Joshua Hildebrandt vor dem Drubbel-Graffito.

© Michael Klein

Sprayer verschönern Stromkästen mit alten Stadtansichten aus Dorsten

rnFußgängerzone

Schöne Aktion: Zwei Graffiti-Künstler haben in der Innenstadt von Dorsten im Auftrag des Lions Clubs Dorsten-Wulfen vier Verteilerkästen mit historischen Stadtansichten verschönert.

Dorsten

, 10.12.2021, 10:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Aus der Lautsprecher-Box dröhnt Rap-Musik, der Geruch von Spraydosen-Farbe liegt in der Luft. Einige Passanten umringen die beiden Graffiti-Künstler, die sich kreativ sprühend an dem großen Verteilerkasten an der Ecke Nonnenstiege/Lippestraße in der Dorstener Fußgängerzone zu schaffen machen.

Die große Schablone mit ihren scharf-kantigen Umrissen gibt auf den ersten Blick nur wenig von dem Motiv preis, das hier entsteht. Erst als Joshua Hildebrandt und Levin Tomala schließlich ihr Werk enthüllen, wird die Abbildung in ihrer ganzen Pracht sichtbar.

Ein älteres Ehepaar, das sich inzwischen neugierig eingefunden, ist überwältigt. „Oh, der alte Drubbel“, freut sich Marion Hebel. Und Ehemann Dieter geizt nicht mit Lob für die beiden Sprayer. „Das haben die richtig gut gemacht.“

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Der Drubbel, die alte und längst abgerissene Häuserzeile, die früher die Lippestraße teilte - das war nicht die einzige Auftragsarbeit, die Joshua Hildebrandt und Levin Tomala in den vergangenen Tagen in die Innenstadt führte.

Dorstener Sehenswürdigkeiten

Gleich vier Verteilerkästen von Telekom und Westenergie haben sie mit alten und zum Teil verschwundenen baulichen Dorstener Sehenswürdigkeiten verziert: Das alte Franziskanerkloster ist seitdem ein Blickfang an der neuen Franziskanerkirche, an der Ursulastraße/Nonnenstiege haben die beiden Künstler den zerstörten Turm der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Agathakirche verewigt und an der Recklinghäuser Straße/Suitbertusstraße stoßen die Besucher der Fußgängerzone auf ein Marktplatz-Motiv.

Die Ansicht mit dem Marktplatz steht an der Ecke Suitbertusstraße/Recklinghäuser Straße.

Die Ansicht mit dem Marktplatz steht an der Ecke Suitbertusgasse/Recklinghäuser Straße. © Michael Klein

Joshua Hildebrandt ist Streetworker im Begegnungszentrum „Das Leo“ und frisch gebackener Sozialarbeiter mit Uni-Abschluss. Seit vielen Jahren ist er in der Sprayer-Szene aktiv, leitet Workshops mit Jugendlichen und Erwachsenen.

Sein jüngstes farbenfreudiges Graffiti-Projekt ist an der „Hohen Brücke“ über den Bahngleisen zu bewundern, die vor ein paar Wochen er mit aktiver Mithilfe von zahlreichen Feldmärkern zu einem echten Hingucker aufgehübscht hat.

Frei schaffender Künstler

Levin Tomala aus Gladbeck ist frei schaffender Sprühkünstler, verdient damit sein Geld. In seiner Heimatstadt Gladbeck hat er zum Beispiel eine Trinkgut-Filiale zum Kunstobjekt gestalten dürfen, selbst der TÜV Nord in Essen zählte auf seine Sprayer-Künste - und auch am Gebäude der Notaufnahme des Evangelischen Krankenhauses in Gelsenkirchen durfte er mit Dose und Farbe ran.

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Dass sie nun in Dorsten aktiv wurden, ist dem Lions Club Dorsten-Wulfen - vor allem in Person von Gudrun Gabriel - zu verdanken. Sie hatte das Graffiti-Projekt in einer der letzten Mitte-Konferenz vorgestellt und bei der Abstimmung einen Zuschuss in Höhe von 2.700 Euro aus dem Bürgerfonds erhalten.

Die beiden Künstler bei der Arbeit.

Die beiden Künstler bei der Arbeit © Michael Klein

An jedem Motiv haben Joshua Hildebrandt und Levin Tomala acht Stunden gesessen. „Zwei Stunden für die Schablone, sechs Stunden an den Kästen.“ Letztere seien wegen der geringen Größe eine echte Herausforderung gewesen. „Ich sprühe viel lieber frei Hand auf größeren Flächen“, bekennt Joshua Hildebrandt.

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Ihr Lieblingsmotiv des aktuellen Projekts ist übrigens die St.-Agathakirche. Und nicht etwa der Drubbel. „Nur bei dem hatten wir von dem Eigentümer die Vorgabe, eine anthrazit-graue Farbe zu nutzen“, so Levin Thomala. „Wir hätten auch hier lieber Schwarz genommen, doch das war dem leider zu düster.“

Gudrun Gabriel, Antragstellerin für den Lions Club, sagt: „Es gibt Überlegungen, die Schaltschränke zukünftig noch mit QR-Codes zu versehen, die zu einer Webseite mit ausführlichen Informationen über das jeweilige Motiv führen. Großartig finden wir es, dass die Stadtinfo die Kästen in ihre Stadtführungen einbeziehen möchte.“

Joshua Hildebrandt und Levin Tomala (Künstler), Susanna Schönrock-Klenner (Lions-Präsidentin), Dr. Katharina Baums, Gudrun Gabriel und Anja Mettler (Lions-Arbeitsgruppe).

Joshua Hildebrandt und Levin Tomala (Künstler), Susanna Schönrock-Klenner (Lions-Präsidentin), Dr. Katharina Baums, Gudrun Gabriel und Anja Mettler (Lions-Arbeitsgruppe). © Stadt Dorsten

Dank Förderprogrammen sind in Dorsten inzwischen einige solcher vormals schmucklosen Verteilerkästen zu Kunstobjekten geworden - zum Beispiel hat die Künstlerin Brigitte Stüwe im Auftrag des Verkehrsvereins unlängst weitere Kästen mit Naturmotiven gestaltet.

Hennig Lagemann vom Stadtteilbüro „Wir machen Mitte“ hofft auf Nachahmer: „Es gibt es noch zahlreiche Schaltkästen in der Fußgängerzone, die kunstvoll in Szene gesetzt werden könnten. Ab 2022 wäre hierfür eine Teilfinanzierung über das Bürgerbudget möglich.“

Freiflächen fehlen

„Das ist natürlich alles gut und schön“, sagt Joshua Hildebrandt. „Aber was in Dorsten leider fehlt, sind größere Freiflächen, auf denen sich junge Graffiti-Künstler ausprobieren können, wo sie keinen stören und wo sie sich legal austoben können.“