Spaziergang auf dem Grund der Schleusenkammer
Bauwerk wird saniert
Seit Monaten wird die kleine Kammer der Dorstener Schleuse erneuert. Jetzt stehen die finalen Arbeiten an. In knapp zwei Wochen werden die neuen Tore am Unter- und am Oberwasser eingehoben. Deswegen hat das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt jetzt das Wasser abgelassen. Redakteurin Jennifer Riediger nutzte die seltene Gelegenheit und ging der Kammer auf den Grund.

Jennifer Riediger hat alles genau im Blick. Foto: Andreas Leistner
Eine dünne helle Linie an der Betonmauer verrät es. Bis dorthin steht in der kleinen Kammer der Dorstener Schleuse normalerweise das Wasser. Vier Meter hoch. Wenn ein Schiff vom Unter- zum Oberwasser geschleust wird, steigt der Wasserspiegel noch einmal um neun Meter an. Wie viel Wasser dann genau in der 110 Meter langen und zwölf Meter breiten Schleuse ist? „Kann man ja einfach ausrechnen“, sagt Jens Hache vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Muss aber eigentlich auch nicht. „Viel“ reicht als Antwort, um für ein leicht flaues Gefühl im Magen zu sorgen. Denn da, wo normalerweise schwere Pötte Fahrstuhl fahren, da will ich jetzt runter.
Horrorvisionen im Vorfeld
„Da würde ich ja nie reingehen. Stell dir mal vor, plötzlich kommt eine riesige Welle“, hatten mich die Kollegen vor meinem Besuch dankenswerterweise an ihren Horrorvisionen teilhaben lassen. „Nur nicht verrückt machen lassen“, beruhigt Jens Hache, als er mich auf der Kanalbrücke begrüßt, und zeigt auf die schwarzen Dammbalken unter uns, die am Unterwasser derzeit das Schiebetor ersetzen. Etwa 50 Zentimeter ist jedes von ihnen hoch. Gestapelt – und hoffentlich fest miteinander verbunden – halten sie den Kanal davon ab, die Kammer zu fluten. „Die sind fest“, sagt Hache. Trotzdem lugt da ein Rohr über die Dammbalken, durch das Wasser von der Kammer in den Kanal fließt. Auch ein Plätschern ist zu hören. „Das ist ganz normal“, sagt Jens Hache. Und da er selbst mit runter in die Kammer will, und das ja nicht täte, wenn ..., folge ich ihm zum Gerüst, über das es jetzt rund 15 Meter hinabgehen soll.
Allerdings: Es gebe auch noch eine andere Möglichkeit, auf den Grund der Kammer zu kommen. „Das ist unser Rettungsdavid“, sagt Jens Hache und zeigt auf einen kleinen Kran neben dem Gerüst, an dem eine Transportliege tief unten in der Kammer hängt. „Falls sich mal jemand bei der Arbeit unten schwer verletzt, kann man ihn damit herausziehen. Das ist aber noch nie passiert, deswegen suchen wir noch einen Freiwilligen, der es ausprobiert“, sagt der Ingenieur augenzwinkernd. „Ein relativ kleiner und leichter Mensch wäre dafür doch ganz gut“, greift Kollege Andreas Leistner, der als Fotograf mitgekommen ist, seinen Vorschlag auf. Nein, danke fürs Angebot. Dann steigt die 1,60 Meter große Frau doch lieber selbst mit ihren gummigestiefelten Füßen das Gerüst hinab. Die eigentliche Mutprobe, wie sich herausstellt, kann man doch durch jede Stufe einen wunderbaren Blick in die Tiefe „genießen“. Das Geländer ist danach auf jeden Fall sauber, meine Hände voller Staub.
Neu gewonnener Respekt
Mit viel neu gewonnenem Respekt für Gerüstbauer und einem lauten „Platsch“ betrete ich nach einer gefühlten Ewigkeit den Kammerboden. „Wo kommt denn das Wasser her?“, will ich alarmiert wissen. „Ich dachte, die Balken sind dicht.“ „Ja, ganz dicht bekommt man sie nicht“, gibt Jens Hache zu. Deswegen gibt es also diese Rohre, die oben von der Brücke schon zu sehen waren, durch die das Wasser über die Dammbalken zurück in den Kanal gepumpt wird. Außerdem sammele sich natürlich auch Regenwasser in der Schleuse. Genauso wie Muscheln, die beim Gang durch die Kammer unter unseren Füßen knacken. „Wir haben auch manchmal Fische hier, zum Beispiel Aale“, erzählt Jens Hache.
Ansonsten sieht es hier unten recht sauber aus. Die hohen Betonmauern sind glatt und trocken und im Schlamm bleibt der Stiefel auch nicht stecken. Nicht mehr jedenfalls. „Als wir das Wasser abgelassen haben, war etwa ein Meter Schlamm in der Schiebetor-Nische“, erzählt Jens Hache. Denn das Wasser wird für Bauwerksinspektionen nur einmal in sechs Jahren abgelassen. „Da sammelt sich dann schon was an.“ Einmal feucht durchwischen reicht da nicht aus. „Ein Kran hat einen kleinen Radlader hier herunter gelassen, der eine Bürste vorne dran hat. Und der hat dann geputzt.“ Der Dreck wurde in kleine Container gefüllt und dann, wieder mit dem Kran, nach oben transportiert.
In dem Dreck hätten die Arbeiter sonst nicht alles für den Einhub der beiden neuen Tore vorbereiten können, die schon fertig zusammengeschweißt neben der kleinen Kammer auf Stahlstützen liegen. Für das Hubsenktor am Oberwasser, auf das wir jetzt zulaufen, mussten zum Beispiel neue Schienen an den Wänden montiert werden. Die letzten Arbeiten werden gerade gemacht; Schweißgeräusche sind zu hören.
Im Gegensatz zum Unterwasser versperrt am Oberwasser eine hohe massive Betonwand den Blick auf die Dammbalken. „Das ist die Prallwand, eine Art Wellenbrecher. Sie ist ein Strömungshindernis und sorgt bei der Schleusung für eine Beruhigung in der Schleusenkammer“, erklärt Hache, als wir vor der riesigen Wand angekommen sind. Und die Schiffe fahren über die Wand? „Ja, so ist das. Eine Bergschleusung, also eine Schleusung vom Unter- zum Oberwasser, läuft so: Das Tor wird nur angelupft, sodass ein Spalt darunter frei ist, das Wasser fließt unten durch gegen die Prallwand, und wenn der Wasserspiegel zwischen Kammer und Oberwasser ausgeglichen ist, dann wird das Hubtor versenkt und die Binnenschiffe fahren darüber.“