
© Falko Bastos
Festmacher an der Schleuse in Dorsten werden noch Jahre gebraucht
Marode Poller
Wegen maroder Nischenpoller in der Dorstener Schleuse sind dort rund um die Uhr „Festmacher“ im Einsatz. Dabei sollte gerade in Dorsten alles schon viel weiter sein. Am Geld liegt es nicht.
Christopher Schulz hat einen der ungewöhnlichsten Berufe in Dorsten. Er ist als „Festmacher“ an der Dorstener Schleuse beschäftigt. Seine Aufgabe: Die Schiffe in der großen Schleuse an den Landpollern so zu vertauen, dass diese keine Schäden an den Wänden und Toren verursachen können.
Nötig ist dies, weil die Nischenpoller an den Schleusenwänden der großen Schleuse so marode sind, dass ein Schiff, das daran festmacht, sie aus der Wand reißen könnte. Deshalb dürfen die schon seit dem vergangenen Jahr nicht mehr benutzt werden.
Seit rund einem Jahr sind die Festmacher im Drei-Schicht-Dienst rund um die Uhr im Einsatz. Inzwischen sei das Thema bei der Binnenschifffahrt angekommen, sagt Tobias Knopp vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Duisburg-Meiderich. „Anfangs wurde das aber ins Lächerliche gezogen.“ Als „Leinenmännchen“ habe manch ein Matrose die Festmacher verspottet.
Festmacher werden dringend gebraucht
In Zeiten voll digitalisierter Schleusen wirkt der Festmacher-Dienst so anachronistisch wie ein Schrankenwärter. Dennoch ist er offenbar nötig: „Das ist immens wichtig für die Sicherheit“, sagt Knopp. Und für den Erhalt der Anlage selbst. Denn stößt ein Schiff gegen eines der Schleusentore, liegt alles lahm. „Ein 4000-Tonnen-Schiff geht da so durch“, so Knopp. Viele Industriestandorte im Ruhrgebiet, wie der Chemiepark Marl, sind auf die Versorgung über den Wesel-Datteln-Kanal dringend angewiesen.
Auch für die Leistungsfähigkeit der Schleuse sei der Dienst eine Verbesserung. Denn nun können wieder zwei Schiffe gleichzeitig hinein. Als zuvor nur eines hinein durfte und gleichzeitig die kleine Schleuse erneuert wurde, kam es zu stundenlangen Wartezeiten.

Schichtleiter Sascha Wobbe erfährt als erstes vom Eintreffen eines Schiffs an der Schleuse. © Falko Bastos
Der Job des Festmachers ist schnell erledigt. Kurz vor Eintreffen eines Schiffs wird er per Funk verständigt. An der Schleusenmauer wirft er ein Wurfseil hinunter zum Matrosen und zieht das Tau hoch, mit dem er den Kahn am Landpoller befestigt.
Enormer finanzieller Aufwand
Und dennoch ist der Aufwand enorm. „Vor allem die Personalkosten“, sagt Knopp. Rund zwei Millionen Euro jährlich kostet der Dienst, der an allen sechs Schleusen des Wesel-Datteln-Kanals eingesetzt wird. Und auch der Festmacher muss festgemacht werden. Wie ein Kletterer ist Christopher Schulz per 5-Punkt-Gurt gesichert.

Viele Industriestandorte im Ruhrgebiet sind von den Lieferungen über den Wesel-Datteln-Kanal abhängig. © Falko Bastos
Damit er sich aber entlang der Schleusenmauer bewegen kann, wurde eigens eine aufwendige Drahtseil-Konstruktion gebaut, die an Dutzenden großen Betonquadern hängt. „Das ist statisch durchgerechnet, die müssen so voluminös sein“, sagt Knopp.
Warum also dieser Aufwand, statt direkt die Nischenpoller zu erneuern? Die Antwort hat nichts mit Geld zu tun, sondern mit Fachpersonal im Schifffahrtsamt. Es fehlen Ingenieure, die die Erneuerung planen können. „Uns wurden viele Stellen versprochen, aber passiert ist nichts“, klagt Tobias Knopp. Allein zuständig für Festmacherdienste und Poller-Erneuerung ist die junge Baubevollmächtigte Ina Surma.
Leitzentrale entsteht in Dorsten - irgendwann
„Sinn und Zweck ist es natürlich, den Festmacher-Dienst wieder einzustellen“, sagt sie. Wann dies der Fall ist, wagt sie aber noch nicht zu prognostizieren. Nur so viel: „Das wird noch Jahre dauern.“ Rund 200 Nischenpoller gilt es allein in Dorsten zu erneuern.

Tobias Knopp und Ina Surma vom WSV müssen die marode Infrastruktur verwalten. Im Schifffahrtsamt fehlt es vor allem an Personal. © Falko Bastos
Und mit einem einfachen Austausch der Pollerzapfen ist es nicht getan. Die Poller müssen wohl großflächig samt Verankerung herausgestemmt werden - und dies im laufenden Schleusenbetrieb. Maßnahmen, die umfangreiche Planungen erfordern. „Mit der Personalsituation wird es nicht schneller gehen“, sagt Knopp.
Und so werden die Festmacher wohl noch einige Jahre manuell eingreifen müssen. Und das, obwohl man gerade in Dorsten schon viel weiter sein wollte. Denn hier soll eine moderne Leitzentrale entstehen, die Personal in den Schleusen künftig überflüssig macht. „Von da aus wird dann der gesamte Wesel-Datteln-Kanal ferngesteuert“, erklärt Tobias Knopp. Irgendwann zumindest.
Denn: „Die sollte schon lange fertig sein“, sagt Schichtleiter Sascha Wobbe. Der ursprünglich geplante Baustart: vor mehr als fünf Jahren. „Das wird auf jeden Fall kommen“, sagt Tobias Knopp. „Die Frage ist nur, wann.“ Bis 2030 soll auch die große Schleuse komplett erneuert werden. Das könnte eng werden.
Aufgewachsen im tiefsten Münsterland, Volontariat bei Lensing Media, Redakteur der Dorstener Zeitung. Immer auf der Suche nach den Geschichten, die diese Stadt schreibt.
