
Mohammadreza Nozary wurde 2015 in der Martin-Luther-Kirche von Pfarrer Matthias Overath (r.) getauft. Inzwischen hat der Iraner seine deutsche Lebensgefährtin geheiratet - dennoch droht dem konvertierten Christen die Abschiebung. © Montage: Leonie Sauerland
„Sicherer Tod“ - Pfarrer aus Dorsten kämpft gegen Abschiebung eines iranischen Christen
Abschiebung
Etwa 200 Menschen aus dem Iran hat Pfarrer Matthias Overath schon getauft. Einem von ihnen droht nun die Abschiebung. Für Mohammadreza Nozary wäre es wohl das Todesurteil.
Für Matthias Overath ist es unfassbares Unrecht, was derzeit einem iranischen Mitbürger widerfährt. „Ich bitte und hoffe und bete, dass der Verhandlungstermin sein Leben, seine Ehe, seine Zukunft, seine Arbeit sichert“, schreibt der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Holsterhausen im Pfarramtlichen Zeugnis von Mohammadreza Nozary. Das ist der Mann, den er vor sieben Jahren taufte. Und dem nun die Abschiebung in den Iran droht.
„Das wäre wohl der sichere Tod für ihn“, sagt Overath. Wer den Islam verlässt und den christlichen Glauben annimmt, muss in der Religionsdiktatur mindestens eine lange Haftstrafe wegen Verbrechen gegen die nationale Sicherheit fürchten, aber auch Folter und Todesstrafe. Die islamische Regierung sieht in christlichen Konvertiten einen Versuch westlicher Länder, den Islam und die Regierung zu untergraben.
Geheime Treffen in Teheraner Wohnungen
Obwohl er weiß, wie gefährlich es ist, beschäftigt sich Mohammadreza Nozary schon in einer Heimat mit dem Christentum und nimmt an geheimen Zusammenkünften in Teheraner Privatwohnungen teil. Nach seiner Flucht nach Deutschland lebt er einige Zeit in der Unterkunft an der Bochumer Straße.
Pfarrer Overath merkt in Gesprächen, wie ernst es Nozary mit dem Übertritt zum Christentum meint. „Er kannte sich wirklich gut aus und hatte eine lange Sehnsucht nach der Taufe“, sagt der Theologe, der Nozary im Oktober 2015 in der Martin-Luther-Kirche feierlich in die christliche Gemeinde aufnimmt.

Bis heute nehmen Mohammadreza Nozary und seine Frau Sandra an Gottesdiensten in der Martin-Luther-Kirche teil und engagieren sich in der Gemeinde. © Stefan Diebäcker
Doch die entscheidende Behörde nimmt Nozary seinen christlichen Glauben nicht ab. In der Anhörung zum Asylantrag fragt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Jahr 2017 nach den Gründen für den Religionswechsel. Nozary antwortet, seine Generation sei verbrannt und belogen worden durch die islamische Religion, die nur aus Lügen bestehe.
Nach wichtigen christlichen Feiertagen gefragt, nennt er Weihnachten, Ostern und Pentikas, womit er Pfingsten meint. Auf Nachfrage zählt er sieben der zehn Gebote auf. Schließlich wird er aufgefordert, seine Körperhaltung beim Gebet zu zeigen. Eine solche Aufforderung zeige, wie berechtigt die Einwände der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegen solche behördlichen Glaubensbefragungen sind, schreibt der Evangelische Pressedienst (epd) zu dem Fall.
Laut Kirche wird verkannt, dass der taufende Pfarrer die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts ebenfalls prüft. Nach Ansicht der EKD seien diese Prüfungen zu unterlassen, weil „der Glaube auf die Aneignung von Wissen reduziert und die Beziehungsebene, das wachsende Vertrauen in Gottes Verheißungen, vernachlässigt“ werde.
Ehegattennachzug möglich, aber gefährlich
Nach der Entscheidung des Bamf ist Mohammadreza Nozary kein Flüchtling mehr und hat kein Recht auf Asyl. Dagegen klagt er, verfolgt das Verfahren aber nicht weiter. Im Oktober 2019 heiratet er seine deutsche Lebensgefährtin. Nun könnte er im Zuge des Ehegattennachzugs ausreisen und mit einem Visum zur Familienzusammenführung wieder einreisen, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen. Doch er weiß, was eine Einreise in den Iran bedeuten würde.
Am 22. Juni 2022 nimmt die Polizei Mohammadreza Nozary um 6 Uhr morgens fest. Er kommt in Abschiebehaft. Ein Eilantrag zur Aussetzung der Abschiebung wird zwei Tage später abgelehnt. Wiederum drei Tage später geht beim Bamf ein Asylfolgeantrag ein. Die Abschiebung wird in allerletzter Minute ausgesetzt.
Mohammadreza Nozary wird noch einmal angehört, doch der Verhandlungstermin, von dem Matthias Overath im Pfarrzeugnis schrieb, endet ergebnislos. Nozary erhält einen Duldungsstatus für drei Monate und darf weiter arbeiten. Wie es weitergeht, ist offen.
„Ein Visumsverfahren für einen konvertierten Christen im Iran ist kein Behördenbesuch in Krefeld oder eine Passbeschaffung in Kanada“, sagt Sebastian Rose vom Verein Komitee für Grundrechte und Demokratie. Zwar sehe das Aufenthaltsgesetz vor, dass ein Ausländer einen Aufenthaltstitel erhält, wenn er die maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat. Davon könne jedoch abgewichen werden, „wenn es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen“. Dies eröffnet einen Ermessensspielraum, der laut Rose im Fall des Iran greifen würde.
Die nach seinem Wegzug aus Dorsten für Nozary zuständige Ausländerbehörde im Kreis Viersen könne diesen Spielraum aber nicht nutzen, wenn das Bamf als übergeordnete Behörde anders entschieden hat, sagt Abteilungsleiterin Gerda Haimüller: „Wir haben uns von Anfang an bemüht, einen legalen Weg aufzuzeigen. Das ist leider nicht gelungen.“
Auch eine Aufenthaltserlaubnis als gut integrierter Ausländer habe man Nozary nicht erteilen können. Nachweise über ausreichende Deutschkenntnisse und Kenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung habe er trotz Aufforderungen nicht vorgelegt.
Es sei absurd, eine Ehe zu zerreißen und einen konvertierten Christen in den Iran zu schicken, um mit irgendwelchen Zeugnissen wiederzukommen, sagt Pfarrer Overath. „Wo doch jeder weiß, dass er nicht lebend zurückkommt.“
Mit Material vom epd
Einst aus Sachsen nach Westfalen rübergemacht. Dort in Münster und Bielefeld studiert und nebenbei als Sport- und Gerichtsreporter gearbeitet. Jetzt im Ruhrpott gelandet. Seit 2016 bei Lensing Media.
