt Söbbeler.

Dabei gelte die Maßgabe: „Verstöße gegen die Schul- und Hausordnung werden zunächst erzieherisch und im Rahmen der schulischen Ordnungsmaßnahmen verantwortungsbewusst aufgearbeitet.“

Weiterhin werde geprüft, inwieweit Akteure auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln sind. „Insbesondere muss eine Bewertung der straf- oder schulrechtlichen Relevanz der Taten erfolgen“, so der Sprecher der Aufsichtsbehörde.

Den betroffenen Familien helfen die allgemeinen Worte kaum weiter. Nadine Ildeniz hat mittlerweile einen Schulplatz für ihre Tochter zugewiesen bekommen. In der Klinik und auch im Kontakt mit der Polizei hätten ihr viele im Nachhinein gesagt, dass die Schule anders hätte reagieren müssen.

Das sind die ersten Erkenntnisse aus dem Vorfall am 2. Juni

Bezirksregierungssprecher Christoph Söbbeler nimmt in seiner Antwort auf die Anfrage am 15. Juni noch einmal Bezug auf den queerfeindlichen Vorfall von Anfang Juni als Auslöser der Debatte.

„Die Schule wird ihre Kräfte für die Aufarbeitung des Vorfalls vom 2. Juni und die Rückkehr in einen ruhigen Schulbetrieb bündeln. Dies erfordert Zeit und eine Atmosphäre, die es den Verantwortlichen in der Schule ermöglicht, sich um die Schüler und die tägliche tolerante und offene Umgangsweise in der Schule zu kümmern“, sagt er.

So sei in ersten Gesprächen mit dem Kollegium deutlich geworden, dass der Fokus der Arbeit im Zusammenhang mit dem Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sich auf Rassismus und die Integration anderer Kulturkreise gerichtet habe. An der „Sensibilisierung für den Umgang mit LSBTIQ+“ müsse aber noch gearbeitet werden.

„In diesem Prozess wird die Schulaufsicht die Schule gezielt unterstützen“, sagt Söbbeler. „Neben der Arbeit mit dem Kollegium wird es zentral um die Präventionsarbeit in der Schulgemeinde gehen, damit Werte wie Toleranz gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen, Empathie und Zivilcourage gestärkt werden.“

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