Blick von der Nordseite auf die Bahnhofsbaustelle.

© Guido Bludau

Bahnhofsumbau in Dorsten - ein Blick hinter verrammelte Türen (mit Video)

rnBahnhof

Das marode und seit Jahren verrammelte Bahnhofsgebäude in Dorsten wird derzeit mit Millionenaufwand saniert. Dabei traten schon einige Bausünden der Vergangenheit zutage.

Dorsten

, 29.10.2021, 18:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Von oben hat man dort zurzeit einen schönen Ausblick auf Innenstadt und die ein- und ausfahrenden Züge. Wie auf einer geräumigen Dachterrasse könnte man hier sitzen, gemütlich ein Getränk oder einen Snack zu sich nehmen. Doch so hoch hinaus gehen die Gastro-Pläne am Dorstener Bahnhof dann leider doch nicht - aber man wird ja mal ein bisschen träumen dürfen.

Denn das offene Dachgebälk des Bahnhofsgebäudes, an dem derzeit kräftig gewerkelt wird, wird nach Sanierung der Holzkonstruktion wieder geschlossen. Bereits in der ersten November-Woche soll das Dach mit Schieferplatten neu gedeckt werden.

Die Dacharbeiten sind Teil eines wichtigen Bauvorhabens in Dorsten. Schon von weitem ist der große Kran, der sich über den Gleisen erhebt, zu erkennen. Und die Bahn-Pendler können ganz aus der Nähe beobachten, dass sich im eingezäunten und eingerüsteten Bahnhofsgebäude nach langer Verzögerung etwas tut.

Michael Wieners an der Ostfassade. Hier kann man anhand der Farbproben schon erkennen, wie die dunkle Ziegeloptik künftig aussehen wird.

Michael Wieners an der Ostfassade. Hier kann man anhand der Farbproben schon erkennen, wie die dunkle Ziegeloptik künftig aussehen wird. © Guido Bludau

Seit Januar sind dort die Baufirmen zu Gange, um die seit vielen Jahren verrammelte und marode Immobilie zu einem Schmuckstück zu machen. Der denkmalgeschützte Bahnhof aus den 1880er-Jahren ist eines der Paradeobjekte des Stadtumbau-Programms „Wir machen Mitte“ - und wird mit einem Aufwand von mehr als vier Millionen Euro nach Plänen des Recklinghäuser Architekturbüros „Feja und Kemper“ von Grund auf saniert.

Entstehen soll ein „Bürgerbahnhof“, in dem die „Dorstener Arbeit“ eine öffentliche Ausbildungsgastronomie betreiben wird, zudem Schulungsräume und eigene Büros einrichtet, die auch von Dorstener Vereinen mitgenutzt werden können.

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Das Gebäude dafür fit zu machen und gleichzeitig den Erfordernissen des Denkmalschutzes gerecht zu werden, das ist die Herausforderung des Sanierungsprojektes. „In meiner beruflichen Laufbahn habe ich noch nie so intensive bautechnische Untersuchungen wie hier erlebt“, erklärt Michael Wieners, Architekt bei der Stadt. Nach seinen Angaben wird der Bürgerbahnhof nach dem Umbau aus rund 70 Prozent Altsubstanz bestehen, 30 Prozent sind dann neu.

Teilweise wurden neue Wände im Bahnhofsgebäude eingezogen.

Teilweise wurden neue Wände im Bahnhofsgebäude eingezogen. © Guido Bludau

Ziel ist es, dem originalen Grundriss zu entsprechen. Dazu gehörte im Februar auch der Abriss des nicht unter Denkmalschutz stehenden Anbaus. Und auch die Fassade soll wieder so ähnlich aussehen wie früher. Derzeit ist eine Fachfirma damit beschäftigt, die Außenwände zu säubern, sie auch von dem beigen Farbanstrich zu befreien. Anhand mehrerer Farbproben ist schon jetzt an der östlichen Gebäudeseite zu erkennen, wie die Original-Klinkersteine wirken könnten, wenn sie freigelegt und aufgearbeitet sind.

Lasten der Vergangenheit

Bei den Fassadenarbeiten gab es unangenehme Entdeckungen. „Unter dem Anstrich haben wir so große Risse durch Frostschäden entdeckt, dass wir nun alle Fugen erneuern müssen“, sagt Michael Wieners. Aber nicht nur dort hatten die Umbauexperten mit Lasten aus der Vergangenheit zu kämpfen.

