Viele Dorstener Katholiken kehren ihrer Kirche den Rücken

© picture alliance / dpa

Viele Dorstener Katholiken kehren ihrer Kirche den Rücken

rnKirchenaustritte

Für viele Katholiken ist das Maß voll. Missbrauch, Intoleranz gegenüber queeren Mitarbeitern - viele treten auch in Dorsten aus der Kirche aus. Seit Jahresbeginn stieg die Zahl spürbar.

Dorsten

, 03.02.2022, 17:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die katholische Kirche wird gerade mächtig durchgeschüttelt. Das Missbrauchsgutachten wirkt bis in den Vatikan, wo ein emeritierter Papst womöglich nicht die Wahrheit gesagt hat. Die „Initiative #OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst“ rüttelt an den Festen kirchlichen Arbeitsrechts und zeigt eine weitere unmenschliche Seite der Kirche wie durch ein Brennglas - mehr Krise geht kaum.

Angesichts der Abgründe, die sich in der Institution gerade auftun, kehren viele Katholiken ihrer Kirche, die nicht mehr ihre ist, den Rücken. Das spürt auch das Amtsgericht, wo Menschen ihren Austritt zu Protokoll geben müssen.

„Die Kirche liegt im Sterben, für viele ist sie bereits tot.“
Pfarrer Dr. Stephan Rüdiger

Bis zum 3. Februar des noch jungen Jahres, so berichtet Amtsgerichtsdirektor Dr. Stephan-Robert Hillebrand auf Anfrage, haben bereits 96 Bürgerinnen und Bürger ihren Kirchenaustritt erklärt. Nicht nur katholische, sondern auch 24 Protestanten. „Das ist durchaus viel für einen Monat“, sagt der Jurist.

Treten in diesem Jahr noch mehr Menschen aus als 2021?

Den Kirchen bleibt da wohl nur zu hoffen, dass der Exodus sich übers Jahr wieder abschwächt und die hohen Zahlen des Vorjahres nicht noch übertroffen werden. Denn schon 2021 haben in Dorsten insgesamt 544 Menschen der Kirche den Rücken gekehrt, 348 der katholischen, 196 der evangelischen Kirche.

Jetzt lesen

2020 waren es 215 Katholiken und 148 Protestanten, im Jahr zuvor 259 Katholiken und 163 Protestanten. Droht jetzt ein neuer Höhepunkt?

:

Dechant Dr. Stephan Rüdiger sieht die Lage realistisch: „Die Frage nach einem möglichen Kirchenaustritt stellt sich zurzeit vielen Gläubigen. Nicht nur der schändliche Missbrauch, nein, auch die Verdrängung, Verheimlichung und Vertuschung durch Verantwortungsträger macht einfach nur sprachlos. Die Kirche liegt im Sterben, für viele ist sie bereits tot. Dennoch existiert das religiöse Verlangen nach Sinn und Tiefe.“

Jetzt lesen

Ein Verlangen, von dem viele Menschen nicht mehr glauben, dass es die Kirche stillen könnte. Immerhin so viele, dass in manchen Großstädten auf Monate bei den Amtsgerichten keine Austrittstermine zu bekommen sind. In Dorsten geht das schneller. Stephan-Robert Hillebrand: „Wer jetzt einen Termin vereinbart, kann in zwei bis drei Wochen bei uns im Gericht seinen Austritt erklären.“ Das muss übrigens persönlich geschehen und kostet 30 Euro Gebühr.

Live-Talk zur Kirchenkrise

  • „Ist die Kirche noch zu retten? Katholiken in der Krise“ ist ein Live-Talk überschrieben, den Sie am Montag (14. Februar) ab 18 Uhr live und kostenlos auf unserer Internetseite unter www.dorstenerzeitung.de verfolgen können.
  • Als Experten sind dabei: Dr. Ida Raming (89), seit mehr als 55 Jahren Vorkämpferin für die Priesterweihe von Frauen, zudem geweihte, aber exkommunizierte Priesterin. Michaela Labudda, Gemeindereferentin aus Unna, Mitglied im ZdK und beim Synodalen Weg; Christoph Potowski, Pfarrer in Kirchhellen, sowie Andrea Voß-Frick, Mitbegründerinnen der Bewegung „Maria 2.0“.
  • Fragen und Thesen können Sie schon jetzt mailen an: reden@rnw.press.
Schlagworte: