Wohnungsmarkt in Castrop-Rauxel Daten und Prognosen zeigen angespannte Lage

In der Zukunft fehlen viele Wohnungen - vor allem kleine
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Wie muss die Wohnungspolitik der Zukunft in Castrop-Rauxel aussehen, für wen fehlen Wohnungen, wie kann die Europastadt als Wohnort interessant sein. Das alles will die Stadt Castrop-Rauxel wissen und arbeitet an einem Handlungskonzept Wohnen. Analysen, Prognosen und erste Ziele werden gerade in verschiedenen Ausschüssen der Stadt vorgestellt.

Die Ausgangslage ist nicht sehr rosig. Inflation, Zinsen, Energiepreise sind gestiegen und damit die Kosten für Hausbau oder Hauskauf. Bauträger stellen Bauvorhaben zurück. Die Nachfrage nach Eigenheimen geht zurück, so skizziert die von der Stadt beauftragte InWIS Forschung & Beratung GmbH die Lage. Andererseits fehlen Wohnungen. Aber Castrop-Rauxel kann durchaus auch punkten.

Wie ist die Situation in Castrop-Rauxel?

Die Einwohnerzahl steigt seit 2012 leicht. Dazu tragen auch die Jahre 2015 und 2022 bei, als viele Flüchtlinge neu nach Castrop-Rauxel kamen. Nimmt man das starke Zuzugsjahr 2022 heraus, zählt die Stadt allerdings zu den leicht schrumpfenden Kommunen. Überproportional im NRW-Vergleich ist die Zuwanderung von Familien in die Europastadt.

Die Stadt in der Nachbarschaft zu Dortmund und Bochum ist zudem ein Wohnstandort für Pendler. Neue Bürger kommen durch Suburbanisierung aus Dortmund, Bochum oder Herne. Nur mit solchen Wanderungsgewinnen lässt sich das jährliche Geburtendefizit ausgleichen.

2021 lebten 20.375 Menschen in Castrop-Rauxel, die außerhalb ihres Wohnorts arbeiteten. Zum Arbeiten in die Stadt kamen nur 9334 Menschen. Die Bedeutung als Arbeitsstandort wächst, das zeigt der überdurchschnittliche Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit 2012 um 24 Prozent (Kreis Recklinghausen 12 Prozent, NRW 16 Prozent).

Auf der Minus-Seite stehen die „Starterhaushalte“. Viele 18- bis 25-Jährige zieht es für das Studium in die Hochschulstädte. Aber auch Best-Ager, womit in dem Bericht von InWIS die 50- bis 65-Jährigen gemeint sind, verlassen Castrop-Rauxel. Das könne ein Anhaltspunkt für fehlende Wohnqualitäten sein, heißt es.

Wie entwickelt sich der Wohnungsbestand?

Der gesamte Wohnungsbestand umfasste in Castrop-Rauxel laut IT.NRW 2021 genau 39.434 Wohnungen. Pro Jahr wurden zwischen 2012 und 2021 durchschnittlich 120 Wohnungen fertiggestellt. 40 Prozent betreffen Ein- und Zweifamilienhäuser, der Rest Mehrfamilienhäuser.

Seit 2018 liegt der Fokus der Baufertigstellungen im Mehrfamilienbereich. Im regionalen Vergleich liegt die Bauintensität tendenziell auf einem eher unterdurchschnittlichen Niveau des Ruhrgebietes. Hier sind Datteln und Waltrop zum Beispiel viel mehr aktiv. Bereits nach dem betrachteten Zeitraum wurde und wird vermehrt gebaut. So ziehen seit 2023 Menschen in das Beerenbruchviertel, dem größten Baugebiet in Castrop-Rauxel seit Jahrzehnten.

Welche Erkenntnisse gibt es zum Markt für Mietwohnungen?

Der Mietpreis liegt Stand 2022 im Durchschnitt bei 7 Euro pro Quadratmeter und ist damit ähnlich günstig wie im restlichen Kreisgebiet außer Haltern und niedriger als in Bochum und Dortmund.

Die Nachfrage nach Mietwohnungen in Vor- und Nachkriegsbauten ist durchschnittlich, gefragt sind vor allem moderne Wohnungen zu bezahlbaren Preisen, so die Auswertung von Inseraten bei ImmobilienScout 24. Dabei zeigt sich, dass vor allem mittelgroße Wohnungen zwischen 50 und 80 Quadratmeter angeboten werden. Engpässe gibt es aufgrund der hohen Nachfrage bei großen Wohnungen über 80 Quadratmetern. Auch preisgünstige Singlewohnungen gibt es zu wenig in Castrop-Rauxel. Genauso fehlen altengerechte Wohnungen.

