Künstlerin Mia Weinberg steht vor einer Installation, die das Haus ihrer Urgroßmutter zeigt.

© Julian Preuß

Dorstener Jüdin floh nach Schweden: Ausstellung erklärt Kindertransporte

rnJudenverfolgung

Als Mädchen brachten Kindertransporte Ilse Reifeisen von Dorsten nach Schweden, um sie vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Das Jüdische Museum erzählt ihre Geschichte. Sie ist ungeplant aktuell.

Dorsten

, 08.04.2022, 16:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Mit der Machtübernahme von Adolf Hitler und den Nationalsozialisten in Deutschland änderte sich das Leben der Dorstener Familie Reifeisen gravierend.

Familie Reifeisen wird 1938 deportiert

Die Familie besaß ein Bekleidungsgeschäft in der Innenstadt an der Essener Straße. Allerdings hatte Simon Reifeisen, der Vater der 1926 geborenen Ilse, eine jüdisch-polnische Herkunft. Die Familie ist deshalb 1938 von den Nationalsozialisten nach Polen deportiert worden.

Norbert Reichling blickt auf ein Schild an der Wand, auf dem die Biographie von Ilse Reifeisen zu sehen ist.

Norbert Reichling ist Vorsitzender des Trägervereins vom Jüdischen Museum Westfalen. Er blickt auf die Biografie von Ilse Reifeisen. Die Jüdin aus Dorsten wurde mit den Kindertransporten nach Schweden gebracht. © Julian Preuß

Mit 13 Jahren konnte Ilse Reifeisen in Sicherheit gebracht werden. Mithilfe von Kindertransporten reiste sie nach Schweden ein. Getrennt von ihren Eltern, die später in Konzentrationslagern sterben sollten. Allerdings dachte sie immer daran, irgendwann in ihre Heimat zurückzukehren.

Viele weitere Kinder und Jugendliche teilten damals dieses Schicksal. Das Jüdische Museum Westfalen in Dorsten erzählt deshalb ihre Geschichten im Rahmen der Ausstellung „Kinder auf der Flucht: Kindertransporte, 1938-1939“.

Ausstellung bringt sechs Schicksale näher

Fotos, Briefe und Postkarten lassen die Besucherinnen und Besucher ab Sonntag (10 April., 11 Uhr, bis zum 3. Juli) die Schicksale von Jsidor Hermann Ottmann (Gladbeck), Kurt Max (Köln), Ilse Reifeisen (Dorsten), Josef Dortort (Bottrop), Werner Blumenthal (Bochum) und Vera Buchthal (Dortmund) erleben.

Thomas Ridder hält historische Postkarten in seinen Händen.

Kurator Thomas Ridder zeigt Postkarten und Briefe, die Ilse Reifeisen zugeschickt bekommen hat. © Julian Preuß

Wegen des Krieges in der Ukraine hat das Thema ungewollt an Aktualität gewonnen. Internet und Nachrichten haben in den letzten Tagen Aufnahmen von ukrainischen Kindern gezeigt, auf deren Körpern die Eltern ihre Namen und Kontaktdaten geschrieben hatten - für den Fall, dass die Kinder von ihren Eltern getrennt werden.

Die Planungen für die Ausstellung hätten allerdings schon einige Zeit angedauert, erklärt Kurator Thomas Ridder: „Von der ersten Idee bis zu Eröffnung der Ausstellung sind anderthalb Jahre vergangen.“

Künstlerin Mia Weinberg verarbeitet Familiengeschichte

Diese Idee beinhaltet ebenfalls, nicht nur die Geschichte der sechs Menschen aus Westfalen und dem Rheinland zu erzählen. Zu der Ausstellung gehört zusätzlich eine mehrteilige Installation der Künstlerin Mia Weinberg.

Die 64-Jährige ist in England aufgewachsen und lebt aktuell in der kanadischen Metropole Vancouver. Der deutsch klingende Name deutet bereits auf das Schicksal von Weinbergs Vorfahren hin. Ihr Vater war ebenfalls eines der Kinder, die mit den Kindertransporten vor der nationalsozialistischen Judenverfolgung geflohen sind.

Auf Englisch erzählt Weinberg von ihren Wurzeln in Werther, nahe Bielefeld. Während ihrer Zeit an der Kunstschule begann sie, sich für die Geschichte ihres Vaters zu interessieren.

Projektion spiegelt Erinnerungen von Weinbergs Vater

„Mit meinem Vater habe ich Werther besucht und dort die Gespräche sowie Geräusche aufgezeichnet“, erzählt Weinberg. Daraus entstanden ist eine Projektion, bei der die Worte ihres Vaters sowie Straßenkarten von Werther auf einer dunkle Stoffwand zu sehen sind.

Auf einer schwarzen Leinwand aus Stoff zeigt das Jüdische Museum Westfalen in Dorsten eine Karte von Werther in Ostwestfalen.

Zu Weinbergs Ausstellung gehört auch diese Projektion: Sie zeigt unter anderem eine Karte vom ostwestfälischen Werther - dem Ort, aus dem ihr Vater stammt. © Julian Preuß

Zusätzlich zeigen weitere Installationen Fotos vom Haus ihrer Urgroßmutter und ihrer Vorfahren. Sie sagt: „Damit habe ich meine Familiengeschichte aufgearbeitet.“

Und noch einen Vorteil hatte die Arbeit an den Werken: „Früher habe ich mich in Deutschland nicht willkommen gefühlt. Nach einer Ausstellung in Werther hat sich das gedreht.“ Ihr Werk verarbeitet die Geschichte der Kindertransporte aus dem Blickwinkel nachfolgender Generationen. Und genau diese möchte das Jüdische Museum mit dieser Ausstellung ansprechen.