Sven Trajonowski und Petra Lückel diskutierten leidenschaftlich zum Thema Impfpflicht.

© Bastian Becker

Zwei Castrop-Rauxeler diskutieren: Soll die Corona-Impfpflicht kommen?

rnDiskussion

Eine Krankenschwester und ein Vater aus Castrop-Rauxel haben verschiedene Meinungen. Entlastet die Impfpflicht das Gesundheitssystem oder spaltet sie die Gesellschaft? Ein Streitgespräch.

Castrop-Rauxel

, 17.02.2022, 17:55 Uhr

Petra Lückel und Sven Trajonowski leben in Ickern. Die leitende Krankenschwester im EvK, die für die SPD im Stadtrat sitzt, und der Familienvater haben die Pandemie aus verschiedenen Perspektiven erlebt. Zu dem viel diskutierten Thema der Corona-Impfpflicht haben sie unterschiedliche Meinungen, die sie bei einem intensiven Gespräch in unserer Redaktion ausgetauscht haben.

Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag prägen Petra Lückel

„Ich bin jeden Tag im Krankenhaus mit Corona konfrontiert. Unser Gesundheitssystem ist überlastet. Es infizieren sich auch viele Mitarbeiter, weil es Menschen gibt, die sich im Krankenhaus behandeln lassen und nicht geimpft sind“, berichtet Petra Lückel. Wenn es nur um persönliche Gesundheit gehe, sei eine Impfung Privatsache. Wenn aber andere gefährdet würden, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, müsse der Staat aus ihrer Sicht eingreifen und eine Impfpflicht einführen.

Jetzt lesen

Diese ist für Sven Trajonowski nicht notwendig. Der 42-Jährige, selbst zweifach geimpft, meint: „Die Politik kommuniziert die Sache schlecht, viele Verhältnisse passen einfach nicht.“ Rund 120.000 Menschen, die in zwei Jahren Pandemie in Deutschland mit dem Virus gestorben sind, sind für ihn kein Grund, per Gesetz eine Impfung einzufordern. „Für mich sind das im Vergleich nicht viele Fälle, bei einigen weiß man zudem nicht, ob sie an oder mit Corona gestorben sind“, begründet er seine Position. Für ihn gibt es zudem bislang zu viele Impfdurchbrüche, um eine Impfpflicht plausibel zu rechtfertigen.

Impfpflicht könnte Gesellschaft weiter spalten

Das sieht die Krankenschwester anders. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass man nach drei Impfungen eine gute Grundimmunisierung hat. Da müssen wir hinkommen“, fordert sie eine zeitnahe Erhöhung der Impfquote. Deswegen müsse sich die Politik einschalten und nicht wie im vergangenen Jahr erst einmal abwarten.

Jetzt lesen

Sven Trajonowski setzt dagegen in diesem Punkt weiterhin auf Aufklärung. „In der Pandemie ist viel kaputt gegangen, jetzt darf man die Gesellschaft nicht durch Verordnungen weiter spalten, sondern muss sie wieder vereinen“, appelliert er. Das funktioniert aus seiner Sicht nur über klare Kommunikation und Aufklärung. Spontane Impfaktionen wie kürzlich „McImpf Dich!“ in Castrop-Rauxel hält er dagegen für unglücklich.

Impfung auch eine Frage der Solidarität?

Die Kritik, dass die politischen Entscheidungsträger ihre Aussagen regelmäßig ändern würden, kann Petra Lückel nur bedingt nachvollziehen: „Die Politik wusste am Anfang nicht, wo der Weg hinführt. Deshalb musste man die Strategie immer wieder anpassen.“

Sie stellt den Solidaritätsgedanken in den Vordergrund. „Viele haben sich impfen lassen, um sich und andere zu schützen. Trotzdem müssen weiterhin auch die Geimpften mit Einschränkungen leben, weil sich einige bewusst nicht impfen lasen. Das kann doch nicht sein“, ärgert sich die Ickernerin etwas.

Petra Lückel hat jeden Tag mit Corona-Patienten zu tun und spricht sich deutlich für eine Impfpflicht aus.

Petra Lückel hat jeden Tag mit Corona-Patienten zu tun und spricht sich deutlich für eine Impfpflicht aus. © Bastian Becker

Gerade durch die verschiedenen Regelungen bei unterschiedlichem Impfstatus gehe viel Vertrauen verloren, argumentiert dagegen ihr Gegenüber. Eine direkt wirksame Alternative zur Einführung einer Impfpflicht sieht Sven Trajonowski nicht. „Wir sind an einem Punkt, wo man es laufen lassen muss. Irgendwann sind wir durch und können mit Corona gut umgehen“, denkt er. Unter den Krankenhauspatienten seien schließlich auch einige Geimpfte, das zeige, dass die Impfung nicht immer wirksam ist.

Jetzt lesen

„Die haben aber wesentlich leichtere Verläufe“, entgegnet Petra Lückel. Gerade der deutlich zurückgehende Anteil der Patienten, die auf Intensivstationen behandelt werden müssen, zeige, dass die Impfung guten Erfolg habe: „Je mehr wir impfen, desto mehr wird das Virus ausgedünnt.“

Sven Trajonowski fehlt klare Kommunikation. Eine Impfpflicht ist aus seiner Sicht nicht sinnvoll.

Sven Trajonowski fehlt klare Kommunikation. Eine Impfpflicht ist aus seiner Sicht nicht sinnvoll. © Bastian Becker

Deswegen wünscht sie sich eine Impfpflicht, allerdings für alle und nicht nur für bestimmte Gruppen wie etwa die Mitarbeiter in Pflegeberufen. Das sei nicht solidarisch. Das Thema Impfpflicht wird die Menschen nicht nur in Castrop-Rauxel weiter beschäftigen.