Wie günstig sind Bauland und Hauskauf in Castrop-Rauxel?

Der durchschnittliche Bodenrichtwert für baureife Grundstücke in mittlerer Lage lag 2022 bei 300 Euro pro Quadratmeter. Neueste Zahlen zeigen keine große Veränderung. Im Kreis Recklinghausen sieht es ähnlich aus. In Bochum mit 380 Euro/Quadratmeter und Dortmund mit 350 Euro/Quadratmeter sind Wohnbauflächen teurer. Hier zeigen neuere Zahlen auch einen deutlicheren Anstieg.

Die Kaufpreise fürs Eigenheim liegen in Castrop-Rauxel etwas höher als im nordöstlichen Kreisgebiet, aber niedriger als in den südlichen Großstädten. Das kann ein Motor der Suburbanisierung sein. Interessenten finden ein größeres Angebot an Bestandsimmobilien vor. Die Auswertungen des Immobilienportals zeigt für 2021/22 insgesamt 236 Inserate für Bestandsbauten (Angebotspreis im Durchschnitt 400.000 Euro), 91 für Neubauten (550.000 Euro). Freistehende Eigenheime sind weniger gefragt als Reihenhäuser und Doppelhaushälften. Insgesamt halten sich hier Angebot und Nachfrage die Waage.

Die Karte zeigt die Bodenrichtwerte für Castrop-Rauxel für 2022. Die blauen Zahlen stehen für Ein- und Zweigeschosse, die roten Zahlen für Mehrgeschosse. Auch 2024 haben sich diese Zahlen meist nicht verändert
Die Karte zeigt die Bodenrichtwerte für Castrop-Rauxel für 2022. Die blauen Zahlen stehen für Ein- und Zweigeschosse, die roten Zahlen für Mehrgeschosse. Auch 2024 haben sich diese Zahlen meist nicht verändert. © Boris-NRW (Screenshot)

Was kostet eine Eigentumswohnung?

Im Angebot fanden die Experten vor allem ältere Eigentumswohnungen, die zwischen 1950 und 1979 gebaut wurden. Angebotsdefizite gibt es bei modernen sowie komfortablen Wohnungen mit drei bis vier Zimmern, die noch bezahlbar sind. Für eine kleinere Zielgruppe fehlen auch neuere Wohnungen mit gehobener Ausstattung. Im Durchschnitt kostete 2021/22 der Quadratmeter 2150 Euro, ein Preisanstieg seit 2014 um 9 Prozent und damit oberhalb der allgemeinen Teuerungsrate.

Welche Erkenntnisse gibt es bereits?

Ein wichtiger Faktor ist der Ausbau im Bestand. 22 Wohnungen sind das im Schnitt im Jahr und damit rund 18 Prozent aller Baufertigstellungen in der Stadt. Dazu gehören beispielsweise der Ausbau von Dachgeschossen oder Anbauten.

In Castrop-Rauxel stammen rund 46 Prozent der Wohnungsbestände aus den 1950er- bis 1970er-Jahren. Sie würden sich theoretisch für Ausbau und Aufstockung eignen, da sowieso Sanierungsbedarf besteht. Doch in der Praxis stehen dem häufig wirtschaftliche Erwägungen gegenüber, so warnen die Experten. Dazu kann die (teure) Notwendigkeit eines Fahrstuhls gehören.

Potenzial können auch Leerstände bieten. In Castrop-Rauxel, so die Vermutung, stehen rund 740 Wohnungen leer. Auch hier könne Sanierungsbedarf der Grund für den Leerstand sein.

Die energetische Bestandsentwicklung spielt für die Zukunft ebenfalls eine große Rolle. Hier, so der Hinweis an die Stadt, könnten finanzielle Zuschüsse helfen. Auch die CASKlimahelden seien in dem Zusammenhang ein wichtiger Ansatzpunkt. Sinnvoll sei auch eine Eigentümerberatung anzubieten.

Welche Potenziale gibt es weiter?

Die Experten von InWIS haben den Generationenwechsel im Blick. Wenn ältere Menschen in eine barrierearme Wohnung umziehen, werden größere Wohnungen oder Häuser frei. Bis 2040 könnte es ein „Freisetzungspotenzial“ von 200 Ein- oder Zweifamilienhäusern geben, also umzugsbereiten Senioren. Eine bundesweite Umfrage spricht davon, dass rund 20 Prozent der über 50-Jährigen generell bereit sind, aus ihrem Eigenheim in eine altersgerechte Wohnung umzuziehen.

