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Dorstener Intensivpfleger kämpfen um das Leben jedes Corona-Patienten
Coronavirus
Als Patrick Kedora sich entscheid, Intensivpfleger zu werden, dachte noch niemand an Corona. Das Virus hat die Arbeit seines Teams gründlich verändert. Ans Aufhören denkt er dennoch nicht.
Eigentlich wollte er Polizist werden, schon von Kindheit an. Aber die Schulnoten waren dafür nicht gut genug. Das kann manchmal auch ein Segen sein, wie der Fall von Patrick Kedora zeigt. Denn der heute 33-Jährige absolvierte sein Jahrespraktikum fürs Fachabitur an einem Krankenhaus - und blieb dort.
Dass er da genau richtig ist, beweist er seit zehn Jahren. Seit sechs Jahren ist er pflegerischer Leiter der Intensivstation am Dorstener St. Elisabeth-Krankenhaus. Als er an der Uni-Klinik Münster nach dem Krankenpfleger-Examen die Zusatzausbildung zum „Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie“ durchlief, ist er auf viele Situationen und Krankheitsbilder vorbereitet worden, eine Pandemie und Covid 19 waren allerdings nicht darunter. Davon ahnte auch noch niemand etwas, als der Marler vor sechs Jahren die Stationsleiter-Stelle in Dorsten annahm.
Auf Intensiv geht es nicht nur wegen Corona um Leben und Tod
Von den neun Intensivbetten waren während der Pandemie zeitweise sechs bis acht mit Corona-Patienten belegt. „Das war der bisherige Höhepunkt“, berichtet Patrick Kedora kurz vor dem Jahreswechsel. Zwischen einem und vier Corona-Patienten sind seither immer in der Obhut der Intensiv-Teams. „Unterschwellig ist das Thema immer da“, sagt Kedora, „das ist schon eine Dauerbelastung.“ Und das Dorstener Hospital sei ein vergleichsweise kleines Haus, „für die Kolleginnen und Kollegen an den großen Häusern kommt da noch mal eine Schüppe drauf.“

In voller „Corona-Montur“: Patrick Kedora studiert eine Patientenakte. © KKRN GmbH
32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 25 in Vollzeit, schuften auf der Intensivstation. Sie versorgen Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkten, nach großen Operationen, mit Magenblutungen, mit diversen Lungenproblemen - und seit Ausbruch der Pandemie auch solche mit Covid 19. Kedora: „Wir haben damit inzwischen mehr Erfahrung als zu Beginn, haben Routine mit Medikamenten und Lagerung, aber jeder Covid-Patient stellt nach wie vor eine besondere Herausforderung dar.“
„Bei uns musste bisher kein Patient alleine sterben“
Da, wo die vollständige Genesung Ziel und Belohnung der unermüdlichen Arbeit ist, kommt das Coronavirus als ein besonders böser Feind daher. Umso größer ist beim Team die Freude über jene Patienten, die „gerettet“ werden konnten, wenngleich Patrick Kedora dieses Wort gar nicht hören möchte. „Das klingt so heldenhaft“, sagt er, „dabei ist es doch unser Job, Menschen zu helfen.“ Dennoch: Als ein junger Patient nach der Behandlung an der Künstlichen Lunge (ECMO) in Köln zurück ans Dorstener Krankenhaus gekommen sei und „seinen“ Betreuern auf der Intensivstation Hallo gesagt habe, habe man mal wieder gewusst, wofür man diesen Job mache und ihn so liebe.
Corona mit seinen unberechenbaren Krankheitsverläufen macht diesen Job nicht leichter, hat aus den Intensivschwestern und -pflegern auch Sterbebegleiter gemacht. „Die Angehörigen dürfen doch nicht kommen“, berichtet Kedora, „da müssen wir halt den letzten Weg mitgehen.“ Keiner habe auf seiner Station alleine sterben müssen, darauf ist er stolz. Und kein Covid-Patient müsse qualvoll sterben. „Gegen Luftnot gibt es wirksame Medikamente.“
Pflegekräfte nehmen Gesprächsangebote gern an
Kedora kümmert sich nicht nur um die Patienten, er hat auch stets ein Ohr an seinem Team. Niemand habe bisher wegen Überlastung gekündigt, erzählt er, die Fluktuation durch Umzüge oder Stellenwechsel sei im völlig normalen Bereich. Aber ihm sei schon wichtig, dass die Belastung - körperlich und seelisch - nicht überhand nehme. „Durch den Lockdown fehlt uns allen ja auch der Ausgleich in der Freizeit.“ Auch den Teamgeist stärkende Veranstaltungen wie Sommerfest oder Weihnachtsfeier sind Corona zum Opfer gefallen. Umso dankbarer ist Kedora für die Extra-Sprechstunden der Psycho-Onkologin Stefanie Riegert und der Krankenhaus-Seelsorger, die stets für die Mitarbeiter da seien.

Die Tür zur Intensivstation des Elisabeth-Krankenhauses bleibt für Angehörige wegen Corona weitestgehend geschlossen. © KKRN GmbH
„Unsere Teams sind gut aufgestellt, die Kollegen stützen sich gegenseitig, auch wenn das Gesundheitssystem insgesamt eine Neuaufstellung gebrauchen könnte“, sagt Kedora mit Verweis auf Arbeitsbedingungen und Bezahlung. Applaus und singuläre Bonus-Zahlungen seien auf Dauer nicht die Lösung. „Der Pflegeberuf muss attraktiver gemacht werden, denn wie man gerade sieht: Wir werden mehr denn je gebraucht.“
Zumal Corona noch längst nicht überwunden sei. Kedora macht sich schon sorgen, dass Omikron sich auch unter Mitarbeitern breitmachen könnte und Erkrankungen und Quarantäne-Anordnungen Lücken reißen könnten. „Die nächsten Wochen werden spannend.“ Die nächsten Monate sicher auch, denn im Frühjahr soll die Impfpflicht für Pflegekräfte kommen. Dann müssen sich auch die letzten ungeimpften Mitarbeiter entscheiden.
Das Impfen ist ein schwieriges Thema auf der Station
Überhaupt, das Impfen ist ein Thema, das der geimpfte und geboosterte Stationsleiter im Interview gern umschifft hätte. „Es wäre schön, wenn alle Menschen geimpft wären“, gibt er zu Protokoll. „Aber ich würde mir auch wünschen, wir würden im Gespräch mit Ungeimpften besser zuhören und auch mal versuchen, ihre Beweggründe zu verstehen.“ Die Grundstimmung in der Gesellschaft beobachtet er mit Sorge.
Wut auf ungeimpfte Patienten auf seiner Station erlaubt er sich nicht. „Sie sind krank und haben ein Recht auf optimale Behandlung. Und wir hatten hier auch noch nicht den Fall, dass wir andere Kranke wegen Corona-Patienten nicht gut versorgen konnten.“ Ungeimpfte Patienten frage er dennoch nach ihren Motiven, versuche sie zu verstehen und zu überzeugen, auch wenn das nicht immer gelinge.
Geboren und geblieben im Pott, seit 1982 in verschiedenen Redaktionen des Medienhauses Lensing tätig. Interessiert an Menschen und allem, was sie anstellen, denken und sagen.
