
Am Freitag gibt es Zeugnisse. Nach zwei Jahren mit lockeren Regelungen gelten die wieder normale Maßstäbe für die Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe. (Symbolbild) © picture alliance/dpa
Castrop-Rauxeler Gymnasiasten verlassen Schule mit Hauptschul-Zeugnis
Versetzung nach Corona
Zwei Jahre galten lockere Versetzungsregeln wegen Corona. Nun gibt es wieder Zeugnisse ohne Bonus. Manchen Schüler erwartet eine böse Überraschung – besonders an einem Castrop-Rauxeler Gymnasium.
Freitagmorgen (24.6.) schlägt für Tausende Schüler die Stunde der Wahrheit: Zeugnisausgabe. Die wichtigsten Zeile steht ziemlich weit unten: „Versetzt in die Klassenstufe...“ oder „nicht versetzt“? Dabei geht es für viele Kinder und Jugendliche um ihre nähere oder auch weitere Zukunft.
Das Frühjahr 2020 und das gesamte Schuljahr 2020/21 standen im Zeichen von Corona mit Schulschließungen, Distanz- und Hybridunterricht sowie gelockerten Versetzungsregelungen. 2021/22 herrschte weitestgehend Normalität an den Schulen – mit den üblichen Anforderungen an die Versetzung.
Jetzt zeigt sich der tatsächliche Leistungsstand, der zwei Jahre lang womöglich unter dem Radar geblieben ist. Wer 2021 wegen schlechter Leistungen schon auf eine „Ehrenrunde“ geschickt wurde und jetzt erneut nicht versetzt wird, dem blüht ein Schulwechsel.
Dramatische Zahlen in Essen
Das betrifft vor allem Realschüler und Gymnasiasten, die dann in eine Schulform mit niedrigeren Bildungszielen wechseln müssen. Aus Essen alarmierte in den vergangenen Tagen die Nachricht, dass eine ungewöhnlich hohe Zahl Realschüler auf die Hauptschule wechseln müsse – doppelt so viele wie vor Corona. In der achten Klasse einer Realschule müsse ein Fünftel der Mädchen und Jungen nun auf die Hauptschule wechseln.
In Castrop-Rauxel zeigt sich diese Corona-Folge nicht, wie eine Umfrage unserer Redaktion unter den Schulleitern der Fridtjof-Nansen-Realschule (FNR) und den beiden Gymnasien zeigt. Komplette Statistiken liegen für dieses Schuljahr noch nicht vor. Aber auch in der Europastadt gibt es Besonderheiten und Auffälligkeiten.
Die Zahl der Sitzenbleiber sei nicht signifikant angestiegen, berichtet Alfred Horn aus der FNR. „Wir können pro Klasse immer von zwei bis drei Schülern ausgehen, die das Ziel nicht erreichen.“ Zirka 20 Schüler müssen die Schule verlassen.
Die Hälfte davon besuche die Klassen 7 bis 9. Die andere Hälfte wechselt nach der sechsten Klasse, am Ende der Erprobungsstufe – die ihrem Namen damit gerecht wird. Beide Zahlen seien „keine Überraschung“. Mit den betroffenen Schülern und Eltern werde nach einer sinnvollen Lösung gesucht. Die Kinder wechseln auf eine Haupt-, Sekundar- oder Gesamtschule – und nicht nur in Castrop-Rauxel, sondern auch in den Nachbarstädten.
Probleme im ersten Oberstufen-Jahrgang
Der Schulleiter des Adalbert-Stifter-Gymnasiums (ASG), Joachim Höck, mochte am Dienstag (21.6.) keine konkreten Sitzenbleiber-Zahlen nennen. Zudem fanden die Zeugniskonferenzen für die Jahrgänge ab Klasse 10 erst am Nachmittag des Tages statt.
Einen signifikanten Anstieg wie an der Essener Realschule könne er jedoch nicht bestätigen. In den Klassen 7 bis 9 gebe es Sitzenbleiber „im unteren zweistelligen Bereich“, erklärt der Schulleiter. Weniger als 20.
Auch am Ernst-Barlach-Gymnasium (EBG) gebe es in den unteren Jahrgängen keine Auffälligkeiten, berichtet Schulleiter Dr. Friedrich Mayer. Allerdings mache sich die Pandemie im ersten Jahrgang der Oberstufe bemerkbar. In der EF (Klasse 10) seien die Mathematik-Klausuren schlecht ausgefallen.
Hier schlügen sich die Lerndefizite aus der Corona-Zeit niederschlagen, die durch die „großzügigen Versetzungen“ der vergangenen Jahre nicht sichtbar geworden seien. 16 von 116 Schülerinnen und Schüler wiederholen die Stufe oder verlassen das EBG, weitere vier müssen in die Nachprüfung.
Problematisch: Diejenigen, die die Schule verlassen, haben nun lediglich den einfachen Hauptschul-Abschluss. Für den Realschulabschluss, die frühere „Mittlere Reife“, bedarf es eines erfolgreichen Abschlusses der Klasse 10. „Das ist aber ein systemisches Problem von G8 (die achtjährige Gymnasiallaufbahn, Anm. d. Red.) und hat mit Corona nichts zu tun.“ Es kommt noch hinzu – nach Corona.
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
