Erwin Biedermann entsetzt Schafe quälten sich stundenlang: Warten auf Wolfsberater unnötig

Schafe quälten sich stundenlang: Warten auf Wolfsberater war unnötig
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Als „Tierquälerei“ bezeichnet Schäfer Erwin Biedermann das, was am Sonntag auf einer Weide in Dorsten-Lembeck passierte. Biedermann, der seit mehr als 50 Jahren Schäfer ist, hatte am Morgen für knapp eine Stunde seine Herde (370 Mutterschafe) verlassen, um einen Kollegen aus Raesfeld abzuholen. In der Zwischenzeit nutzte mutmaßlich ein Wolf (oder mehrere) die Gelegenheit, rund ein Dutzend Tiere, vor allem Lämmer, zu reißen.

Ein Anhänger voll toter Schafe.
Ein Anhänger voll toter Schafe. © Berthold Fehmer

Wer am Montagmorgen zu Erwin Biedermann und seiner Herde wollte, musste zunächst an einem Anhänger voll toter Schafe vorbei. Er habe die Firma, die die Tierkörperbeseitigung übernimmt, am Sonntag angerufen, sagt der 70-Jährige. „Die hatten keine Zeit“, sagt er. Erst am Dienstagmorgen sollen die Tiere abgeholt werden.

„Weg! Aus! Ende! Feierabend!“

Erwin Biedermann, dem bereits Mitte Februar in Dorsten-Rhade 12 Schafe gerissen wurden, das erste Mal in 50 Jahren als Schäfer, stecken die Erlebnisse in den Knochen. Mehr als 10 Kilo habe er seitdem abgenommen: „Die Hosen passen alle nicht mehr.“ Schon im Februar hatte er angekündigt, die Schafe verkaufen zu wollen. Doch was er am Sonntag erlebte, hat diesen Entschluss unumstößlich gemacht: „Weg! Aus! Ende! Feierabend!“

Einer der Herdenschutzhunde von Erwin Biedermann
Einer der Herdenschutzhunde von Erwin Biedermann. Zum Zeitpunkt der Attacke auf die Herde hatte der Hund eine Ruhepause. © Berthold Fehmer

Entsetzt waren nicht nur Biedermann, sondern auch rund zehn Menschen, die am Sonntag lange Stunden auf der Wiese verbrachten. Denn einige Tiere, darunter Lämmer, waren schwer verletzt und quälten sich offensichtlich. „Wenn wir da durch gehen, verwischen wir angeblich Spuren“, so Biedermann am Sonntag: „Die müssen jetzt elendig verrecken.“

Gegen 16.45 Uhr sei der Wolfsberater erschienen und habe bis zum Einbruch der Dunkelheit Spuren gesucht und Abstriche an Schafen genommen, so Biedermann. In der Zwischenzeit hatten Polizisten vor Ort per Telefon die Genehmigung eingeholt, dass der Jagdpächter die schwer verletzten Tiere mit einer Pistole erschießen durfte.

Verletzte Tiere gehen vor

Hätte diese Entscheidung nicht schneller gefällt werden können oder müssen? Wilhelm Deitermann, Sprecher des LANUV, sagt: „Verletzte Tiere müssen versorgt werden. Das geht immer vor.“ Es sei überhaupt nicht die Aufgabe des Wolfsberaters, zu entscheiden, „ob ein Tier erlöst werden muss“. Dessen Aufgabe sei nur, die Spuren zu sichern. Bei der Nachrichtenbereitschaftszentrale seien um 12.40 Uhr die Risse gemeldet worden. „Innerhalb von 24 Stunden muss ein Wolfsberater draußen gewesen sein“, so Deitermann zu den Anforderungen.

Biedermann hatte die Schafe nachts wolfssicher eingezäunt und zwei Herdenschutzhunde zur Aufsicht dazu gestellt. Zum Zeitpunkt der Attacke waren die Schafe aber nicht eingezäunt und die Herdenschutzhunde, die die ganze Nacht auf den Beinen waren, brauchten ihre Ruhezeit. Bei der Frage, ob Biedermann für seine Verluste entschädigt wird, dürfte der mangelnde Schutz klar dagegen sprechen. Deitermann macht auch ganz deutlich: „Sich um verletzte Tiere zu kümmern, wird niemals eine Entschädigung verhindern.“

Dieses Bild einer Wildkamera wurde am 18. März in der Nähe der Wiese aufgenommen, wo am 19. März rund ein Dutzend Schafe gerissen wurden.
Dieses Bild einer Wildkamera wurde am 18. März in der Nähe der Wiese aufgenommen, wo am 19. März rund ein Dutzend Schafe gerissen wurden. © privat

Dass mutmaßlich ein Wolf auch am helllichten Tag angreifen würde - damit hatte Biedermann aber überhaupt nicht gerechnet, obwohl Dorsten im Wolfsgebiet liegt. Laut Deitermann wäre das auch sehr ungewöhnlich, weshalb zunächst erst einmal durch DNA-Probe festgestellt werden müsse, ob es sich wirklich um einen Wolf handelte. Eine Wildkamera hatte rund 500 Meter von der Wiese entfernt am 18. März ein Bild eines wolfsähnlichen Tieres aufgenommen.

Biedermann hat mittlerweile jedes Verständnis dafür verloren, dass Wölfe nicht bejagt werden dürfen. Was er tun würde, wenn er das Sagen hätte? „Ich würde jedem Jagdberechtigten, der im Wald einen Wolf abschießt, 10.000 Euro Prämie geben.“

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