Der Youtuber Rainer Winkler, alias Drachenlord, steht vor einer Wand.

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Drachenlord im Interview: „Irgendwann finden mich die Hater sowieso“

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Rainer Winkler alias „Drachenlord“ bleibt vorerst auf freiem Fuß - will aber trotz seines Martyriums nicht von der Bildfläche verschwinden. Im Interview erklärt der Youtuber, was sich jetzt ändern muss.

NRW

, 14.04.2022, 15:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Rainer Winkler (32) ist den meisten Menschen vor allem unter dem Namen „Drachenlord“ bekannt. Seit vielen Jahren tobt ein Kampf zwischen ihm und seinen „Hatern“. Den Leuten, die ihn beleidigen, bedrohen, provozieren und verfolgen. Sie bezeichnen das als „Drachengame“. Winkler hat dieses Spiel lange mitgespielt, reagierte oftmals aggressiv - und stand deswegen mehrmals vor Gericht. Unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung.

Im Oktober 2021 hatte ihn ein Gericht zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Nach einer Berufungsverhandlung Ende März 2022 fiel das Urteil milder aus. Winkler bekam eine einjährige Bewährungsstrafe. Jüngst war er für kurze Zeit in der Region. Unter anderem in Dortmund und Werne. Wir konnten ihn treffen und ausführlich mit ihm reden. Im Interview mit unserer Redaktion spricht der Drachenlord über seine aktuelle Situation, Fehler der Vergangenheit und Hoffnung.

Herr Winkler, Ihre Berufungsverhandlung lief für Sie erfolgreich. Sie müssen nun doch nicht ins Gefängnis. Haben Sie Ihr Ziel damit erreicht?

Ich sehe das nicht wirklich als Erfolg. Und das war auch nicht mein eigentliches Ziel. Ich will letztlich nur, dass mich die Hater in Ruhe lassen und ich mein Leben genießen kann. Mir haben nach der Verhandlung viele Leute gratuliert, aber ich halte Glückwünsche für unangebracht. Ich habe schließlich Menschen verletzt und ich bin nicht stolz darauf. Gewalt darf nie die Lösung sein. Doch ich wusste mir in manchen Situationen einfach nicht mehr anders zu helfen.

Das zeigt beispielsweise der Fall, bei dem Sie jemanden mit einer Taschenlampe geschlagen haben...

Ja, das war so eine Situation. Man hat mich so lange provoziert, bis ich zugeschlagen habe. Mir ist schon klar, dass die Hater mit ihren Aktionen ganz bewusst genau das erreichen wollen: Sie wollen, dass ich ausraste. Und manchmal schaffen sie das. Sie wissen aber auch, auf was sie sich einlassen und gehen dann dieses Risiko ein. Mein Anwalt hat das ganz passend formuliert. Er sagte: „Wenn man mit einem Boxer in den Ring steigt, muss man damit rechnen, mit einem blauen Auge wieder herauszukommen.“

Der Youtuber Rainer Winkler, alias Drachenlord, bei einer Gerichtsverhandlung im Oktober 2021.

Bei der Verhandlung im Oktober 2021 wurde Rainer Winkler zu einer zweijährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt - unter anderem wegen schwerer Körperverletzung. © picture alliance/dpa

Kommen die Provokationen denn immer nur von den anderen?

Ich weiß, dass viele Leute sagen, ich würde auch provozieren. Wenn ich sie in meinen Videos beschimpfe, ist das aber immer eine Reaktion auf ihr Verhalten. Und wenn ich provoziere, dann tue ich das oftmals nicht mit Absicht. Ich sage einfach meine Meinung. Manchmal will ich auch bloß ein bisschen sarkastisch oder ironisch sein - und das gelingt mir anscheinend nicht sonderlich gut.

Und welche Intention hatten Sie dann beispielsweise, als Sie den Holocaust als „nice Sache“ bezeichnet haben?

Ganz ehrlich: Ich wurde damals während eines Streams, in dem es um völlig andere Themen ging, immer wieder gefragt, was ich vom Holocaust halte. Irgendwann war ich so genervt, dass ich ihn als „nice Sache“ bezeichnet habe. Das war auch sarkastisch gemeint. Ich wollte den Usern klar machen, dass sie aufhören sollen, mich zu nerven. Hinzu kommt, dass ich nicht wusste, dass mit dem Ausdruck die Ermordung der Juden gemeint ist. Trotzdem schäme ich mich heute für die Aussage. Ich wurde danach als Holocaust-Leugner dargestellt. Aber das bin ich nicht.

Sie sind aber auch mit anderen Aussagen angeeckt...

Ja, das ist mir klar. Da gibt es noch ein paar andere. Aber da wurden häufig auch Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen und dann falsch ausgelegt. Wenn es um meine Youtube-Kanäle geht, ist mir aber grundsätzlich vor allem eine Sache wichtig.

Und zwar?

Alles, was ich mache, kann man ausschalten. Niemand ist gezwungen, meine Videos und Streams zu schauen. Keiner muss sich mit mir beschäftigen. Wenn mich die Leute aber im realen Leben aufsuchen und mich angreifen, dann ist das etwas anderes. Ich kann ihnen dann nämlich nicht einfach ausweichen.

Aktuell versuchen Sie das allerdings. Sie haben keinen festen Wohnsitz, sind auf der Flucht vor Ihren Hatern - wie fühlt sich das an?

