Als Mohamad sich entschloss, vor dem Krieg in seiner syrischen Heimat zu fliehen, hatte er schon elf Schuljahre hinter sich. Seine Zeugnisse nahm er mit. Als er endlich in Deutschland ankam, hatte das Mittelmeer seine Papiere für immer verschluckt. „Ich hatte keinen Bock, mit der schulischen Ausbildung noch mal von vorne anzufangen“, erzählt der 25-Jährige sieben Jahre später. Der junge Mann hat gerade die Gesellenprüfung als Parkettleger bestanden und eine feste Anstellung in seinem Ausbildungsbetrieb von Ludwig Schwering in Lembeck.
„Ich hätte gerne noch zwei bis drei weitere Mitarbeiter von Mohamads Sorte“, lobt Schwering, der händeringend nach Auszubildenden und ausgelernten Fachkräften sucht. Mitarbeiter mit unterschiedlichem Migrationshintergrund haben bei Schwering schon immer eine Chance bekommen, deshalb hatte er auch bei Mohamad keine Bedenken. „Der begreift schnell und ist ehrgeizig“, charakterisiert der Chef seinen Gesellen.
Flucht übers Mittelmeer
Von der Abreise aus Syrien bis zur Gesellenprüfung in Deutschland war es ein langer Weg. Mit dem Auto sei er bis in den Irak gereist, berichtet Mohamad. Dann ging es zu Fuß weiter in die Türkei. Von dort aus übers Mittelmeer nach Griechenland. In drei Anläufen. Auf Booten, die für diese Überfahrt alles andere als geeignet waren.
„Mein Bruder war schon vor mir geflüchtet und lebte bereits in Deutschland“, berichtet Mohamad. „Deshalb bin ich von Griechenland gleich weiter nach Deutschland. Auch zu Fuß.“ Passau war die erste deutsche Stadt, die er erreichte. In Stuttgart überlegte er gemeinsam mit seinem Bruder, wo es für sie weitergehen sollte. Die beiden gingen strategisch vor, entschieden sich für Nordrhein-Westfalen und nach einem Blick auf die Landkarte für Dorsten. Mohamad: „Dorsten liegt zentral. Von hier aus ist man schnell in so vielen Städten. Das erschien uns sinnvoll.“

Mohamad belegte einen Deutschkurs, erreichte das Level B2 und fand Arbeit als Fliesenlegerhelfer sowie bei DHL. Dann entschloss er sich, einen handwerklichen Beruf zu lernen, landete bei Ludwig Schwering. „Parkettleger ist nicht so populär, dabei ist ein sehr kreativer Beruf. Die Arbeit mit Holz ist nachhaltig, Parkettböden halten ewig. Und wenn der Zahn der Zeit an ihnen nagt, richten wir sie wieder her.“
Azubis händeringend gesucht
Wer Parkett verlegen kann, kann auch andere Böden verlegen, vom Teppich bis zum Vinyl-Laminat. Aber Parkett, das sei sozusagen die Formel 1 unter den Bodenbelägen. Ein Blick auf diverse Gesellenstücke zeigt, was er meint: Präzise Kanten, ausgeklügelte Muster, perfekte Gehrungsschnitte. Was die Gesellen am kleinen Stück können, zaubern sie auf Wunsch auch auf den Boden der Kunden.
Wie das geht, würde Ludwig Schwering gern weiteren Azubis beibringen. Der Ausblick auf die Pensionsgrenzen eines Teils seiner 30 Mitarbeiter macht ihm Angst. „Wir haben Fachkräftemangel und finden keine Auszubildenden. Das geht auf Dauer nicht gut.“
Mut zur Meisterprüfung?
Ob es für ihn noch weitergeht in der Ausbildung, weiß Mohamad noch nicht. Erstmal ist er froh, die Berufsschule hinter sich zu haben. Dort hatte er es vor allem wegen der Sprache nicht immer leicht. Derweil macht der Chef ihm schon Mut: „Auch die Meisterprüfung ist nicht unerreichbar.“ Ehrgeiz, schnelle Auffassungsgabe und mittlerweile Deutschkenntnisse kurz vor Muttersprachler-Niveau − Schwering zweifelt nicht an seinem Gesellen.
Bevor er ihn durch die Meisterausbildung begleitet, würde er sich allerdings über die Bewerbungen von handwerklich Interessierten jungen Menschen freuen, die sich ein Leben als Boden- oder Parkettleger vorstellen können. Das dürfen auch junge Frauen sein.
Kontakt: Parkett- und Fußbodentechnik Schwering, Inhaber: Ludwig Schwering, Tel. (02369) 76021, E-Mail: info@teppich-schwering.de
Von Afghanistan nach Lembeck: Integration fand auch im Friseursalon statt
Ärger wegen falscher Navi-Angabe: 40-Tonner landen in Dorsten häufig in enger Sackgasse
Das weiß der Chatbot „ChatGPT“ über Dorsten: Wie zuverlässig sind die Informationen?