Mit Harke und Besen auf gute Nachbarschaft Flüchtlinge arbeiten in Dorstens Marienviertel

Gute Nachbarn mit Harke und Besen: Flüchtlinge im Marienviertel
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Rund um die Kirche St. Marien sind die Grünanlagen picobello in Schuss. Dafür sorgen seit einiger Zeit die neuen Nachbarn, die in der Notunterkunft auf dem Gelände der alten Gerhart-Hauptmann Schule an der Bismarckstraße leben. Tharcisse aus Burundi ist einer der Männer, die sich in der Unterkunft für die freiwillige Arbeit gemeldet haben. Dort wohnen vorübergehend 718 Flüchtlinge in laufenden Asylverfahren sowie 61 Ukrainer und Ukrainerinnen.

In dieser Woche ziehen 360 Asylbewerber in eine Zentrale Unterbringungseinheit nach Münster. Dort sei es ein wenig „komfortabler“ als in der Zeltstadt, berichtet Martin Reddig von der Bezirksregierung. Für Tharcisse und viele seine Mitstreiter war es dennoch keine Frage: „Wir wollen hier bleiben. Wir fühlen uns hier sehr wohl. Die Menschen sind sehr nett zu uns.“

In Dorsten seien die Chancen auf Wohnung und Arbeit zudem größer als in der Universitätsstadt. Deshalb hoffen viele, in der Lippestadt bleiben zu können, wenn ihr Asylantrag bearbeitet ist.

Tharcisse aus Burundi
In seiner Heimat Burundi hat Tharcisse als Englischlehrer an einer katholischen Schule gearbeitet. Die Unterdrückung von Opposition und Zivilgesellschaft hat ihn zur Flucht bewogen. Er hofft auf ein Wiedersehen mit Frau und Kind. © privat

In der Kirchengemeinde hofft man das auch, denn die 60 fleißigen Helfer aus der Notunterkunft werden nicht nur draußen dringend gebraucht. Die Männer aus dem überwiegend katholischen Burundi haben einen Chor gegründet und bereichern mit ihrem Gesang seit Pfingsten regelmäßig das Gemeindeleben im Marienviertel.

Die 60 Arbeitskräfte, die für ihren Einsatz mit 80 Cent pro Stunde „entlohnt“ werden, haben unter Anleitung des Hausmeisters der Notunterkunft, Andreas Gardiner von den Maltesern, ihren Aktionsradius inzwischen über das Marienviertel hinaus vergrößert.

Flüchtlinge aus Burundi singen im Chor
Der Chor aus Burundi wird gern gehört in St. Marien. © privat

Pfarrer August Hüsing ist dankbar für die tatkräftige Hilfe, die die Gruppe auch rund um St. Josef leistet. Und auch bei der Stadt nimmt man die Hilfe der Flüchtlinge, zum Beispiel rund um den Blauen See, gerne an.

Alles in Absprache mit Andreas Gardiner und Martin Reddig. Die beiden sind fest davon überzeugt, dass die Arbeit die Integration und das Gemeinschaftsgefühl fördert. Reddig: „Und wenn das Marienviertel dabei Deutschlands sauberster Stadtteil wird, freuen wir uns auch.“

Andreas Gardiner ist zudem wild entschlossen, jeden Bewohner aus der Notunterkunft, der sich zur regelmäßigen Arbeit meldet, in das Projekt einzubinden, sofern die Arbeitseinstellung stimmt. Die Malteser, die die Notunterkunft betreuen, werden demnächst weiteres Material sponsern, damit die Arbeitskräfte entsprechend ausgerüstet an die Einsatzorte gehen können.

In St. Marien sind die Männer inzwischen gut bekannt und gern gesehen. Die Atmosphäre in der Gemeinde ist herzlich. Pfarreiratsvorsitzende Ursula Bensch ist schier begeistert von den „tollen Begegnungen und der Bereicherung“ durch den Kontakt zu den Flüchtlingen. Wenn es in Einzelfällen mal nicht so rund läuft zwischen den alten und den neuen Nachbarn, steht Martin Reddig beinahe Tag und Nacht für persönliche Gespräche und Interventionen zur Verfügung und sorgt so dafür, dass die Herzenswärme und Willkommenskultur im Viertel nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Gartenmöbel selbst gebaut

In der Unterkunft gebe es strenge Regeln, um das nachbarschaftliche Miteinander im Viertel nicht zu stören, berichtet er. In manchen Außenbereichen zum Beispiel muss am Abend Ruhe herrschen, telefoniert und diskutiert wird woanders. Um draußen gemütlich beisammensitzen zu können, haben die Flüchtlinge gemeinsam mit Andreas Gardiner aus Europaletten Bänke und Tische gebaut. „Die schwatzen wir den Lieferanten ab, die die Unterkunft beliefern“, berichtet Martin Reddig augenzwinkernd.

Schuhe, Fahrräder und Kinderwagen würden nach wie vor dringend von Neuankömmlingen gebraucht, berichtet Andreas Gardiner. Solche Sachspenden können direkt an der Unterkunft abgegeben werden. „Viele besitzen nur ein Paar Badeschlappen“, berichtet er, „damit können wir sie doch nicht zum Arbeiten schicken.“

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