
Jonas Engelmeier zieht am Freitag gegen das Land NRW vor Gericht. Er steht stellvertretend für viele Selbstständige, die sich gegen die geforderte Rückzahlung der Corona-Soforthilfe wehren. © privat
Corona-Soforthilfe: Dorstener verklagt Land NRW „nicht des Geldes wegen“
Coronavirus
Die Corona-Soforthilfe für Selbstständige kam flott. Doch dann forderte das Land NRW plötzlich Tausende Euro zurück. Ein Dorstener zieht nun stellvertretend für viele Betroffene vor Gericht.
Urteilsbegründungen gehören normalerweise nicht zur Morgenlektüre von Jonas Engelmeier. An diesem Dienstag hat der Dorstener jedoch eine Ausnahme gemacht und 20 dicht bedruckte Seiten vom Kölner Verwaltungsgericht gelesen. „Da hat‘s richtig gescheppert“, sagt er.
Mit Genugtuung las Engelmeier Sätze wie diesen: „In den Antragsunterlagen findet sich an keiner Stelle ein expliziter Hinweis darauf, dass eine Bewilligung bloß vorläufig erfolgen und nach Ablauf des Bewilligungszeitraums ein späteres Rückmeldeverfahren mit Erlass eines Schlussbescheides stattfinden solle.“
Rund 2000 Verfahren landesweit
Das bestärkt ihn in seinem Vorhaben, an diesem Freitag vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen selbst gegen die Rückforderung von Corona-Soforthilfen durch das Land Nordrhein-Westfalen zu klagen. Landesweit richten sich rund 2.000 Klagen von Kleinunternehmern und Solo-Selbstständigen gegen die Bescheide der Bezirksregierungen mit Forderungen von mehreren tausend Euro.

So einen Bewilligungsbescheid über 9.000 Euro Corona-Soforthilfe erhielten Tausende Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer in NRW. Später forderte das Land plötzlich Rückzahlungen. © picture alliance/dpa
Mehr als 400.000 Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer aus NRW haben im Frühjahr 2020 die Corona-Soforthilfe beantragt. Die meisten beantragten 9.000 Euro, so wie Jonas Engelmeier, und bekamen das Geld auch zügig. Allerdings stellte das Land NRW später plötzlich Rückzahlungsforderungen. Die Selbstständigen wehren sich dagegen, weil sie davon ausgegangen sind, das Geld behalten zu können. Aus dem Bescheid sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich um eine vorläufige Bewilligung gehandelt habe.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte im August im Zuge dreier Pilotverfahren den Empfängern der Soforthilfe Recht gegeben und die Bescheide der Bezirksregierung Düsseldorf für rechtswidrig erklärt. Köln folgte nun der Argumentation des Düsseldorfer Gerichts. Das Land NRW hat die Möglichkeit, Berufung einzulegen und vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen.
Fall aus Dorsten als Musterprozess
Engelmeiers Fall wird als Musterprozess für weitere gleich gelagerte Verfahren am Gelsenkirchener Verwaltungsgericht verhandelt. Den Stress, sein eigenes Bundesland zu verklagen, tue er sich „nicht des Geldes wegen“ an, sagt Jonas Engelmeier: „Ich mache das, weil es eine perfide Taktik der Landesregierung war, darauf zu setzen, dass sich von Corona gebeutelte Selbstständige so einen Prozess nicht leisten können.“
Die Gerichtsverhandlungen sind nur möglich, weil Betroffene sich in der „Interessengemeinschaft NRW-Soforthilfe“ vernetzt haben, aus der wiederum die „Interessengemeinschaft Kampfkasse“ hervorgegangen ist. Jedes Mitglied der IG Kampfkasse zahlt einen Beitrag, über die Höhe entscheiden die Mitglieder jeweils selbst. Aus diesem Topf werden die Musterklagen finanziert.
Einst aus Sachsen nach Westfalen rübergemacht. Dort in Münster und Bielefeld studiert und nebenbei als Sport- und Gerichtsreporter gearbeitet. Jetzt im Ruhrpott gelandet. Seit 2016 bei Lensing Media.