Denn 1906 war das Bahnhofsgebäude bereits schon einmal umgebaut worden. „Aber fachlich schlecht.“ Denn damals wurden Wände herausgenommen, die man jetzt wieder ersetzen musste. Auch die Stahlbetonplatte, die neu im Dachgeschoss eingesetzt werden musste, und weitere „Versteifungen“ dienen dazu, dass das Gebäude jetzt wieder windlastsicher steht.

Derzeit wird auch der Dachstuhl saniert.

Derzeit wird auch der Dachstuhl saniert. © Guido Bludau

Seit Beginn der Bauarbeiten hat sich im Inneren des Gebäudes eine Menge getan. Neue Wände wurden gezogen, alte frei gelegte Rundbögen zum Teil integriert. An der Nordseite, dort, wo früher unter anderem die Gepäckausgabe und der Fahrkartenschalter waren, ist bereits der Gemeinschaftsraum zu erahnen. Sogar Ausstellungen wären hier möglich.

An der Nordseite befindet sich einer der beiden Haupteingänge, er soll vor allem der Dorstener Arbeit und den Gruppen, die abends und am Wochenende die gemeinsamen Räume im ersten Obergeschoss reserviert haben, als Zugang dienen.

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Der barrierefreie Haupteingang zur künftigen Gastronomie (und Toilette) wird sich auf der Innenstadtseite, von wo man in den Verkaufsraum kommt, befinden. Vom Gleisbereich wird es einen weiteren Zugang zum Gastro-Bereich geben. 14 Arbeitsplätze, eine große offene Küche, eine Selfservice-Theke mit Kassenbereich und rund 65 Sitzplätze für die Gäste, die natürlich zudem von Kellnern bedient werden.

V.l.: Jürgen Erhardt (Geschäftsführer Dorstener Arbeit). Michael Wieners (Architekt Stadt Dorsten) und Joachim Thiehoff (städtisches Bürger für Bürger-Engagement) im künftigen Gastro-Bereich des Bahnhofs.

Jürgen Erhardt (Geschäftsführer Dorstener Arbeit), Michael Wieners (Architekt Stadt Dorsten) und Joachim Thiehoff (städtisches Bürger für Bürger-Engagement, v.l.) im künftigen Gastro-Bereich des Bahnhofs. © Guido Bludau

Hinzu kommt eine Außenterrasse. Noch ist hier alles Baustelle, noch dringt kaum Licht durch die Ritzen der Fensterverschläge, noch fehlen Sanitär, Elektro, Heizung, noch sind die Wände unverputzt, noch liegt viel Arbeit vor den Beteiligten, aber man sieht schon jetzt, wie viel Potenzial unter dem Gewölbe steckt.

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Zu erkennen ist auch der Schacht für den neuen Aufzug, auch eine weitere Treppe kommt ins Gebäude. Zwei Keller gibt es, sie gehörten früher unterschiedlichen Bahngesellschaften. Nur einer von beiden wird saniert und gedämmt sein, hier kommen die Sozial- und der Technikräume hinein. Der zweite Keller wird nicht ausgebaut, er wird nur als Lagefläche dienen.

Auf der alten Holztreppe kommt man derzeit in die Obergeschosse. In der ersten Etage wurde früher das Zollgut angemeldet, hier entstehen vier Schulungsräume der Dorstener Arbeit und des Dorsten-Treffs.

Der Türbereich links wird später einer der beiden Haupteingänge zum Gastro-Bereich.

Der Türbereich links wird später einer der beiden Haupteingänge zum Gastro-Bereich. © Michael Klein

Während diese Räume von Vereinen und Bürgern mitgenutzt werden können, sind die künftigen Büros im 2. Obergeschoss (ehemals Bedienstetenwohnungen) allein der Beschäftigungsgesellschaft, die den Bahnhof als Ankermieter auch verwalten wird, vorbehalten. „Ab Ende 2022“, so hofft Geschäftsführer Jürgen Erhardt, soll der Bürgerbahnhof Fahrt aufnehmen. Schon jetzt aber gibt es Interessenten, die Räumlichkeiten für Feiern, Veranstaltungen und Treffen mieten wollen.