
Annette Hilfing lebt alleine in einer Wohnung in Wulfen-Barkenberg. Wegen der steigenden Energiekosten blickt sie mit Sorge in Richtung Herbst und Winter. © Julian Preuß
Stromkosten: Annette Hilfing (54) erwägt drastische Sparmaßnahmen
Energiekosten
Während draußen hochsommerliche Temperaturen herrschen, überlegt Annette Hilfing aus Dorsten, wie sie die Heizkosten im Winter zahlen soll. Viele Optionen bleiben nicht.
In der Barkenberger Wohnung von Annette Hilfing ist es am Dienstagnachmittag (19.7.) angenehm kühl. Draußen brennt die Sonne auf die Straßen, Thermometer messen an mehreren Stellen in Dorsten mehr als 40 Grad Celsius. Und trotzdem denkt die 54-Jährige ans Heizen. Denn die gegenwärtige Energiekrise treibt bei der gelernten Einzelhandelskauffrau und Busfahrerin die Sorgenfalten auf die Stirn.
Infolge des Krieges in der Ukraine sind die russischen Gaslieferungen nach Europa stark zurückgegangen. Dementsprechend teuer wird das Heizen im Winter werden. Zwar heizt Hilfing ihre Drei-Zimmer-Wohnung in Barkenberg nicht mit einer Gasheizung, aber mehr zahlen wird sie trotzdem müssen.
Strompreise steigen durch den Krieg in der Ukraine
„Wir haben hier eine Nachtspeicherheizung“, erzählt Hilfing. Während der kalten Monate sorgt also Strom für Wärme. Und auch der Strompreis ist infolge des russischen Angriffskrieges gestiegen. Mehreren Online-Portalen zufolge lag der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Strom im April 2022 bei rund 37 Cent. Ab Juli fiel zwar die Umlage für das Erneuerbare-Energie-Gesetz weg, der Preis pro Kilowattstunde betrug trotzdem noch etwa 32 Cent.
Hilfing sieht sich deshalb in einer kritischen Lage. Die 54-Jährige arbeitet auf 450-Euro-Basis, bekommt 700 Euro Witwenrente und knapp 100 Euro vom Amt. Die etwa 1.250 Euro monatlich würden aktuell grade so ausreichen, um über die Runden zu kommen, sagt sie.
Für die Drei-Zimmer-Wohnung zahlt sie aktuell 355 Euro Miete, hinzu kommen 200 Euro Nebenkosten und knapp 150 Euro für Strom. Der Rest geht drauf für ihr Auto, das sie für den Weg zur Arbeit benötigt, für Lebensmittel und ihre beiden Hunde - etwas Luxus, den sie sich erlaubt. Ab und an sei auch mal ein Besuch im Kino oder im Theater drin.
Hilfing muss auf kleinen Luxus verzichten
„Darauf werde ich im Winter wohl verzichten“, sagt Hilfing. Sie gehe davon aus, dass sie im Winter 500 Euro für Strom zahlen werde. Wie sie das Geld aufbringen soll, wisse Hilfing noch nicht. Es bliebe lediglich nur die Möglichkeit, den ehemaligen Hobbyraum ihres Mannes nicht mehr zu beheizen. Hilfing sagt, sie würde Schimmelbildung in Kauf nehmen, um Geld zu sparen.

Nachtspeicherheizungen wie diese sind in vielen Velero-Wohnungen in Wulfen-Barkenberg eingebaut. © picture alliance / dpa
Die Dorstenerin sagt, dass sie den dritten Raum gar nicht brauche. Sie würde gerne in eine kleinere Wohnung ziehen. Doch ein Umzug innerhalb der Velero sei unmöglich, sagt Hilfing. Velero-Pressesprecherin Anke Sostmann widerspricht. „Selbstverständlich können Mieterinnen und Mieter innerhalb des Velero-Bestandes umziehen.“ Sie rät zu einem Besuch im Dorstener Mieterbüro.
Doch selbst wenn Hilfing in eine kleinere Wohnung wechseln könnte, würde sie dann wohl mehr Miete zahlen als für ihre aktuelle Bleibe. „Kleine Wohnungen sind sehr teuer“, meint die Dorstenerin.
Hilfing meint, dass auch ein Vollzeitjob nicht dazu beitragen würde, ihre finanzielle Situation zu entspannen. „Dann nehmen sie mir die Witwenrente und die Amtsleistung weg“, sagt die 54-Jährige. Übrig bleibe dann weniger Geld als mit einem 450-Euro-Job. Vollzeit, schätzt die Velero-Mieterin, müsste sie 1.800 Euro netto verdienen. Erst dann komme sie problemlos über den Winter.
Und eine derartige Arbeitsstelle zu finden, sei für Hilfing nahezu unmöglich. Denn in ihren erlernten Berufen könne und dürfe sie nicht mehr arbeiten: „Als Einzelhandelskauffrau war ich mehr als zehn Jahre raus, weil ich meinen Mann gepflegt habe. Außerdem hatte ich einen epileptischen Anfall und darf seitdem keinen Bus mehr fahren.“ Hilfing fühlt sich aufgrund der ganzen Situation in einer Abwärtsspirale gefangen: „Egal was ich mache, ich bin so oder so am Arsch.“
Velero sichert ihren Mieterinnen und Mietern zumindest etwas Unterstützung zu. Sprecherin Sostmann erklärt auf Nachfrage: „Velero schreibt alle Mieter an und zeigt auf, wie sie am sinnvollsten Energie einsparen können. Natürlich versucht das Unternehmen auch, den Stromverbrauch in seinen Beständen zu senken, beispielsweise durch LED-Beleuchtung - problematisch hierbei sind leider immer wieder Diebstähle der begehrten LED-Leuchtmittel.“
Mieter haben Stromverträge selbst mit Versorgern abgeschlossen
Zusätzlich seien die Hauswarte angehalten, die Heizanlagen regelmäßig zu überprüfen. „Velero prüft für den kommenden Winter, welche Auswirkungen die Anpassung von Vorlauftemperaturen hat. Grundsätzlich ist es jedoch aufgrund der dezentralen Versorgung so, dass die Mieter am meisten selbst tun können, da sie die Verträge mit den jeweiligen Versorgern abgeschlossen haben.“
Grundsätzlich sei es aber so, dass die von Velero verbauten Nachtspeicherheizungen mit intelligenter Aufladeautomatik und integriertem Raumtemperatur-Regler mit Wochentimer samt Offene-Fenster-Erkennung für den energiesparenden Betrieb ausgelegt seien, so Sostmann.
Ob Hilfing das Vorgehen von Velero sowie ihre eigenen Sparmaßnahmen weiterhelfen, wird sich im nächsten Jahr zeigen. Erst dann gibt es die Abrechnung für die Nebenkosten und die Rechnung des Stromanbieters.
Geboren in der Stadt der tausend Feuer. Ruhrpott-Kind. Mag königsblauen Fußball. Und Tennis. Schreibt seit 2017 über Musik, Sport, Wirtschaft und Lokales. Sucht nach spannenden Geschichten. Interessiert sich für die Menschen und für das, was sie bewegt – egal in welchem Ort.