Netter „Doktor“ quatschte Seniorin unbemerkt in die Pillen-Abo-Falle

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Netter „Doktor“ quatschte Seniorin unbemerkt in die Pillen-Abo-Falle

rnVerbraucherschützer warnen

Der Anrufer redete viel und schnell und versprach der Seniorin eine Probepackung wohltuender Gelenk-Kapseln. Startschuss für ein unfreiwilliges, kostspieliges Abo und eine Betrugsanzeige.

Dorsten

, 30.05.2021, 04:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

Dass wenige Wochen nach dem Besuch seiner Frau in einer Schmerzambulanz ein freundlicher Doktor bei ihnen zu Hause anrief, fand der 82-Jährige sehr nett und gab den Hörer direkt an die Patientin weiter. Als ihnen am Tag nach dem Telefonat fünf Packungen „Hirschberger NaturRat Gelenk Formel Plus“ inklusive einer Rechnung über 159,60 Euro in Haus trudelten, war den Eheleuten schnell klar, dass der vermeintliche Doktor ein Betrüger gewesen sein muss.

Steffi Kipp hat es übernommen, ihre Eltern aus dem ungewollten „Geschäft“ wieder herauszuboxen. Ein Geschäft, bei dem der einzige Fehler der überrumpelten Kundin offenbar darin bestanden hat, nicht einfach den Hörer auf die Gabel zu knallen.

Anrufer redete viel und versprach eine Probepackung

Ihre Tochter berichtet: „Nach Angaben meiner Mutter stellte sich der Anrufer nicht vor, sondern fragte sie, ob sie schon einen Gutschein erhalten hätte. Sie verneinte dies. Daraufhin erwiderte der Anrufer, dass er sich das schon gedacht habe und erzählte ihr dann eine Menge ohne Pause, von dem meine Mutter sagt, dass es wie abgelesen klang und von dem sie nur verstanden hatte, dass sie eine Probepackung bekommen könnte und jede dann von ihr bestellte Packung 39,90 Euro kosten würde. Der Mann ließ meine Mutter gar nicht zu Wort kommen, sondern beendete das Gespräch, nachdem er seinen Text vorgebracht hatte.“

Mit den kostspieligen Wunderkapseln und der Rechnung kam dann schon am nächsten Tag die Information der Bonafair AG aus der Schweiz, dass im Oktober die nächste Lieferung geplant sei. Ein teures Abonnement also.

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Kostspielige Rücksendung auf Kosten der Kunden

Steffi Kipp nahm direkt Kontakt zu der Firma auf. „Ein Mitarbeiter teilte mir mit, dass meine Mutter ja alles schriftlich widerrufen und die Ware wieder zurückschicken könne und dann alles erledigt sei.“ Schriftlich wollte er diese Information allerdings nicht bestätigen. Nein, die Kosten für die Rücksendung in die Schweiz werde seine Firma auch nicht übernehmen. Steffi Kipp: „Nachdem ich dann etwas forscher und fordernder wurde, wurde das Gespräch seitens des Mitarbeiters abrupt beendet.“

Mechthild Clever-Schmitz von der Dorstener Verbraucherberatungsstelle gibt Tipps.

Mechthild Clever-Schmitz von der Dorstener Verbraucherberatungsstelle gibt Tipps. © Bianca Glöckner (A)

Steffi Kipp holte sich Rat bei der Dorstener Verbraucherzentrale. Dort kennt man das Unternehmen mit den Gelenk-Kapseln und der Abo-Masche seit Jahren. Gegen deren Tricks ist offenbar kein Kraut gewachsen. Mechthild Clever-Schmitz, Leiterin der Dorstener Beratungsstelle: „Wer gute Nerven hat, kann Lieferung und Mahnungen einfach ignorieren, denn schon der Anruf durch die Firma gilt als unerlaubte Telefonwerbung. Wir raten aber dazu, vom Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, dem Unternehmen zu schreiben und anzubieten, es könne die Ware wieder abholen.“ Bei der Bundesnetzagentur, der man zudem den Rufnummernmissbrauch melden sollte, ist ein Beschwerdeformular hinterlegt. Auf www.bundesnetzagentur.de gibt es auch Tipps für die Formulierung des Widerrufs.

Widerruf verschickt, die Kapseln bleiben hier

Steffi Kipp ist dem Ratschlag der Verbraucherschützer gefolgt und hat ihren Eltern beim Widerruf geholfen. „Den per Einschreiben und Rückschein in die Schweiz zu schicken, hat mehr als 10 Euro gekostet.“ Eine ärgerliche Ausgabe für ein Geschäft, an dem ihre Eltern völlig schuldlos sind. Bei der Polizei hat sie dann noch Strafanzeige gegen die Firma gestellt.

Die kostspielige Rücksendung der Kapseln, die offiziell als Nahrungsergänzungsmittel gelten und deren Wirkung nach Ansicht der Verbraucherschützer eher zweifelhaft ist, hat Steffi Kipp sich erspart. Dass die Firma die Lieferung abholen lässt, hält Mechthild Clever-Schmitz für unwahrscheinlich: „Das haben wir in all den Jahren noch nie gehört.“

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