Ich würde nicht sagen, dass ich auf der Flucht bin. Ich bin eher auf der Suche nach meiner Freiheit. Denn die ist mir in den vergangenen Jahren abhanden gekommen. Ich fühle mich schon seit fast zehn Jahren wie in einem Film und habe mich eigentlich daran gewöhnt. Der Unterschied ist, dass ich jetzt mein Haus verkauft habe und ständig unterwegs bin. Meistens übernachte ich in Hotels. Ich lege zwar bewusst falsche Fährten, doch irgendwann finden mich die Hater immer. Deswegen bin ich nie lange an einem Ort.

Das „Drachengame“ läuft also weiter. Können Sie sich überhaupt noch daran erinnern, wie es angefangen hat?

Mit dem ganzen Hate ging es 2013 los. Das hatte damals auch mit einer Aussage von mir zu tun und war total banal: Ich habe behauptet, die Haut sei kein Organ. Darüber haben sich einige Leute lustig gemacht. Das hat sich immer weiter hochgeschaukelt, bis sie 2014 bei meiner Schwester angerufen und sie bedroht haben. Da habe ich dann meinen ersten großen Fehler gemacht.

Welchen denn?

Ich habe in einem Video meine Adresse veröffentlicht und den Leuten gesagt, sie sollen herkommen und sich mit mir anlegen. Das war eine Überreaktion. Ich habe das Video zwar schnell wieder gelöscht, aber da war es schon zu spät. Die Hater kamen dann zu meinem Haus. Zunächst waren es Einzelfälle, dann wurden es immer mehr. Es gab Tage, an denen die Polizei 20 mal anrücken musste. Ich habe über die Jahre wohl um die 100 Leute wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angezeigt. Hätte ich jeden Fall angezeigt, wären es wahrscheinlich mehr als 1000.

Der Youtuber Rainer Winkler, alias Drachenlord, beim Betreten eines Gerichtssaals im März 2022.

Der Drachenlord bei der Berufungsverhandlung im März 2022. © picture alliance/dpa

Was glauben Sie, treibt diese Menschen an?

Es gibt nun mal Menschen, die Spaß daran haben, anderen Leute zu schaden und sie zu verletzen. Das heißt aber nicht, dass alle Hater total aggressiv sind. Manche sind einfache Mitläufer oder Schaulustige. Ob denen wirklich allen klar ist, dass sie mit ihrem Verhalten Leben zerstören können, weiß ich nicht. Und sie zerstören ja nicht nur mein Leben, sondern auch das meiner Freunde und Bekannte oder meiner früheren Nachbarn. Sie stalken sogar deren Arbeitgeber. Deswegen haben sich viele Freunde von mir abgewendet.

Was war das Schlimmste, das Sie in all den Jahren erlebt haben?

Da muss man zwei Ebenen unterscheiden. Virtuell war es unter anderem der Heiratsantrag, den ich einer Frau vor vielen Jahren in einem Livestream gemacht habe. Sie hatte mir die ganze Zeit etwas vorgemacht und mich dann vor tausenden Zuschauern bloßgestellt und beleidigt. Die schlimmsten Erlebnisse in der realen Welt waren die, bei denen ich nicht nur verbal angegriffen oder bedroht wurde, sondern auch mit Messern oder Schlagstöcken. Ich habe dreimal in den Lauf einer Schusswaffe geschaut.

Und trotzdem verschwinden Sie nicht von der Bildfläche, sondern veröffentlichen weiterhin Videos. Warum hören Sie damit nicht einfach auf?

Das hat verschiedene Gründe. Ich bin kein Mensch, der einfach aufgibt. Außerdem habe ich auch Fans, für die ich weitermachen will. Und es gibt viele andere Menschen, die Opfer von Mobbing sind und die aus meiner Geschichte Kraft schöpfen. Sie denken sich dann: „Wenn der das in so einer Extremsituation schafft, kriege ich das auch hin.“ Es gibt aber noch einen anderen Grund, der ein deutlich pragmatischerer ist.

Welchen denn?

Ich muss weitermachen, weil ich mit Youtube mein Geld verdiene. Bei meiner Lebensgeschichte stellt mich kein Arbeitgeber ein. Ich habe schon viele Bewerbungen geschrieben - aber noch nicht einmal eine Firma gefunden, bei der ich meine Sozialstunden leisten konnte.

Wie geht es nun für Sie weiter und was muss sich jetzt ändern?

Ich werde erst einmal weiter mit dem Auto herumfahren. Ich habe nur Kleidung, meinen Laptop und ein paar andere Dinge dabei, die man sonst noch für den Alltag braucht. Mein großer Wunsch und meine Hoffnung sind, dass endlich mehr gegen Mobbing unternommen wird.

Und was schwebt Ihnen da vor?

Nur darüber zu reden, reicht nicht aus. Da muss mehr passieren. Und das müssen Menschen machen, die Einfluss haben: Politiker und der Staat, aber auch Prominente wie Musiker, Schauspieler und Youtuber. Grundsätzlich sollte sich aber jeder Mensch mit diesem Thema beschäftigen. Mobbing fängt schon an, wenn man nur zuschaut, wie andere Menschen gemobbt werden. Jeder von uns hat es in der Hand, etwas gegen Mobbing zu unternehmen.

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