Um dies zu unterstützen, sollten die entsprechenden Quartiere identifiziert und zum anderen altengerechte Wohnungsangebote möglichst in den Bestandsquartieren geschaffen werden. Schwerpunkte gibt es bereits in Ickern, Rauxel, Schwerin, Obercastrop und Frohlinde. Ein Ansatz könnte sein, gezielt Beratungsangebote für Senioren und altengerechte Wohnalternativen zu etablieren. Erfahrungsgemäß können dadurch Umzugsketten aktiviert werden.

Wie geht es in der Zukunft weiter?

Wie sich die Bevölkerung von Castrop-Rauxel entwickeln wird, dazu gibt es verschiedene Prognosen. Die Stadt geht bis 2040 von einem jährlichen Zuwachs von rund 50 Personen aus. Das bedeute bis 2035 einen Anstieg von 1333 Haushalten.

Laut städtischer Prognose werde der Bedarf an neuen Wohneinheiten bis 2040 bei rund 2900 Wohnungen liegen, rund 1850 betreffen Mehrfamilienhäuser, rund 1055 Ein- und Zweifamilienhäuser. Bis etwa 2030 übersteigt der Bedarf das bisherige Neubau-Niveau. Erst ab 2035 soll die Zahl der Haushalte wieder sinken.

Ein Grund für den Bedarf ist, dass mit mehr Ein- und Zweipersonenhaushalten gerechnet wird. Dazu zählen auch die Senioren-Haushalte. Auch auf einen Zuwachs von jungen Starterhaushalten sollte sich die Stadt vorbereiten, so InWIS.

Wie sieht es mit der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum aus?

22 Prozent der Haushalte in Castrop-Rauxel gelten Stand 2022 als einkommensschwach und damit armutsgefährdet. Von den 8613 Haushalten beziehen 5291 Mindestsicherung, 635 Wohngeld und 2687 Haushalte sind Niedrigeinkommensbezieher ohne Transferleistung.

Derzeit stehen auf dem Wohnungsmarkt in Castrop-Rauxel rund 1800 preisgebundene Wohnungen zur Verfügung. Der Bestand ist seit 2015 rückläufig. Es tut sich allerdings etwas. 2023 wurden 70 Anträge auf öffentlich geförderte Wohnungen bewilligt, 100 weitere Anträge liegen dem Kreis zur Bewilligung vor.

Bis 2035 soll sich laut Prognosen der Bestand dann aber auf 1385 Wohneinheiten reduzieren, ein Rückgang um 24 Prozent. Neue Wohnungen müssten im Neubau entstehen, so die Prognose, da im Bestand von den großen Anbietern keine Modernisierungen geplant seien. Es gibt vor allem zu wenig Wohnungen für kleine Haushalte und besonders wenig barrierefreie und altengerechte Wohnungen.

Das Fazit von InWIS: „Zur Bedarfsdeckung müssen bis 2040 weitere 121 bis 324 preisgebundene Wohnungen im Neubau und im Bestand geschaffen werden.“

Ein Rollator und ein E-Scooter stehen vor einem Haus.
Wohnen im Alter: Das Thema gewinnt in den kommenden Jahren an Bedeutung. Es werden viele barrierearme oder -freie Wohnungen benötigt. © picture alliance / Friso Gentsch/dpa

Die Bedeutung barrierearmer Wohnungen steigt, was sind die Konsequenzen?

Barrierearm oder -frei sind in Castrop-Rauxel rund 1450 Wohneinheiten. Diese Zahl stammt aus der Befragung von Wohnungsunternehmen, Servicewohnen oder betreutes Wohnen. Dazu kommen laut InWIS-Berechnungen knapp 400 weitere Wohneinheiten.

2040 werden laut Prognose rund 1300 mehr 65- bis 80-Jährige in Castrop-Rauxel leben als derzeit. Für sie müssten rund 900 barrierearme oder -freie Wohnungen bereitgestellt werden. Für die zusätzlichen rund 300 Menschen über 80 Jahren würden weitere 200 Wohnungen benötigt. Hier wächst das Nachfragepotenzial sehr.

  • Die Analyse ist mit den in den Ausschüssen vorgestellten Informationen abgeschlossen. Für die Fertigstellung des Konzepts werden jetzt konkrete Handlungsempfehlungen für die Stadt erarbeitet. Darüber wird dann am Ende der Rat der Stadt Castrop-Rauxel beraten und beschließen.

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