Wie seriös ist Scoperty? Beim Blick auf den Wert von Häusern an der Halterner Straße offenbaren sich extreme Preisunterschiede.

© Claudia Engel

Verführerisch: Scoperty zeigt, was Nachbars Haus wert ist

rnNeue Internetplattform

Wer immer schon mal wissen wollte, wie viel das Haus des Nachbarn oder das der örtlichen Prominenz wert ist, kann bei Scoperty.de hereinschauen. Und vor Neid erblassen.

Dorsten

, 25.02.2021, 18:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

In Dorsten gibt es eine Menge Immobilien. Ein Haus Am Gecksbach, eine große Einfamilienhaussiedlung im grünen Ortsteil-Gürtel von Wulfen-Barkenberg, kostet etwa 147.000 Euro. Oder 420.000 Euro. Wobei die Betonung auf etwa liegt.

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Die Internetplattform „Scoperty“ - ein Start-Up-Unternehmen aus München - bewertet Häuser in Dorsten und vielen Städten Deutschlands nach dem Pi-mal-Daumen-Prinzip und tut so, als stünden sie zum Verkauf.

Wer sich über seine Daten im Netz ärgert, kann seine Immobilie wieder von der Plattform Scoperty.de entfernen lassen. Das geht aber nur unter Angabe von Daten und Mailadresse. In der Regel löscht Scoperty die Einträge dann innerhalb von drei Stunden.

Knapp acht Millionen Immobilien sind auf Scoperty.de mit Preisschildern ausgezeichnet. Dabei stehen sie in den allermeisten Fällen gar nicht zum Verkauf. Dass die Häuser gar nicht veräußert werden sollen, interessiert Scoperty nur am Rande. Scoperty-CEO Michael Kasch sagt auf Anfrage unseres Medienunternehmens: „Es geht darum, den Immobilienmarkt ein bisschen transparenter zu gestalten.“

Dr. Michael Kasch gründet das Start-Up-Unternehmen in München.

Dr. Michael Kasch gründete das Start-Up-Unternehmen in München. © Quirin Leppert

Dorstener Maklerin hat direkt die Löschung beantragt

„Absolut unseriös“ nennt die Dorstener Immobilienmaklerin Ines Ferfers-Wiethoff das. „Weder die Werte noch die Preise stimmen auf Scoperty“, sagt sie. Sie habe direkt nach der Veröffentlichung eigener Immobilien auf Scoperty die Löschung beantragt. Die Widerrufsmöglichkeit hat Scoperty eingeräumt.

Ferfers-Wiethoff sagt, dass Hauseigentümer besser nicht auf diese „Bauernfängerei“ hereinfallen sollten. „Der Wert einer Immobilie wird anhand verschiedener Parameter ermittelt.“ Solide Grundlage ist etwa der örtliche Grundstücksmarktbericht (www.boris.NRW.de), der alljährlich im März nach seiner Aktualisierung veröffentlicht wird.

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Klarheit kann zudem eine Anfrage beim Gutachterausschuss verschaffen. Der Wert einer Immobilie bemisst sich nämlich nicht allein nach dem Baujahr, der Grundstücksgröße und der Wohnfläche in Quadratmeter.

Scoperty macht aber genau das. Und hofft darauf, dass Eigentümer von sich aus weitere Angaben zu ihren Häusern machen, um dann Makler oder finanzierende Banken einschalten zu können, wenn Verkaufsabsichten gehegt werden. „Scoperty kassiert Provisionen, wenn ein Eigentümer Unterstützung beantragt.“

„Schön gedacht, aber leider zu ungenau“

Klaus-Peter Großmann, Immobilienmakler aus Essen, langjähriges Mitglied des Essener Gutachterausschusses und einer der federführenden Veranstalter von Immobilienverkäufen per Auktion in der Essener Philharmonie, beurteilt Scoperty deutlich milder. „Das ist schön gedacht“, sagt er, aber es gebe viele Algorithmen, die man bei Immobilienwertermittlungen zugrundlegen kann. „Scoperty“ sei zu ungenau, meint er.

Stadtsprecher Ludger Böhne hat auf Anfrage neugierig bei Scoperty nach dem Wert seines Wohnhauses gefahndet und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen: „Bei unserem Haus wurde das Baujahr 2005 zugrunde gelegt. Das Haus ist aber von 1920“, sagt er. Wenngleich der von Scoperty ermittelte Wert von 474.000 Euro interessant sei.

Differenzierte Betrachtung mit dem Grundstücksmarktbericht

Er weist wie Ines Ferfers-Wiethoff darauf hin, dass der Grundstücksmarktbericht deutlich differenziertere Betrachtungen eines Ein- oder Mehrfamilienhauses ermöglicht im Vergleich zu Scoperty. Wichtig sei das vor dem Hintergrund, weil der „Immobilienmarkt in Dorsten unter Feuer“ ist.

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„In 2020 standen Einfamilienhäuser extrem hoch im Kurs. Insbesondere ältere Objekte aus den Baujahren 1950 bis 1974 wurden zu hohen Preisen gehandelt und auch in anderen Baujahresgruppen wurden steigende Preise registriert“, hat Böhne Ende November öffentlich gemacht. Der durchschnittliche Preis für Einfamilienhäuser sei in nur einem Jahr um 20 bis 30 Prozent gestiegen.

Trotzdem seien Immobilienverkäufer gut beraten, keine Mondpreise zu verlangen, weil die nackten Zahlen verlockend sind. „Dann bleiben sie auf ihrem Haus sitzen“, warnt Großmann.

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